Dele Alli bei Tottenham:Wie Thomas Müller - nur robuster

Tottenham's Dele Alli celebrates scoring their second goal

Der 20-jährige Dele Alli von den Tottenham Hotspur machte sich gegen Spitzenreiter Chelsea mit zwei Toren zum wichtigsten Spieler.

(Foto: REUTERS)

Die Serie des FC Chelsea ist gerissen - dank Tottenhams Dele Alli. Der 20-Jährige ist ein ganz neuer Spielertyp, mag aber seinen Nachnamen nicht mehr.

Von Tim Brack

Es war ein Kraftakt, Dele Alli zu befreien. Doch die Ordner in den orange leuchtenden Jacken zerrten, zogen und lösten schließlich die Arme der Fans, die Tottenhams Torschützen umschlossen hatten. Die Anhänglichkeit der Zuschauer in der untersten Reihe der White Hart Lane hing nicht nur mit den beiden Kopfballtoren des 20-Jährigen gegen den Spitzenreiter FC Chelsea zusammen - sondern auch mit den Fähigkeiten des Mittelfeldspielers, die schon längst Vergleiche mit englischen Legenden wie Steven Gerrard oder Frank Lampard provozieren.

Sieben Tore erzielte Dele in den vergangenen vier Spielen - verhinderte beim 2:0-Derbysieg den Startrekord des FC Chelsea fast im Alleingang. Sein Trainer bei Tottenham Hotspur, Mauricio Pochettino, schwärmte: "Er ist der wichtigste Spieler, den der englische Fußball in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat."

Dele sticht aus dem tristen Einheitsbrei der englischen Mittefeldspieler hervor. Und weil sich die Fans in England in der jüngeren Vergangenheit vor allem an die herausragenden Leistungen von Lampard und Gerrard erinnern, kommt schnell der Reflex auf, den jungen Tottenham-Akteur mit den beiden ehemaligen Nationalspielern zu vergleichen. Dabei pflegt der 1,88 Meter große und dabei überraschend flinke Dele einen ganz anderen Stil.

Er will nur noch Dele genannt werden

Lampard war ein passsicherer Spielgestalter mit einem Hang zum Toreschießen; Gerrard ein Freigeist, der sich überall auf dem Feld herumtrieb, solang ihm Xabi Alonso oder Javier Mascherano den Rücken freihielten. Tottenhams Youngster ist dagegen ein Raumsucher, bei seinen beiden Toren gegen Chelsea tauchte er neben Stürmer Harry Kane tief im Strafraum auf. Ein bisschen wie Thomas Müller, nur dass Dele robuster und entschlossener daher kommt. "Er ist ein Spieler mit viel Aggressivität im Angriff, skrupellos und entschlossen, wenn er nach vorne geht", sagt sein Trainer, "das macht ihn besonders gefährlich."

So entschlossen wie der 20-Jährige auf dem Feld vorgeht, präsentiert er sich auch im Hinblick auf seine Familiengeschichte. Seit dieser Saison will er nur noch Dele genannt werden, trägt den Namen seines nigerianischen Vaters nicht mehr auf dem Trikot. "Ich fühle keine Verbundenheit zu Alli, dem Namen meines Vaters", sagt der englische Nationalspieler. Sein Vater ist ein Teil der schweren Kindheit. Er verließ die Familie früh, seine englische Mutter hatte Alkoholprobleme. Mit 13 Jahren gab sie ihren Sohn weg. "Es brach mir das Herz, aber es war die richtige Entscheidung", sagte sie der Boulevardzeitung Sun: "Nur so konnte ich ihn von Jugendgangs fernhalten, damit er seinen Traum verwirklichen kann, Fußballprofi zu werden."

Kein Kinderheim, dafür erste englische Liga

Dele hatte Glück, er musste nicht ins Heim. Stattdessen blieb er in seinem Geburtsort Milton Keynes nordwestlich von London, wo ihn die Familie seines Schulfreunds Harry Hickford aufnahm. Als Dank wohnt Harry heute mit in der Villa des Fußballprofis. Als Deles Mutter ihn weggab, spielte er bereits zwei Jahre Fußball bei seinem Heimatverein MK Dons. Dort entwickelte er sich zu einem vielseitigen Mittelfeldspieler. 2015 kauften ihn die Spurs, die im Norden der Hauptstadt zu Hause sind, für sechs Millionen Euro, verliehen ihn aber für eine halbes Jahr zurück an Milton Keynes, in die dritte Liga. Dort verhalf Dele zum Aufstieg, danach ging es für das englische Talent schnell hoch hinaus: In der ersten Saison für Tottenham schlug er direkt ein - zehn Tore und neun Vorlagen gelangen ihm in der Premier League.

Sein Trainer Pochettino verstand schnell, was er an dem 20-Jährigen hat. "Er versteht das Spiel und ist ein Meister darin, Räume zu attackieren. Er hat eine starke Mentalität und Vertrauen in sich selbst", sagt der Tottenham-Coach heute. Um die Fähigkeiten seines Spielers hervorzubringen, baute er ein Gerüst: Im System des Argentiniers geht der Mittelfeldspieler eine Symbiose mit Stürmer Harry Kane ein. Der Angreifer verschafft Dele Platz, indem er die Innenverteidiger im Strafraum beschäftigt. Von Tottenhams Taktgeber Christian Eriksen wird der Raumsucher mit Pässen gefüttert.

In dieser Saison hat Dele zudem seine Torgefahr weiterentwickelt - zehn Treffer gelangen ihm in den ersten 19 Spielen. Seine Mitspieler setzt er nicht mehr so oft ein, aber darüber sehen auch die Tottenham-Fans gerne hinweg, wenn er so trifft wie gegen den West-Londoner Rivalen Chelsea.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: