Der deutsche EM-Kader:Wer wackelt? Wer hat noch Chancen?

Bundestrainer Joachim Löw stellt am Freitag seinen EM-Kader vor. Ein Großteil der Mannschaft steht bereits fest, doch vor allem in Mittelfeld und Angriff sind noch Positionen offen. Wen wollen Sie bei der EM im deutschen Team sehen? Stimmen Sie über die offenen Positionen im EM-Kader hier ab.

Thomas Hummel

Joachim Löw ist ohnehin eine eher unauffällige Erscheinung, dazu hatte er sich eine unauffällige braune Lederjacke übergestreift und eine dieser modernen, riesengroßen dunklen Sonnenbrillen auf die Nase gesetzt. Doch so unscheinbar sich Joachim Löw auch gab, natürlich wurde er gesichtet, als er da in Mönchengladbach auf der Tribüne saß. Und unvermeidlich musste der Borussen-Stürmer Oliver Neuville erklären, ob er sich denn nun höhere Chancen ausrechnet, als fünfter Angreifer mit zur EM fahren zu dürfen, weil eben dieser Joachim Löw da auf der Tribüne saß. Brav sagte Neuville: "Die EM wäre natürlich für mich der schönste Sommer-Urlaub."

Der deutsche EM-Kader: In Klausur: Bundestrainer Joachim Löw (r.) mit seinem Assistenten Hansi Flick.

In Klausur: Bundestrainer Joachim Löw (r.) mit seinem Assistenten Hansi Flick.

(Foto: Foto: dpa)

Bundestrainer Löw hat sich und seine Assistenten Flick (Ko-Trainer), Köpke (Torwart) und Siegenthaler (Taktik) noch auf eine Deutschland-Tour geschickt, um letzte Eindrücke zu sammeln, bevor er am Freitag auf der Zugspitze seinen Kader für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz bekannt gibt.

Dabei ist die Zahl der Wackelkandidaten im deutschen Kader überschaubar, wenngleich der Bundestrainer kürzlich sagte: "Es wird Enttäuschungen geben, es wird einigen wehtun." Nur wem? Das wird bis zum Auftritt auf Deutschlands höchstem Berg unter Verschluss bleiben, wo die selbst ausgerufene "EM-Bergtour 2008" beginnt.

Löw kann zunächst mehr als die am Ende 23 Kadermitglieder mit ins Trainingslager auf Mallorca mitnehmen, wo vom 19. Mai an zehn Tage lang die letzten Vorbereitungen laufen. Am 28. Mai muss dann der Turnierkader an die Uefa gemeldet werden. Ein Großteil der Gruppe soll bereits feststehen, angeführt von den Stammkräften Lehmann, Lahm, Ballack, Frings, Klose.

Doch wer wackelt? Wer hat noch Chancen? Die Lage auf den Positionen, Torwart, Abwehr, Mittelfeld, Angriff. Über die potenziell freien Plätze können die Leser von sueddeutsche.de abstimmen:

Torhüter:

Obwohl Jens Lehmann wie befürchtet in der Rückrunde beim FC Arsenal London kaum zum Einsatz kam und vor allem in den wichtigen Spielen immer dem Spanier Manuel Almunia weichen musste, ist er in der Nationalelf unbestritten die Nummer eins. Sowohl Löw als auch DFB-Manager Oliver Bierhoff bestätigten dies mehrfach.

Ebenso deutlich sind die Positionen zwei und drei besetzt: an Timo Hildebrand und Robert Enke. Eigentlich. Denn da war die durchwachsene Saison von Hildebrand in Valencia, und da waren die 28 Gegentore Enkes in der Rückrunde bei Hannover 96. Hildebrand soll sich sogar schon im DFB-Stab erkundigt haben, ob die Stimmung zu seinem Nachteil kippt. Denn dahinter wartet vor allem Rene Adler, von einigen Experten als der beste, vor allem konstanteste Torhüter der Saison geadelt und wegen seines jungen Alters (23 Jahre) eigentlich die ideale Besetzung auf der Lernposition als Nummer drei.

Seite 2: Die Abwehr

Wer wackelt? Wer hat noch Chancen?

Abwehr:

Der deutsche EM-Kader: Endlich wieder im Einsatz: Christoph Metzelder (l.), am Sonntag gegen Saragossas Milito.

Endlich wieder im Einsatz: Christoph Metzelder (l.), am Sonntag gegen Saragossas Milito.

(Foto: Foto:)

Bernd Schuster ist nicht unbedingt bekannt als Freund der deutschen Nationalmannschaft. Doch jetzt hat er dem Bundestrainer einen unerwarteten Dienst erwiesen: Der Trainer von Real Madrid ließ am vergangenen Wochenende Christoph Metzelder spielen, 90 Minuten lang. "Danach tat ihm alles weh, aber er hat sich gut gehalten", resümierte Schuster.

Damit scheint sich eine Luftplanung im DFB-Kader rechtzeitig mit Leben zu füllen. Ein gesunder Christoph Metzelder ist mit Per Mertesacker (Bremen) für die Innenverteidigung gesetzt, gleichwertiger Ersatz nicht in Sicht. Der Leverkusener Manuel Friedrich durfte zwar einige Male Metzelder ersetzen, doch inzwischen gilt er als Streichkandidat. Größere Chancen dürfte sich Heiko Westermann vom FC Schalke 04 ausrechnen, den Löw nach dem Testspiel in der Schweiz lobend erwähnte ("Seine Vorstellung in der Innenverteidigung war sehr ansprechend").

