Der Flügelflitzer:Lockstoff für Großmäuler

Italien, Land der irrwitzigen Pläne: Um die Serie A vor der Finanzkrise zu retten, sollen TV-Sender in Zukunft für Interviews zahlen.

Michael König

Man kann den Italienern nicht vorwerfen, sie würden nicht kreativ mit Problemen umgehen: Regierungschef Silvio Berlusconi will die Wirtschaft stärken, indem er eine Sondersteuer auf Pornographie erhebt. Wer Schmuddelhefte oder -videos produziert oder vertreibt, soll in Zukunft eine zusätzliche Abgabe zahlen, mit der die Regierung ihr Konjunkturprogramm finanzieren will. "Italien stößt sich gesund", kalauert die Financial Times Deutschland.

Der Flügelflitzer: Interview-Muffel: Inter Mailands Trainer José Mourinho legt auf Mikrofone keinen Wert.

Interview-Muffel: Inter Mailands Trainer José Mourinho legt auf Mikrofone keinen Wert.

(Foto: Foto: Reuters)

Es ist nicht der einzige irrwitzige Plan, der die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Italien dämpfen soll. Auch die Klubchefs des Fußball-Oberhauses Serie A haben sich etwas ausgedacht: Sie möchten in Zukunft Geld sehen, wenn ihre Spieler und Trainer dem Fernsehen Rede und Antwort stehen. Das berichtet die Tageszeitung La Repubblica.

Not macht erfinderisch

Dem Calcio geht es wieder einmal schlecht: Nach dem Korruptionsskandal, der 2006 den Zwangsabstieg von Juventus Turin zur Folge hatte, bangen nun viele Klubs um ihre Liquidität. Viele ihrer Hauptsponsoren sind in der Autobranche tätig, die massive Auftragsrückgänge zu verzeichnen hat. "Die globale Finanzkrise wird unseren Fußball nicht verschonen", warnt der Vizepräsident des AC Mailand, Adriano Galliani. Der Präsident des AC Florenz, Diego Della Valle, forderte eine Senkung der Spielergehälter: Im Vergleich zu dem Einkommen der Fußballfans seien diese "peinlich".

Not macht erfinderisch, und so haben die Klubs nun die Medien als Geldquelle entdeckt. Die Vorteile, so heißt es in dem Zeitungsbericht, lägen auf der Hand: Die Erstligisten könnten ihre Kassen füllen und hätten gleichzeitig weniger Probleme, ihre Angestellten zu Interviews zu motivieren.

Besonders bei Inters Star-Trainer José Mourinho (ehemals Chelsea London) ist solch ein Lockstoff offenbar nötig: Der Portugiese hatte Anfang November ein Interview abgebrochen, weil es ein Reporter gewagt hatte, Mourinho mit dessen Vorgänger Roberto Mancini zu vergleichen. Er wolle in Zukunft nicht mehr im Beisein von Trainerkollegen befragt werden und nach den Spielen auch nicht ins Studio eingeladen werden, sagte Mourinho.

Bezahlung nach Brisanz?

Zuvor hatte das "Großmaul des Weltfußballs" (Bild.de) für Aufsehen gesorgt, als er während einer Pressekonferenz angab, Inter zahle ihm ein Jahresgehalt von neun Millionen Euro. Zusammen mit Einnahmen aus Werbung und Sponsoring seien es sogar elf bis 14 Millionen Euro.

Kommen nun noch die Honorare für TV-Interviews hinzu? Geht es nach den Klubchefs der Serie A, können die Vereine die Preise für Wortmeldungen frei bestimmen. Ob nach der Anzahl der Wörter abgerechnet wird oder doch eher nach der Brisanz der Aussagen, ist noch unklar.

Im letzteren Fall wäre Mourinho sicher ein teurer Gesprächspartner. Auch für Bonmots à la "Die Schweden sind keine Holländer" (Beckenbauer) wären die TV-Sender womöglich bereit, einen Obolus zu entrichten.

Pastor statt Profi

Ärger droht an anderer Stelle: Gibt es Mengenrabatt, wenn ein Spieler wie Lukas Podolski zum x-ten Mal betont, er würde gerne nach Köln wechseln? Müssten die Medien nicht eher Schmerzensgeld von den Klubs bekommen, wenn ein Trainer wie Friedhelm Funkel nach einer 0:5-Pleite zu Protokoll gibt, seine Mannschaft habe "heute nicht ins Spiel gefunden?"

Der Chef der italienischen Fußball-Liga, Antonio Matarrese, hält Geldforderungen für Interviews für unangebracht. Und auch andere Funktionäre basteln im Schatten des Pleitegeiers lieber an alternativen Finanzierungskonzepten - so hat sich die Stadt Mailand die Ausrichtung der Obdachlosen-WM 2009 gesichert.

Selbst Stars wie der Brasilianer Kaká (AC Mailand) machen sich Gedanken um ein Leben nach dem Fußball: Er wolle nach seinem Karriereende Pastor werden, erzählte der strenggläubige Weltfußballer der Gazzetta dello Sport. Ähnlich hatte sich zuvor auch Zé Roberto, Brasilianer in Diensten von Bayern München, geäußert.

Eine Steuer auf Pornographie, der Calcio im Sinkflug und Kaká als Pastor - der italienische Weg aus der Rezession scheint vorgezeichnet. Berlusconi wird seine Landsleute auf den Verzicht einschwören müssen - frei nach dem Motto: No Sex, no Ball, no Rock 'n' Roll.

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