·:Der Deutsche - ein Schönwetterfan

Tennis, Skispringen, Formel 1: Kaum sind deutsche Athleten nicht mehr Weltklasse, wendet sich das Volk von der gesamten Sportart ab.

Jürgen Schmieder

Nick Hornby hat in seinem Buch "Fever Pitch" den Sportfan beschrieben: lebenslange Liebe zum Sport, zum Verein, zur Nationalelf. Er fiebert mit, feuert an, vor allem aber: er leidet. Nur so kann man zum Fan werden. Der Rest, das sind Schönwetter-Menschen, die sich einem Hype anschließen.

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Nun kann man natürlich sagen: Klar, Nick Hornby, der ist Brite. Was soll der bei den Leistungen der Fußball-Nationalelf anderes tun, als leiden und den Jungs mit den drei Löwen auf der Brust ständig zur Seite stehen?

Dennoch hat Hornby Recht: 2006 war ein grandioses Jahr für deutsche Sportbegeisterte. Olympische Spiele, Fußball-WM, Schumis letzte Formel-1-Saison, Hockey-WM. Ganz prima dabei: Die deutschen Sportler waren immer vorne dabei. Es gab das Sommermärchen, das Herbstmärchen, und man darf sicher sein, dass sämtliche Sportjournalisten auch den Begriff Wintermärchen auf die Olympischen Spiele in Turin angewendet hätten, wären sie nach der Fußball-WM gewesen. Deutschland einig Märchenland.

Der Begriff hätte auch jetzt noch was getaugt. Bei der Vierschanzen-Tournee etwa. Hätte es einer der deutschen Springer aufs Treppchen geschafft - es wäre nicht nur ein Wintermärchen gewesen, sondern gar ein Winterwunder.

Der Deutsche - ein Schönwetterfan

Aber, und das haben die Medienanalysten treffend formuliert: Der Hype ist vorbei. Seit Hannawalds Burn-Out-Syndrom, Schmidts Dauerkrise und Uhrmanns Roque-Santa-Cruz-Phlegma geht einfach nichts mehr. Und der Fan wendet sich nicht nur von den deutschen Athleten ab, sondern von der gesamten Sportart. Nur knapp fünf Millionen wollten noch zusehen: halb so viele wie 2003, als Hannawald die Tournee gewann.

Der Niedergang des Skispringens ist ein Phänomen, das in der deutschen Sportkultur ständig zu beobachten ist: Gehört ein Landsmann oder die Nationalmannschaft zur Weltspitze, entsteht ein Hype. In den 80ern war es Tennis, als Boris Becker und Steffi Graf begeisternde Spiele zeigten. In den 90ern war es kurz Basketball, als die deutsche Nationalmannschaft Europameister wurde und Detlef Schrempf im Finale der NBA stand. Und dann kam die Formel 1 mit Michael Schumacher.

Handball-WM als Gelegenheit

Ganz ehrlich: Kann tatsächlich jemand sagen, gegen wen Roger Federer im Finale der US Open spielte? Oder wer die Basketball-Bundesliga anführt? Und werden tatsächlich noch so viele Fans wie bisher am Sonntagnachmittag Formel 1 gucken, jetzt, da Schumacher nicht mehr da ist?

Man muss es drastisch formulieren: Der Deutsche ist ein Schönwetterfan! Bei Erfolg begeistert, bei Misserfolg ignorant. Und dabei lästert man so gerne über die Amerikaner und deren Umgang mit Fußball: Nur weil ihre Nationalelf nicht zur Weltspitze gehört und die MLS eine fußballerische Farce ist, interessiert man sich nicht für diesen Sport. Dabei ist der deutsche Fan dem amerikanischen sehr ähnlich.

In 13 Tagen beginnt die Handball-WM. In Deutschland. Die Mannschaft von Heiner Brand gehört - das muss man so deutlich sagen - nicht zu den Top-Favoriten, das Überstehen der Zwischenrunde wäre ein Erfolg.

Bei diesem Turnier können die deutschen Sportbegeisterten mit vollen Hallen und toller Stimmung beweisen, dass der Sommer 2006 kein Ausrutscher war, der dem Erfolg der Fußballer geschuldet war. Sondern dass es hier genügend Fans gibt, die diese Bezeichnung im Sinne von Nick Hornby verdienen.

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