DEL:Meister mit Auftrag

EHC München - Kölner Haie

Jubel über einen spektakulären Sieg: Münchens Eishockeyspieler haben die Finalserie in den Playoffs erreicht.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Das Versprechen, mit dem das Münchner Eishockey vor drei Jahren neu begann, soll vom EHC nun in der diesjährigen Finalserie eingelöst werden.

Von Sebastian Fischer

Der Eishockeytrainer Don Jackson hat viel erlebt. Er hat hinter dem großen Wayne Gretzky verteidigt. Er hat in der nordamerikanischen Profiliga NHL zweimal den Stanley Cup gewonnen, die wichtigste Trophäe im Eishockey. Er hat als Trainer in Berlin fünfmal die deutsche Meisterschaft gewonnen. Und doch hat der Amerikaner über ein paar Szenen eines Eishockeyspiels in München am Freitagabend gesagt, sie hätten ihn schockiert. Zwar erklärte der Trainer des EHC München dies in der Tonlage eines gemütlichen Brummbären. Aber es war auch für Jackson, 59, ein besonderer Abend.

23 Sekunden waren noch auf der Uhr im fünften Spiel der Playoff-Halbfinalserie zwischen den Münchnern und den Kölner Haien, die ein wildes Eishockey-Spiel gerade zum 4:4 ausgeglichen hatten, als es in der kleinen Münchner Olympiahalle so laut wurde wie lange nicht mehr. 4:4, das hätte eine Verlängerung und womöglich ein sechstes Spiel in der Serie bedeutet. Doch dann übertölpelte der EHC die Haie, Frank Mauer traf zum 5:4. Eishockeyspieler, die ja sonst wirken wie gefühlskalte Kühlschränke, sprangen auf dem Eis und an der Bande umher wie kleine Kinder bei der Freibad-Eröffnung. Und Jackson blickte zu seinem Assistenten: "Schockiert."

Dieses 5:4 bedeutet ja nicht nur, dass der EHC München erstmals im Finale um die deutsche Meisterschaft steht - entweder gegen Nürnberg oder Wolfsburg, diese Serie ging am Sonntag ins sechste Spiel. Das 5:4 bedeutet auch, dass in München gerade mit hoher Wahrscheinlichkeit das Versprechen eines mächtigen Brausekonzerns eingelöst wird. Ein Versprechen, für das seit zwei Jahren Jackson verantwortlich ist.

Seit sechs Jahren gibt es in München wieder Erstliga-Eishockey, vor vier Jahren stieg Red Bull als Haupt- und Namenssponsor beim EHC ein, seit drei Jahren macht der Konzern richtig ernst, als Inhaber des Klubs. Das erste Jahr endete enttäuschend in den Pre-Playoffs. Dann kam Jackson, doch trotzdem war 2015 nach vier Niederlagen gegen Wolfsburg im Viertelfinale Schluss. Und in diesem Jahr: Hauptrundensieger, Finaleinzug. Siegtorschütze Mauer stand mit einer Bierflasche in den Katakomben und sagte: "Das war ein wichtiger Schritt für das Eishockey in München."

Frank Mauer fühlt sich an die Mannheimer Meistermannschaft erinnert

Eishockey in München: Der Zuschauerschnitt war in der Hauptrunde der drittschlechteste der Liga, nur zwei als Event vermarktete Spiele in der großen Olympiahalle vor knapp 10 000 Zuschauern deuteten im Winter das Potenzial an. Auch die Mannschaft, im Sommer mit einem Etat von geschätzten 12,5 Millionen Euro generalüberholt und damit die teuerste der Liga, zeigte in der Vergangenheit nicht immer alles, was sie kann. Doch Geschichten von angedeutetem Potenzial sind keine, die dem Sponsor gefallen. "Wir wissen, dass wir das Werkzeug haben, um unseren Job zu erledigen", sagte Jackson am Freitag. Der Job: Meister zu werden.

Das Werkzeug sind etwa die Fähigkeiten von Nationalspieler Mauer, 27, der im Sommer von Meister Mannheim kam. Am Freitag spielte er überragend, schoss neben dem entscheidenden noch ein weiteres Tor und bereitete eines gar noch schöner vor, als er die Scheibe auf der Rückhand um einen Kölner Verteidiger herumwickelte, lange wartete und dann im richtigen Moment auf den ebenfalls starken Dominik Kahun querlegte. Der Deutsch-Kanadier Steve Pinizzotto, der in den Playoffs nicht nur durch Tore, sondern auch durch Prügeleien auffiel, mit denen er seine Kollegen emotional anstachelte, ist noch so ein Erfolgsfaktor. Genau wie der frühere NHL-Goalie und inzwischen unangefochtene Stammtorhüter David Leggio.

Und natürlich Trainer Jackson, der die Équipe in den vergangenen Monaten zu einem echten Spitzenteam geformt hat. Das Münchner Unterzahlspiel ist das beste der Liga und oft schier unüberwindbar. Die Defensive ist Münchens Trumpf. Nun, in den Playoffs, scheint auch die Offensive heißzulaufen: In fünf Spielen gegen die Haie schoss der EHC viermal fünf Tore, das Überzahlspiel wird effektiver, gegen Köln gelangen am Freitag zwei Powerplay-Tore, zum 1:0 und 3:1. Frank Mauer sagte am Freitag, was er zuletzt oft gesagt hat: Vieles in München erinnere ihn an die Vorsaison in Mannheim, die mit dem Titel endete.

Mauer lobte natürlich auch den Teamgeist, wie es Sportler in solchen Momenten immer tun. Doch er wusste wohl selbst, dass die Münchner Erfolgsgeschichte wenig mit Teamgeist zu tun hat. Den demonstrierten exemplarisch die Kölner, die sich - gezeichnet von drei Pre-Playoff-Spielen gegen Mannheim und einer sieben Spiele langen Serie gegen den Hauptrunden-Zweiten Berlin - nicht aufgaben, obwohl ihre physische und spielerische Unterlegenheit offensichtlich war.

Die letzte Partie der Halbfinal-Serie war ein besonderes Eishockeyspiel, doch die Geschichte war bei aller Euphorie in der Halle keine romantische: Die teuerste Mannschaft mit dem besten Trainer spielt das schönste und beste Eishockey. Die Botschaften passen in München jetzt zur Marke. Als EHC-Stürmer Mads Christensen in der Nacht über das Finale sprach, prangte das Logo von Ausrüster "Warrior" auf seinem Pullover. Dann sagte er: "Jedes Team will den Pokal holen. Es wird ein Krieg."

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