Ebenso eine Option in Löws Gedanken ist Robert Huth. Der 24-jährige Hüne vom FC Middlesborough hat zwar sein letztes Länderspiel während der WM-Vorrunde gegen Ecuador bestritten, doch hat ihm Löw zuletzt mit der Nominierung für das Schweiz-Spiel ein Signal für eine mögliche Rückkehr gegeben - auch wenn Huth dann verletzt absagen musste.

Auf den Außenpositionen sind Philipp Lahm, Marcell Jansen (beide Bayern) und Arne Friedrich (Hertha BSC) gesetzt, auch Westermann kann am Rand verteidigen. Der talentierte Gonzalo Castro (Leverkusen) wird den Sprung wohl noch nicht schaffen, dem Schalker Christian Pander, einer der besten Standardschützen der Liga, dürfte eine lange Verletzung zum Verhängnis werden.

Unbestritten ist dafür der Bremer Clemens Fritz, der aber auch die Stelle von Bernd Schneider im rechten Mittelfeld übernehmen könnte.

Seite 3: Das Mittelfeld

Wer wackelt? Wer hat noch Chancen?

Der deutsche EM-Kader: Lob vom Bundestrainer: Tim Borowski hat wieder gute Aussichten auf die EM.

Lob vom Bundestrainer: Tim Borowski hat wieder gute Aussichten auf die EM.

(Foto: Foto: dpa)

Mittelfeld:

Das Stamm-Mittelfeld der WM 2006 ist nach der Verletzung von Bernd Schneider nur noch zu drei Viertel dabei. Der Ausfall des Leverkuseners ("der weiße Brasilianer") schmerzt. Auf der anderen Seite ist Löw froh, dass der Rest der Sommermärchen-Zentrale parat steht. Michael Ballack hat sich zur Führungsfigur beim FC Chelsea entwickelt, Torsten Frings hat seine schweren Knieverletzungen offenbar überwunden, Bastian Schweinsteiger gehörte beim FC Bayern meist zur Stammelf. Noch im Winter waren diese Personalien völlig unklar.

Hinter diesen drei scheinen der Stuttgarter Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes aus Leverkusen sicher auf der Liste zu stehen. Aus der Abwehr ist Clemens Fritz ein Kandidat für das rechte Mittelfeld, dazu spielt Lukas Podolski unter Löw häufiger linkes Mittelfeld statt Stürmer.

Bleiben nach dieser Rechnung zwei offene Positionen, für die sich einige Anwärter interessieren. Zuletzt äußerte sich Löw positiv über die Entwicklung des Bremers Tim Borowski, dagegen haben sich die Chancen von Piotr Trochowski (Hamburg) und Roberto Hilbert (Stuttgart) wegen mäßiger Vorstellungen in den Klubs verschlechtert. Einige fordern den dynamischen Schalker Jermaine Jones als Ersatz für Frings mitzunehmen, ob sich der von Löw hoch geschätzte Sebastian Kehl nach zwei schlechten Jahren in Dortmund Hoffnungen machen kann, bleibt abzuwarten.

Dazu meldete sich zuletzt die schnellste Maus Sevillas: "An der Stelle von Jogi Löw würde ich sagen: 'Der Odonkor muss mit'", sagte David Odonkor nach einer bessere Phase beim spanischen Erstligisten Betis Sevilla.

Für Jones (Löw: "Er hat seine eigene Art zu spielen, ist sehr einsatzstark") und Odonkor spricht die Forderung in Löws Katalog nach Spezialfähigkeiten. Womit gerade der Stand von Simon Rolfes ein wenig ins Wanken kommt.

Seite 4: Der Angriff

Wer wackelt? Wer hat noch Chancen?

Der deutsche EM-Kader: Einer der besten Stürmer Europas? Bei der EM ist Mario Gomez jedenfalls dabei.

Einer der besten Stürmer Europas? Bei der EM ist Mario Gomez jedenfalls dabei.

(Foto: Foto: dpa)

Angriff:

Rudi Völler stellte vor vier Jahren bei der EM in Portugal meist nur einen Stürmer auf, weil die Angriffslinie in seinem Kader an Ungefährlichkeit kaum zu überbieten war. Vor diesem Turnier jedoch wecken die deutschen Angreifer große Hoffnungen. Mario Gomez hat in Stuttgart eine phänomenale Entwicklung genommen und gehört für viele schon zu den besten Stürmern Europas. Miroslav Kloses (Bayern) Leistungen versprechen Besserung, wenn er nicht mehr weiträumig um Luca Tonis Strafraum herumlaufen muss. Dazu zeigte Teamkollege Lukas Podolski ansteigende Form und wieder erhöhtes Selbstvertrauen.

Mit dem Schalker Kevin Kuranyi bietet sich der vierte Angreifer, der in optimaler Verfassung ein Spiel entscheiden kann. Der 26-Jährige muss diesmal nicht befürchten, wie vor der WM im letzten Moment überraschend aus dem Kader zu fliegen. Dazu waren seine Leistungen in Verein und Nationalmannschaft zu konstant gut.

Bleibt die Frage nach dem angekündigten fünften Stürmer. Die Zeichen verdichten sich, dass diese Stelle vom einzigen Zweiliga-Spieler eingenommen wird: Entweder vom Routinier Oliver Neuville (35; Mönchengladbach) oder vom 24-jährigen Kölner Patrick Helmes.

Ob die beiden noch von Mike Hanke (Hannover), Stefan Kießling (Leverkusen) oder vom Schalker Gerald Asamoah ("Da muss ich ehrlich sein: Ich war lange nicht dabei, deswegen darf ich nicht träumen.") überholt werden, ist kaum zu erwarten.

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