Der Papst und der TSV 1860:Habemus Löwe

Papst Franziskus muss inzwischen ein ganzes Zimmer voller Trikots haben. Nun bekam er auch die Ehrenmitgliedschaft des TSV 1860 - ob er weiß, worauf er sich eingelassen hat? Der Fall liegt beim Staatsanwalt.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires, und Philipp Schneider

Im Vatikan muss es seit einiger Zeit ein Zimmer voller Fußballtrikots, Plaketten und Pokale geben. Auch Karol Woytila alias Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. waren gelegentlich von Sportfreunden heimgesucht worden, das ist unvermeidlich auf diesem Posten am katholischen Anstoßpunkt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel der FC Woytila und die Ehrenmitgliedschaft des Bayern Ratzinger 2007 beim TSV 1860 München - er bekam damals von einem der diversen ehemaligen Vereinspräsidenten ein Trikot mit der Nummer 16 und dem Namen Benedikt.

Zum Vereinsheim aber wurde der Heilige Stuhl erst mit ihm: mit Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires. Mit Papst Franziskus. Der Argentinier gehört bereits seit seiner Zeit als Bischof zum argentinischen Erstligisten San Lorenzo de Almagro. Dieser päpstliche Lieblingsklub wird auch "Zyklon" genannt, "Los Santos" (Die Heiligen), "die Kambodschaner" (wegen einer Pleite in den Achtzigern) und vor allem "Cuervo", Rabe, wegen der schwarzen Roben der Geistlichen. Legendär sind die Duelle der Raben mit den Teufeln des Rivalen Independiente, der allerdings vorübergehend im Fegefeuer der zweiten Liga schmorte. San Lorenzo dagegen erlebte seit der überraschenden Ernennung des Pontifex eine wundervolle Auferstehung: Vom Abstiegskandidaten wurde das Team zum Meister und gewann im August erstmals die Copa Libertadores, Lateinamerikas Champions League.

Logischerweise bekommt der Heilsbringer Franziskus von jedem dritten Pilger einen blauroten Dress von San Lorenzo. Inzwischen könnte Bergoglio sämtliche Raben-Fans in Italien mit San-Lorenzo-Klamotten ausstatten. Gerade bekam er anlässlich eines Benefizspiels wieder Argentinien-Trikots, vorneweg übergab ihm Diego Maradona mit der Hand Gottes ein Exemplar mit der Nummer 10 und Widmung.

Ebenso göttlich Himmelblau-Weiß sind die Farben des TSV München 1860, das könnte den Papst verwirrt haben, ansonsten hatte er von dieser Institution eventuell noch nie gehört. Im Rahmen einer Generalaudienz auf dem Petersplatz erhielt er nun eine Vereinschronik von 1860 (teilweise traurige Geschichte) sowie eine Mitgliedsurkunde überreicht, auf der die Vereinsvertreter Franziskus zwar mathematisch korrekt, gleichwohl kirchenrechtlich fälschlich, als Franziskus I. bezeichneten.

Der Papst und der TSV 1860: Totalfälschung? 1860-Mitgliedsurkunde für Papst Franziskus.

Totalfälschung? 1860-Mitgliedsurkunde für Papst Franziskus.

(Foto: oh)

Und nun wird der Heilige Vater gar in einen Rechtsstreit hineingezogen, von dessen Existenz, Heiliger Vater hin oder her, er ganz sicher noch nie etwas gehört hat: Den traurigen Löwen mit Wohnsitz München beschäftigt seit Monaten die Klage eines Vereinsmitglieds, das argumentiert (und teilweise vor Gerichten Recht erhielt), dass das gegenwärtige Vereinspräsidium nicht rechtmäßig amtiert. Weil es auf einer Mitgliederversammlung gewählt wurde, die gar nicht hätte stattfinden dürfen, weil dafür die Satzungsänderung einer Delegiertenversammlung notwendig gewesen wäre, zu der nicht rechtmäßig geladen wurde. Der Münchner Rechtsanwalt Heinz Veauthier hat nun die Staatsanwaltschaft auf die schöne neue Urkunde des Papstes hingewiesen, bei der es sich aus seiner Sicht um eine "Totalfälschung" handelt: Zunächst einmal hätte das Präsidium die Urkunde nicht unterzeichnen dürfen, weil es gar nicht den Verein repräsentiert. Außerdem wäre (nach korrekter Ladung) der Beschluss einer Delegiertenversammlung notwendig gewesen, um zu verfügen, dass der Papst Ehrenmitglied werden darf.

"Ehrenrührig und strafrechtlich nicht irrelevant"

"Dem Heiligen Vater ist jede Ehrerbietung zu gönnen. Um eine solche handelt es sich hierbei in der Tat jedoch nicht", schrieb Veauthier den Staatsanwälten: "Mit Rücksicht auf das hohe Amt ist die von den Tätern primär eigensüchtig provozierte Ehrerbietung jedoch höchst unangemessen, ehrenrührig und strafrechtlich nicht irrelevant."

Man darf zwar annehmen, dass sich die Staatsanwaltschaft der brennend relevanten Thematik bald annehmen wird, doch solange sie nicht handelt, stürzt sie den Papst in ein unchristliches Dilemma. Er weiß schlicht nicht, ob er der Urkunde, für die er sicher längst einen feinen Platz in einem der fünf Schiffe der Erzbasilika San Giovanni in Laterano gefunden hat, überhaupt trauen kann. Die passive Mittäterschaft an einer Urkundentotalfälschung will er dem Vernehmen nach unbedingt vermeiden. Es steht viel auf dem Spiel: Denn wäre Franziskus nicht nur Rabe, sondern wie sein Vorgänger auch Löwe, der Rest der zweiten Liga dürfte sich warm anziehen.

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