Derby Düsseldorf gegen Köln:Die Zähmung der Chaotischen

1. FC Köln - Fortuna Düsseldorf

Rheinisches Derby: Kölns Anthony Ujah (rechts) und Düsseldorfs Tobias Levels kämpfen um den Ball

(Foto: dpa)

Kölner und Düsseldorfer lieben es, die Gegensätze der beiden Städte polemisch zu stilisieren. Beim rheinischen Derby bekommt es die Fortuna diesmal mit einem rundum erneuerten 1. FC Köln zu tun. Sogar chronische Bedenkenträger müssen den Aufstieg nicht mehr fürchten.

Von Philipp Selldorf, Köln

Im Hintergrund typische Flughafen-Geräusche. Wartehallen-Jingles, Lautsprecherdurchsagen, "Your flight is now ready for boarding" - nur der Flug für Jörg Schmadtke ist wieder nicht dabei. "Ich will endlich nach Hause", seufzt er.

Wie es seinem Job entspricht, war der Manager des 1. FC Köln in geheimer Mission unterwegs, als Spionagechef auf Spielersuche, aber dass ihn diese Reise nach Polen geführt hat, das will Schmadtke nicht verheimlichen, Geheimnistuerei findet er albern. Auch beim souveränen Tabellenführer der zweiten Liga geht es stets und ständig darum, den Kader für künftige Tage zu verstärken. Die bedeutende Nachricht ist ohnehin die, dass Schmadtkes Sehnsucht nach dem Zuhause neuerdings Köln und nicht mehr seiner Heimatstadt gilt.

Der 49-Jährige, der in Düsseldorf-Eller zur Welt kam und sein halbes Leben in Düsseldorf-Hamm gelebt hat, wohnt inzwischen möbliert und zur Miete im Kölner Agnesviertel, und was soll er sagen? Es gefällt ihm prächtig. Er fühlt sich in Köln "unheimlich wohl", und er ist "total glücklich", beim FC zu arbeiten: "Ich mag den Klub einfach, die ganze Stadt ist mit dem FC infiziert."

Düsseldorfer Patrioten mögen bei diesen Worten ihres Landsmanns erschrecken, aber die Sache wird im Allgemeinen weniger verbissen gesehen, als es den Anschein hat. Kölner fahren nicht nach Düsseldorf, wenn sie nicht unbedingt müssen, und Düsseldorfer nicht nach Köln, wenn es sich vermeiden lässt - auf dieser Basis des Ignorierens leben die ungleichen Geschwister in friedlicher Koexistenz.

Die polemische Stilisierung der Gegensätze - hier das schmutzige Köln, dort das neureiche Düsseldorf - ist Folklore, findet auch Schmadtke: "Eine friedliche Neckerei, gegenseitiges Auf-den-Arm-nehmen nach dem Motto: Eigentlich haben wir Euch doch ganz gern - aber wir werden es nie zugeben."

Gerne würden das auch die mehr als 1000 Polizisten so gelassen sehen, die am Sonntag die Begegnung zwischen Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln in der ausverkauften Arena sichern sollen. Doch die Präsidien in beiden Städten sind alarmiert, die Fans der Lager seien "traditionell feindschaftlich verbunden", sagte eine Sprecherin.

Auch Toni Schumacher nimmt sich zurück

Früher sprach man von der "Nacht der langen Messer", wenn die Klubs aufeinandertrafen. Vorsorglich wurden Platzverweise an 20 Düsseldorfer und 50 Kölner Notoriker ausgesprochen, und zu Wochenbeginn gab es Aufsehen, als die Düsseldorfer Polizei ein makabres Mahnmal abräumen musste: Unbekannte hatten einen Schweinekopf auf einer Mistgabel installiert und dazu einen Grabstein für die Fortuna improvisiert, der das Verfallsdatum 22.12. trug. Die wenig geschmackvolle Replik folgte zum Ende der Woche, als in der Nähe des Kölner Stadions fünf abgetrennte und gehäutete Köpfe von Ziegenböcken abgelegt wurden.

Solche exaltierten Aktionen muss man aber nicht überschätzen. Die Kölner Fans, die sich vor anderthalb Jahren mit Rauch und furchteinflößendem Getöse aus der ersten Liga verabschiedeten, sind zuletzt nur noch selten negativ aufgefallen. Das ist vor allem dem Einfluss der Klubführung um den Präsidenten Werner Spinner zu verdanken, der sich des Themas mit ungewöhnlichem Ehrgeiz angenommen hat und auch bei den orthodoxen Anhängern viel Vertrauen genießt.

Ohnehin hat der 1. FC Köln im Dezember 2013 wenig gemein mit jenem 1. FC Köln, der jahrelang als notorischer Nichtsnutz der Bundesliga angesehen wurde. "Das Bild, das ich immer hatte, das hat sich nicht bestätigt", sagt Schmadtke, der im Sommer ans Geißbockheim kam: "Von außen wirkte der Klub immer charmant-chaotisch, aber was ich jetzt wahrnehme, ist das genaue Gegenteil." Außenstehende vertreten oft die Meinung, dass die Zähmung der Chaotischen vor allem sein Verdienst wäre, denn in der Branche besitzt der Sportchef einen vorteilhaften Ruf. Aber Schmadtke nimmt lediglich in Anspruch, "nix durcheinandergebracht" zu haben, und gibt die Komplimente an Jörg Jakobs weiter, der einst bei Hannover 96 sein engster Mitarbeiter war, bis er im Sommer 2012 den Job als sogenannter Kaderplaner in Köln übernahm.

"Er hat viele der Dinge vorbereitet, die uns jetzt Erfolg bringen", sagt Schmadtke. Im Winter 2012 wollte der Vorstand den Kaderplaner Jakobs zum Sportchef mit gehobenen Bezügen befördern - doch der lehnte ab. Er mag das Rampenlicht nicht.

Schmadtke hat damit kein Problem, aber er sucht es auch nicht. Eitelkeiten sind zurzeit ausnahmsweise nicht das Problem des 1. FC Köln; der Vorstand - Vizepräsident Toni Schumacher inbegriffen - hat sich nach der geglückten Rundum-Renovierung des im Abstiegsjahr dramatisch darniederliegenden Klubs in den Hintergrund zurückgezogen und überlässt das öffentliche Feld dem Trainer Peter Stöger und der Geschäftsführung. Befürchtungen, dass die Begegnung der ehemaligen Torhüter Schumacher und Schmadtke eine kritische chemische Reaktion auslösen könnte, haben sich nicht bewahrheitet. "Toni ist klar, geradeaus und trägt das Herz auf der Zunge, ein richtiger alter Fußballer", stellt Schmadtke zufrieden fest.

Es läuft blendend in Köln, anders lässt es sich nicht sagen. Auch Schmadtke, der sich selbst als chronischer Bedenkenträger einschätzt, gibt zu, der FC müsse "den Aufstieg nicht fürchten: Es ist nicht so, dass wir dann die halbe Elf austauschen müssten. Wir haben ein junges Team, da ist noch längst nicht alles ausgeschöpft." Mit solchen Perspektiven fährt man ausnahmsweise auch gern mal nach Düsseldorf.

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