Der Flügelflitzer:Skurrile Spielentscheider

In vielen Sportarten werfen Fans Dinge aufs Spielfeld - von Schweineköpfen über Sellerie bis hin zu Handgranaten. Dass diese Sachen Spiele entscheiden können, ist allerdings neu.

Jürgen Schmieder

Es ist im modernen Fußball üblich, nach einer Partie den "Man of the Match" zu küren. Ein Akteur soll hervorgehoben werden, weil er das Spiel zuvor entscheidend geprägt hat - bisweilen bekommt er sogar einen Pokal, weil er 90 Minuten lang seinen Job besonders gut erledigt hat. Nach dem 1:0 des FC Sunderland über Liverpool in der englischen Premier League darf sich nun ein kleiner Junge Hoffnungen machen, die Auszeichnung zu bekommen - schließlich hat er das Spiel mit einer blitzsauberen Einzelleistung entschieden.

Der Flügelflitzer: Die fünfte Minute beim Spiel Sunderland gegen Liverpool: Der Ball wird von einem Wasserball abgelenkt und fliegt ins Tor.

Die fünfte Minute beim Spiel Sunderland gegen Liverpool: Der Ball wird von einem Wasserball abgelenkt und fliegt ins Tor.

(Foto: Foto: Getty)

Es ist die fünfte Spielminute, der rothaarige Bub auf der Tribüne bekommt einen Wasserball zugeworfen. Er zögert nicht lange und wirft die rote Kugel schnurgerade in die Luft, prügelt sie technisch einwandfrei in den Strafraum des FC Liverpool. Dann verfolgt er die perfekte Flugkurve mit offenem Mund. Der Ball liegt auf dem Rasen und tut so, als könnte er kein Wässerchen trüben - er rollt sogar so weit nach vorne, dass er bei seinem großen Auftritt nicht im Abseits liegt. Dieser Auftritt folgt wenige Sekunden später: Sunderlands Darren Bent schießt aus elf Metern aufs Tor - und zwar so harmlos, dass der Schiedsrichter wohl auf Rückpass entschieden hätte, wenn ihn Liverpools Torhüter Pepe Reina mit der Hand berührt hätte.

Das Spielgerät prallt jedoch auf den Wasserball und von dort aus unhaltbar ins Tor. Der Treffer zählt, auch wenn es den Regeln entsprechend einen Schiedsrichterball hätte geben müssen. Schiedsrichter Mike Jones ignorierte diese Regel und erkannte das Tor an. Das Spiel wird auch nicht wiederholt, vielmehr erklärte Liverpools Trainer Rafael Benítez lapidar: "Solche Dinge passieren im Fußball eben." Die Wasserbälle im Fanshop des Liverpool sind mittlerweile ausverkauft - wahrscheinlich fliegen am kommenden Wochenende Hunderte davon auf den Rasen.

In vielen Sportarten werfen Fans Dinge aufs Spielfeld - siehe Bildergalerie -, die Bandbreite reicht von skurril (Sellerie in Chelsea) bis unappetitlich (Schweineköpfe in Barcelona), von praktisch (Schubkarre in Mexiko City) bis hin zu brandgefährlich (Handgranate in Milwall). Doch dass so ein aufs Feld geworfenes Ding auch ein Spiel entschieden kann, das weiß nicht nur Benítez bereits seit wenigen Monaten. Beim UEFA-Cup-Halbfinale zwischen Hamburg und Bremen etwa war es eine Papierkugel, die einen Eckball verursachte - der dann zum Treffer für Werder Bremen führte. Also, da haben wir's: Nicht nur Einkaufspolitik, Taktik und Motivation entscheiden über Sieg und Niederlage, bisweilen spielt auch der Zufall eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Möglichkeit, auf diese Weise Tore zu erzielen und ein Spiel zu beeinflussen, nicht herumspricht. Die Fans des VfB Stuttgart könnten sonst auf die Idee kommen, lebensgroße Mario Gomez-Puppen aufs Feld zu werfen, weil das bei den Spielern der gegnerischen Mannschaft größere Furcht auslösen würde als die Anwesenheit von Pograbniak, Cacau und Schieber. In Berlin dagegen würde eine Wurfsache wohl nur dann einen positiven Effekt haben, wenn es zum Spielabbruch führen würde - weshalb davon dringend abzuraten ist.

Beim FC Bayern könnte Trainer Louis van Gaal beim Spiel in Bordeaux der geniale Einfall kommen, in der 70. Minute Mario Gomez, Luca Toni oder Miroslav Klose aufs Spielfeld zu werfen in der Hoffnung, dass einer von ihnen im Strafraum liegen bleibt und angeschossen wird. Dass dies derzeit die einzige Möglichkeit für einen Stürmer des FC Bayern sein könnte, ein Tor zu schießen und Spiel zu entscheiden, ist natürlich nur ein böses Gerücht.

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