Denver Broncos gegen Kansas City Chiefs:Punkte-Produzenten gegen grimmige Reißer

NFL: Denver Broncos at San Diego Chargers

Peyton Manning von den Denver Broncos beim Spiel in San Diego - am Ende humpelte er in die Kabine.

(Foto: USA Today Sports)

Die derzeit erfolgreichsten NFL-Teams treffen am Sonntag aufeinander: die Denver Broncos und die Kansas City Chiefs. Unterschiedlicher könnte die beiden Mannschaften kaum spielen - und es könnten die Weichen für das NFL-Finale gestellt werden.

Von Jürgen Schmieder, San Diego

Chris Clark konnte sich nicht freuen. Seine Teamkollegen von den Denver Broncos hüpften nach dem Sieg bei den San Diego Chargers in der Umkleidekabine herum, sie klatschten sich gegenseitig ab und gaben grinsend Interviews. Clark aber saß in der Ecke und sagte: "So etwas darf einfach nicht passieren. Es ist grausam, so etwas zu sehen - ich will das nicht mehr erleben." Clark ist Offensive Lineman, er ist für den Schutz von Spielmacher Peyton Manning vor heranstürmenden Verteidigern verantwortlich. Gegen Ende des Spiels war ihm das nicht gelungen, weshalb Manning nun mit geschwollenem Knöchel durch die Kabine humpelte.

Alles nicht so schlimm, erklärten die Broncos ein paar Tage später, eine alte Verletzung im unteren Körperbereich sei wieder aufgebrochen. Manning werde ein paar Trainingseinheiten verpassen, könne aber am Sonntag auflaufen. "Ich würde natürlich gerne trainieren, aber ich muss jetzt erst mal gesund werden", sagte Manning. Sie wollen keine schlechten Nachrichten verbreiten in Denver vor diesem immens wichtigen Spiel. Die Broncos (Bilanz: 8:1) empfangen am Sonntag die Kansas City Chiefs, in neun Partien als einziger NFL-Klub noch unbesiegt.

Es spielen also zwei der drei erfolgreichsten Mannschaften der Liga gegeneinander, und weil sie in der gleichen Division angesiedelt sind, könnte diese Partie weitreichende Konsequenzen für den weiteren Saisonverlauf haben. "Es geht um den Divisionstitel und damit um die Setzliste in den Playoffs", sagte Broncos-Receiver Wes Welker.

Die Regeln besagen, dass der Zweitplatzierte einer Division bestenfalls an Platz fünf gesetzt wird, auch wenn er womöglich die zweitbeste Bilanz der gesamten Liga vorweist. Er bekommt kein Freilos in der ersten Playoff-Runde, sondern muss am Wild-Card-Wochenende auswärts antreten, bei einem Sieg würde noch eine Partie im fremden Stadion folgen. "Die Chiefs dürfen nach diesem Wochenende keinesfalls unbesiegt sein", sagt Welker. Denn danach gibt es nur noch sechs Spieltage.

Es geht also schon um die Titelchancen bei diesem Duell zweier Mannschaften, die auf komplett unterschiedliche Weise erfolgreich sind. Die Broncos sind spektakuläre Punkte-Produzenten, die in dieser Saison zahlreiche Offensivrekorde - darunter meiste Punkte, meiste Touchdowns - brechen könnten. Manning kann mit den herausragenden Passempfängern Welker, Eric Decker, Demaryius Thomas und Julius Thomas in wenigen Spielzügen in die Endzone gelangen.

Ehering für zwei Tickets

Am vergangenen Wochenende etwa hatten die Broncos im ersten Spielabschnitt gerade einmal 57 Sekunden den Ball und führten nach 15 Minuten dennoch mit 7:3. Nur: Manning ist 38 Jahre alt, er gehört nicht gerade zu den Beweglichsten seiner Zunft. Er braucht eine Offensive Line, die ihn schützt und Zeit zur Entwicklung von Spielzügen verschafft. Die jedoch wirkte aufgrund einiger Verletzungen in den vergangenen Partien porös, was dazu führte, dass Manning immer wieder von den Gegnern zu Boden gerissen wurde und seit drei Wochen mit einem lädierten rechten Knöchel auflaufen muss. Es ist eine Verletzung, die ihn doch mehr behindert als er zuzugeben bereit ist.

Ein kniffliger Abend könnte es werden für ihn, besteht die Defensive der Chiefs doch aus grimmigen Zu-Boden-Reißern, die gegnerische Quarterbacks bereits 36 Mal zu Fall brachten - auch wenn es dafür Raumverlust gibt. Es sind Punkte-Verhinderer, die ihre Endzone zu einer Art Fort Knox erklären und bislang nur elf Touchdowns hinnehmen mussten und pro Partie gerade einmal 12,3 Punkte zuließen. Zudem konnten die Verteidiger durch abgefangene Pässe und aus der Hand geschlagene Bälle bereits sechs Touchdowns erzielen und damit selbst für Punkte sorgen.

Überhaupt ist die Entwicklung von Kansas City erstaunlich: Die 2:14-Bilanz in der vergangenen Saison war die schlechteste der Liga, in der Sommerpause verpflichtete der Klub mit Andy Reid einen neuen Trainer. Dazu holten sie Spielmacher Alex Smith, der trotz herausragender Statistiken in San Francisco beim Endspiel nur Zuschauer war. Smith glänzt nur selten, er macht indes noch seltener Fehler. "Um Punkte zu erzielen, musst du erst einmal das Spielgerät kontrollieren und darfst es nicht dem Gegner überlassen", sagt er, "es gibt so viele Mannschaften, die Bälle einfach herschenken und sich selbst in knifflige Situationen manövrieren."

Er ist ein ruhiger Verwalter, der dafür sorgt, dass die gegnerische Offensive nur selten aufs Feld kommt - und passt damit exakt in das Konzept von Reid, Partien möglichst punktarm zu gestalten. "Mich interessieren keine Statistiken, mich interessiert das Ergebnis", sagt Smith, "das bedeutet aber nicht, dass wir nicht produktiver sein können. Wir versuchen schon, so viele Punkte wie möglich zu machen."

Es treffen also die Punkte-Produzenten auf die Punkte-Verhinderer. Wie bedeutend die Partie ist, zeigt ein Angebot auf dem Webportal Craigslist: Eine Frau bot dort im Tausch gegen zwei Tickets ihren Ehering an. So weit würde Chris Clark freilich nicht gehen, obwohl - so jammervoll, wie er am Sonntag in seiner Ecke hockte, wäre er vielleicht sogar bereit, seinen Ehering dafür zu tauschen, dass sein Spielmacher nicht wieder umgerissen wird.

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