DEL-Klub Ingolstadt:Kein Eisschlecken

Der neue Trainer Greg Thomson hat einen weiten Weg vor sich: Ingolstadt steckt trotz Sieg noch in der Krise.

Michael Neudecker

Am Morgen danach musste sich Sven Zywitza erst einmal ausruhen. Er war erst in der Nacht zum Mittwoch aus Hamburg zurückgekehrt, es war ein anstrengendes Spiel nach anstrengenden Tagen. Ingolstadt gewann 2:1, es war der erste Sieg nach zuletzt drei Niederlagen in Serie. "Man spürt schon Erleichterung", sagt Zywitza, der Geschäftsführer des DEL-Klubs ERC Ingolstadt, als er um kurz nach Mittag wieder wach ist. Erst am vergangenen Wochenende hatte der Klub seinen Trainer Benoit Laporte entlassen und dessen Assistenten Greg Thomson zum neuen Cheftrainer gemacht. "Er hat die Mannschaft nicht mehr erreicht", sagt Zywitza, "man hat keine Entwicklung mehr gesehen." Vor dem Spiel in Hamburg war Ingolstadt Vorletzter.

DEL-Klub Ingolstadt: Überlebenskampf: Am Freitag spielt der ERC Ingolstadt gegen die insolventen Ice Tigers in Nürnberg.

Überlebenskampf: Am Freitag spielt der ERC Ingolstadt gegen die insolventen Ice Tigers in Nürnberg.

(Foto: Foto: Getty)

Dabei waren sie doch mit so viel Hoffnung in die neue Saison gestartet, hatten den höchsten Etat der Vereinsgeschichte vermeldet: 6,2 Millionen Euro, damit liegt Ingolstadt in der Liga auf Rang fünf. Sie hatten Benoit Laporte verpflichtet, der einst die Nürnberg Ice Tigers ins Playoff-Finale geführt hatte, und von dem sie nun so viel erwarteten in Ingolstadt. Doch dann begann die Saison, Ingolstadt verlor von den ersten acht Spielen sieben. Der Zuschauerschnitt sank, mit derzeit 3000 liegt er um rund 700 niedriger als kalkuliert. Vergangenen Freitag empfing Ingolstadt die ebenfalls gebeutelten Kölner Haie (die mittlerweile ihren Trainer, Clayton Beddoes, entlassen und durch den ehemaligen Torwarttrainer Rupert Meister ersetzt haben), ein "Sechs-Punkte-Spiel" sei das, hatten sie gesagt. Ingolstadt verlor 1:5, die Fans blockierten die Kabine, rund 30 Fans protestierten vor dem Vip-Raum. Die Polizei rückte mit zwei Einsatzwagen an, und am Tag darauf war Laporte entlassen.

"Das wird ein Marathon"

Nun also soll Greg Thomson Ingolstadt doch noch auf Rang zehn und die damit verbundenen Pre-Playoffs führen, die "immer noch das Saisonziel sind", wie Zywitza sagt. Der Sieg in Hamburg am Dienstagabend war schon mal ein erster Schritt, aber das ist nicht genug - der Abstand beträgt noch immer sieben Punkte. "Das wird ein Marathon", sagt Zywitza. Er geht diesen Freitag weiter: mit der Partie bei den insolventen Nürnberg Ice Tigers, die trotz inzwischen positiver Signale noch ums Überleben kämpfen. Die schlechten Ergebnisse jedoch sind nur die eine Sache in Ingolstadt.

Die andere Sache ist die mit den "Unstimmigkeiten", wie man im Sport immer so toll formuliert, wenn ein paar Dinge schiefgehen. Zum Beispiel Jimmy Waite: Der Torwart des ERC, seit Jahren Publikumsliebling, ja: Ikone in Ingolstadt, musste vor ein paar Wochen aus der Zeitung erfahren, dass der Verein nicht mehr mit ihm plant. Noch an jenem Sonntag davor, so ist zu hören, soll Sportdirektor Tobias Abstreiter mit Waite und dessen Vertreter Sebastian Vogl gesprochen und ihnen versichert haben, es sei nichts dran an den Gerüchten, der Klub würde einen neuen Torwart verpflichten.

Am Montag danach war zu lesen, dass Ingolstadt sich mit Nationaltorwart Dimitri Pätzold (derzeit Hannover) über einen Zwei-Jahres-Vertrag ab kommender Saison geeinigt habe. Der als aufbrausend bekannte Waite, auch das war zu hören, soll durchaus verärgert gewesen sein. Sportdirektor Abstreiter, der bis Saisonende zudem als Assistenztrainer fungiert, ist ohnehin nicht ganz unumstritten. Der ehemalige Profi ist vorerst bis Saisonende beim ERC tätig. Ursprünglich war Ingolstadts Kapitän Glenn Goodall im Gespräch für den Posten, Zywitza aber hofft, der 38-jährige Goodall "hilft uns kommende Saison noch mal auf dem Eis". Auch der Name Otto Sykora wird in Ingolstadt hinter vorgehaltener Hand geflüstert: Laporte hatte noch kurz vor seiner Entlassung versucht, den Nürnberger Manager nach Ingolstadt zu holen. "Wir warten jetzt mal bis Saisonende ab, dann schauen wir, was passiert", sagt Zywitza nur.

Familie statt Mannschaft

Und dann gibt es noch eine dritte Sache: die mit dem Geld. Ingolstadt sei zwar "wirtschaftlich gesund", wie Zywitza klarstellt. Der ERC musste jedoch bereits vergangene Saison nach dem Rauswurf von Trainer Ron Kennedy, dessen Assistenten Jamie Bartman und Manager Stefan Wagner satte Abfindungen zahlen - und der Vertrag von Laporte läuft nun noch eineinhalb Jahre, er soll mit einem fünfstelligen Monatsverdienst dotiert sein, den Ingolstadt womöglich bis zum Ende auszahlen muss. Das sei aber "der Extremfall", sagt Zywitza, die Gespräche mit Laporte laufen derzeit.

Laporte jedenfalls hat nach seinem Rauswurf schon mal wissen lassen, er werde sich jetzt verstärkt seiner Familie widmen. "Wahrscheinlich", hat er noch hinzugefügt, "werde ich die kommenden eineinhalb Jahre nirgendwo unterschreiben."

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