Der Flügelflitzer:Wer braucht schon Fans?

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Ein italienischer Zweitligist tarnt leere Ränge mit überdimensionalen Tüchern, auf denen Fans abgebildet sind. Der Verein spart Geld - und könnte zum Vorbild pfiffiger Sportvermarkter werden.

Jürgen Schmieder

Mal ganz ehrlich: Wer braucht in modernen Sportarenen noch Fans? Diese Menschen in ulkigen Klamotten, die da Woche für Woche in die Stadien pilgern und ihre Mannschaft anfeuern oder bei ungünstigem Spielverlauf ausbuhen. Die durch ihre Brüllerei, Trommlerei und Tröterei die Konzentration der Akteure auf dem Platz stören und dabei auf der Tribüne einen Müll hinterlassen, auf den selbst die Besucher des Woodstock-Festivals neidisch wären. Warum können die nicht einfach alle daheim bleiben und sich die Spiele im Fernsehen angucken?

Zuschauerattrappen in Triest: US Triestina will mit der ungewöhnlichen Aktion Geld sparen - und Einnahmen erhöhen. (Foto: imago sportfotodienst)

Zugegeben, so ein leeres Stadion ist doch arg trostlos, wenn nicht gerade Günter Koch eine Reportage daraus sendet - und außerdem sieht es im Fernsehen noch viel trostloser aus, wenn da keine Menschen in ulkigen Klamotten stehen und brüllen und trommeln und tröten. Aus diesem Grund hatten die Verantwortlichen des italienischen Zweitligisten US Triestina eine pfiffige Idee: Beim Spiel gegen Pescara Calcio spannte der Verein überdimensionale Transparente über die leeren Ränge. Auf den Tüchern waren Fans zu sehen, die ekstatisch brüllten und trommelten und tröteten. Bei günstiger Kameraeinstellung sah es tatsächlich so aus, als wäre das Stadion ausverkauft.

Weil der Zweitligist nun nur noch einen Teil der Zuschauersektoren öffnen muss, könnten so über die Saison verteilt mehr als 100.000 Euro eingespart werden - und weil zwischen den Fanbildern noch Platz ist für Werbebanner, soll die Zusammenarbeit mit einer Marketingagentur zusätzliche Einnahmen generieren.

Es ist eine großartige Idee, die Vorbild sein könnte für eine ganze Reihe an Neuerungen im Fanbereich. Nordkorea etwa müsste keine chinesischen Söldner mehr zu den Spielen der Nationalelf schicken wie noch bei der WM in Südafrika - ein Transparent genügt und dazu vielleicht noch eine CD an den Stadionsprecher, der in dramaturgisch günstigen Momenten Fangesänge oder Jubelschreie oder Trommelwirbel aus den Lautsprechern dröhnen lässt.

1860 München könnte seine Heimspiele weiterhin in der Allianz Arena austragen, schließlich gibt es bei nicht vorhandenen Zuschauern auch keinen Streit um die Qualität des Catering - und erstmals seit dem Jahr der Ratte würde es im Fernsehen so aussehen, als wäre ein Heimspiel der Löwen ausverlauft. Der brasilianische Ballzauberer Emerson könnte ein Comeback erwägen, sogar bei Real Madrid. Dort hatte er sich einst geweigert, bei Heimspielen aufzulaufen, weil die Fans ihn beschimpften. Nun aber würden die Verantwortlichen dafür sorgen, dass da nur noch Emerson-freundliche Gesänge zu hören wären.

Auch Jürgen Klopp müsste sich nicht mehr echauffieren über den Entschluss von Schalke 04, die Ticketpreise für das Spiel Schalke gegen Dortmund in der kommenden Woche um acht Euro gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen. Statt eines Boykotts könnten die Dortmunder einfach ein Transparent schicken, das im Gästeblock aufgezogen wird. Darauf wären natürlich keine Fans abgebildet, sondern Sprüche - welche, das bleibt der Kreativität von Jürgen Klopp überlassen.

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