Der Fall Hoyzer:Der größte Skandal seit 1971

Schiedsrichter Robert Hoyzer soll Spiele manipuliert haben - der DFB hofft, dass er einen Einzelfall darstellt.

Von Klaus Hoeltzenbein

Auf der Internetseite Hertha.BSC.de haben sie schnell reagiert. Schon am Samstagabend, kurz nachdem die bittere Botschaft um 17.53Uhr über die Nachrichtenagenturen öffentlich wurde, war unter der Rubrik "Schiedsrichter" der Name von Robert Hoyzer gelöscht. 1. Bundesliga: unbesetzt, 2. Bundesliga: unbesetzt, ist auf der Seite zu lesen, Hertha hat keinen Schiedsrichter mehr für die höheren Spielklassen. Robert Hoyzer ist auch nicht mehr Mitglied im Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Am Freitag hatte der 25-Jährige alle offiziellen Verbindungen zum Fußball gekappt, indem er bei Hertha BSC seinen Austritt erklärte. Hoyzer entzieht sich so der Sportgerichtsbarkeit des DFB, die einen Vorwurf prüft, wie er seit dem Bundesliga-Skandal Anfang der siebziger Jahre nicht mehr erhoben wurde: Hoyzer soll mehrere Spiele manipuliert haben. Nicht in der Bundesliga, in der er noch nicht als Spielleiter eingesetzt wurde, aber in der Zweiten Liga, der Regionalliga und im Pokal. Er soll die Partien in seinem Sinne beeinflusst haben, zu seinem geldwerten Vorteil, da der Berliner Wetten auf die Ergebnisse platziert habe.

Am Freitag war Hoyzer in die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes nach Frankfurt/Main befohlen worden. Die dortigen Gespräche hatten den Charakter eines Verhörs, geleitet von Horst Hilpert, dem Vorsitzenden des Kontrollausschusses. Hoyzer selbst hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Der Verdacht der Manipulation konzentriert sich zunächst auf jene Pokalpartie vom 21. August, die Bundesligist Hamburger SV in Paderborn nach 2:0-Führung noch 2:4 verlor. Erst am Mittwoch, fünf Monate nach der Partie, seien Zeugen beim DFB vorstellig geworden und hätten den Verdacht erhärtet. Harald Stenger, der DFB-Pressesprecher, nennt sie "seriöse Zeitgenossen", der DFB hat aber die Namen der Zeugen am Wochenende nicht genannt.

Möglicherweise wird dies an diesem Montag geschehen, an dem der DFB sein Präsidium zu einer außerordentlichen Sitzung in Frankfurt versammelt. Einiges deutet darauf hin, dass es sich dabei um junge Schiedsrichter-Kollegen von Hoyzer gehandelt haben dürfte. Vor diesen soll der Berliner geprahlt haben, mit seinen Verdiensten und damit, wie leicht es gewesen sei, die Resultate trotz des engmaschigen Überwachungssystems der DFB-Schiedsrichter in eine gewünschte Richtung zu beeinflussen.

Bis dahin soll beim DFB jene Sprachregelung gelten, die Stenger am Sonntag pflegte: Es handele sich um einen "absoluten Einzelfall", kein weiterer Schiedsrichter, Trainer, Spieler noch eine andere Person des Fußballs sei laut Ermittlungsstand involviert. Es lägen allerdings "Details und Verdachtsmomente vor", die auf Auffälligkeiten bei anderen Spielen hinweisen, die Hoyzer geleitet hat: "Wir werden zu dem ein oder anderen Spiel noch etwas sagen müssen", so Stenger, bislang seien nur "Eckdaten" öffentlich gemacht worden.

Folglich waren die ersten Stellungnahmen aus dem DFB-Präsidium auch mehr ein Flehen, ausgerufen in der Hoffung, dass Hoyzer wirklich ein Einzeltäter ist: Der Fall dürfe "nach jetzigem Kenntnisstand nicht zu einer pauschalen Kritik an den Schiedsrichtern führen", sagt Theo Zwanziger, der Geschäftsführende DFB-Präsident. Gerhard Mayer-Vorfelder, der zweite Präsident in der DFB-Doppelspitze, diagnostiziert aber bereits "einen großen Schaden": "Es ist allein aus psychologischer Sicht ein unglaublicher Schaden entstanden. Sowohl für den Deutschen Fußball-Bund als auch für das gesamte Schiedsrichterwesen."

Zivilrechtliche Konsequenzen möglich

Noch lässt es sich nur erahnen, welche Dimension die Affäre annehmen könnte, selbst wenn die Ermittlungen die Einzeltäter-Sehnsucht des DFB erfüllen sollte. Durch seinen Austritt aus dem DFB hat sich Hoyzer der Sportgerichtsbarkeit entzogen. Zuständig ist, sollte sich der Betrugsvorwurf erhärten, die Staatsanwaltschaft - zumal weitere Spuren zu Hintermännern im Berliner Milieu, Abteilung organisiertes Verbrechen, führen sollen.

Der Hamburger SV prüft bereits die zivilrechtlichen Möglichkeiten, um Hoyzer wegen des wirtschaftlichen Schadens des Pokal-Ausscheidens in Paderborn haftbar zu machen. Auch die Profis könnten sich um Prämien geprellt fühlen. Sportliche Folgen erscheinen aber zunächst unwahrscheinlich. Laut Interpretation des DFB sei eine nachträgliche Korrektur der unter Manipulationsverdacht stehenden Partien nicht möglich. Entsprechende Bestimmungen in den DFB-Statuten würden dies garantieren.

Schon heute aber ist klar, dass der Pokal-Wettbewerb 2004/05 den Makel der Manipulation ertragen muss. Nach dem Sieg über den HSV war Paderborn in Runde zwei gegen den MSV Duisburg (2:1) ins Achtelfinale eingezogen, dort aber am SC Freiburg (1:4 im Elfmeterschießen) gescheitert. Die Freiburger haben nun im Viertelfinale am 2. März den FC Bayern zu Gast. Bei der Festlegung eines Schadens für die Hamburger könnte diese Ergebniskette eine Bemessungsgrundlage sein.

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