Der 1. FC Köln steigt ab:Kölner Katastrophen-Szenario

Lukas Podolski nennt den Abstieg des 1. FC Köln ein "Gesamtwerk der letzten Monate", die Fans randalieren, Jupp Heynckes empfindet Mitleid. Dem Verein steht eine turbulente Zukunft bevor: Es gibt keinen Trainer, keinen Sportdirektor, keine Mannschaft - und kaum Geld.

Hendrik Buchheister, Köln

Als der fünfte Abstieg in der Geschichte des 1. FC Köln nicht mehr abzuwenden war, da wurde der Himmel schwarz wie in einem biblischen Katastrophen-Szenario. Die Menschen in der Fankurve des Stadions in Müngersdorf waren offenbar prächtig vorbereitet gewesen auf den Absturz ihres Vereins, sie hatten Rauchbomben und Schwarzpulver dabei.

1. FC Koeln - FC Bayern Muenchen

Abschied über die VIP-Tribüne: Lukas Podolski wird den 1. FC Köln verlassen.

(Foto: dapd)

So schufen sie eine bedrohliche Kulisse für die letzten Minuten des Spiels gegen den FC Bayern, das in einer 1:4 (0:1)-Niederlage endete, und das vorerst der letzte Auftritt für die Kölner in der oberen Spielklasse war, weil zeitgleich Hertha BSC gegen Hoffenheim gewann.

Kölns neuer Präsident Werner Spinner erklärte diesen 5. Mai 2012 umgehend zu einem "schwarzen Samstag für den 1. FC Köln", und er hatte damit gleich in mehrfacher Hinsicht die perfekte Überschrift geliefert für das Kölner Drama zum Ausklang der Saison, nicht nur wegen der Rauschschwaden, die vom Zuschauerblock ausgingen.

Erstaunlich wenig Widerstand hatten die Kölner dem FC Bayern geleistet. "Wir hätten auch ein, zwei Gänge hochschalten können", sagte Münchens Trainer Jupp Heynckes, aber das war gar nicht nötig. Thomas Müller traf nach etwas mehr als einer halben Stunde zum 1:0, und er muss sich gewundert haben, dass sich kein Kölner Verteidiger in fußläufiger Entfernung befand, um ihn am Torschuss zu hindern.

Das 2:0 entstand durch ein Eigentor des Kölner Kapitäns Pedro Geromel, und Trainer Frank Schaefer sprach hinterher davon, dass dieser Treffer das Unheil des FC in der Rückrunde passend illustrieren würde: "Wenn etwas symptomatisch für unsere Lage war, dann dieses zweite Tor. Das taucht in jedem Saisonrückblick auf." Arjen Robben und noch einmal Müller schossen die weiteren Tore für die Münchner, während für die Einheimischen zwischendurch Milivoje Novakovic traf.

Der Kölner Abstieg stimmte selbst Bayerns Trainer Jupp Heynckes melancholisch. "Der FC ist ein Traditionsverein, ich kann mich aktiv in die Situation der Kölner hineinversetzen", sprach er auf der ordnungsgemäß einberufenen Pressekonferenz nach dem Spiel, neben ihm saß Kölns Trainer Schaefer, und Heynckes sah in diesem Moment tatsächlich so aus, als wäre ihm selbst Schreckliches widerfahren.

Allerhand Vakanzen

Bei allem Mitgefühl kam er aber nicht umhin, die Gründe für das Kölner Scheitern in diesem Spiel und in der ganzen Saison zu besprechen. "Wenn Du gegen den FC Bayern spielst und weißt, wie es bei der Konkurrenz steht, dann werden die Beine irgendwann schwer", diagnostizierte Heynckes, "dann brauchst Du eine Mannschaft mit einer starken Moral, aber die hat dem FC heute gefehlt."

Es war schon außergewöhnlich, mit welcher Offenheit der Gästetrainer die Unzulänglichkeiten beim Gegner beschrieb, doch niemand aus dem Kölner Lager mochte Heynkes widersprechen. Zu offensichtlich waren an diesem Tag aber auch in der jüngeren Vergangenheit die Ausfälle der Kölner. Nur neun Punkte erbeuteten sie in der Rückrunde, und so stürzten sie am letzen Spieltag zum ersten Mal in der zweiten Saisonhälfte auf einen Tabellenplatz, der sie direkt in die zweite Liga transportiert.

Geschäftsführer Claus Horstmann leitete seinen Vortrag nach dem Spiel mit der Feststellung ein, dass der FC sein Saisonziel klar verfehlt habe, und gestand, dass der Verein sich "in der Rückrunde auf und teilweise auch neben dem Platz in jeder Form wie ein Absteiger" präsentiert habe. Von persönlichen Konsequenzen sah er aber ab, er will im Amt bleiben und sich "der Verantwortung stellen", die es bedeutet, den FC zurück in die erste Liga zu führen, wo der Verein nach eigenem Empfinden hingehört.

Erstmal sind jedoch allerhand Vakanzen zu besetzen. Trainer Schaefer möchte zwar in entscheidender Position mitwirken am Kölner Wiederaufbau, aber als Trainer steht er dem Verein in der neuen Saison nicht zu Verfügung. Außerdem sind die Kölner nach wie vor auf der Suche nach einem Sportdirektor. Neben der zu findenden Doppelspitze benötigt der 1. FC Köln laut Geschäftsführer Horstmann auch eine Mannschaft, "die neu zu komponieren" ist.

Ein Drittel des Umsatzes geht dem Verein in der zweiten Liga verloren, das aktuelle Fachpersonal ist so nicht zu halten. Trainer Schaefer sprach davon, dass es wichtig sei, "dass die Mannschaft ein neues Gesicht bekommt". Horstmann stimmte das Publikum direkt nach der Niederlage gegen den FC Bayern allerdings darauf ein, dass es so schnell nicht mit der Präsentation des neuen FC rechnen dürfe: "Es geht darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen, nicht die schnellsten."

Eine Entscheidung getroffen hat längst Lukas Podolski, er verabschiedete sich am Samstag aus Köln. So lange Podolski aktiv ist, möchte der Verein die Nummer 10 nicht mehr vergeben. Auch wenn ihn das Schicksal des FC nicht mehr zu berühren braucht angesichts seines Wechsels zum FC Arsenal, trat er am Samstag schwer bewegt aus der Umkleidekabine.

Er würdigte den Abstieg mit den meisten Gegentoren (75) und den meisten Niederlagen (20) als "Gesamtwerk der letzten Monate" und sprach davon, dass der FC es angesichts dieser Bilanz nicht verdient habe, in der ersten Liga zu bleiben. Um kurz vor halb sieben am Abend verließ Podolski das Kölner Stadion zum vorerst letzen Mal. Sein Abgang war einer von tausend finsteren Aspekten für den 1. FC Köln an diesem schwarzen Samstag.

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