Debüt von Renato Sanches:Das große Versprechen? Nur ein erster Eindruck

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Debütantenball: Bayerns Neuerwerbung Renato Sanches und Schalkes Zugang Benjamin Stambouli (r.) konnten nur andeuten, welche Rolle sie in Zukunft spielen können. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Bayerns junger Portugiese zeigt bei seiner Bundesliga-Premiere schon viele herausragende Ansätze. Dass er noch nicht alle Kritiker begeistern kann, liegt auch an den Umständen.

Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

"Glück muss man sich hart erarbeiten", hat der Fußballer Renato Sanches diesen Sommer gesagt. Mit solchen Aphorismen ist der Portugiese beim FC Bayern München goldrichtig. Es hat sich nämlich bereits im ersten Spiel des 19-Jährigen für seinen neuen Klub mal wieder erwiesen, dass die Bayern auch in einem schwierigen Spiel mit fußballerischer Impertinenz, harter Arbeit und dem nötigen Glück durch späte Tore zu gewinnen verstehen.

Vom Bayern-Dusel war nach dem 2:0-Erfolg beim FC Schalke allerdings nicht die Rede, dafür war dieser Sieg zu verdient. Aber es hat sich halt wieder erwiesen, dass Fußballkrimis mit Bayern-Beteiligung meistens in ein allzu bekanntes Finale münden. Pointenreichtum ist nicht gerade ein Charakteristikum der Münchner Spiele. Daran hat sich Renato Sanches beim Gastspiel in Gelsenkirchen schon mal gewöhnen können.

Als der junge Bursche vom Glück und der harten Arbeit gesprochen hat, war er mit Portugal gerade bei der Europameisterschaft in Frankreich aktiv. Die Portugiesen haben den Titel geholt, obwohl es in sechs ihrer sieben Spiele nach den regulären 90 Minuten Unentschieden gestanden hatte. Portugal setzte entscheidende Akzente erst im Showdown, genauso haben es die Bayern am Freitagabend gemacht, und hätte es nach 90 Minuten Verlängerung gegeben, hätten sie mit ihren Siegtreffern vielleicht sogar bis dahin gewartet. Aber so waren ihn die letzten 13 Minuten gerade gut genug, um den Schalkern eine lange Nase zu zeigen. Sanches war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr auf dem Feld. Ihn hatte der Trainer Carlo Ancelotti nach 70 Minuten herausgenommen und durch den nur wenig älteren Joshua Kimmich ersetzt.

Von Sanches, einem der größten Talente Europas und den Bayern mit einer Prämienstaffelung mehrere zig Millionen Euro wert, schien sich mancher Beobachter mehr erhofft zu haben, jedenfalls waren die Bewertungen und Diskussionen nicht überschwänglich. Aber offenbar vergessen die Skeptiker, dass Sanches gerade 19 Jahre alt geworden ist, dass er seit einigen Wochen zum ersten Mal im Ausland lebt, dass er nach einer bei der EM erlittenen Verletzung seither nur trainieren konnte, dass er am Freitag nun erstmals für die Bayern auflief, gleich in der Startelf stand und sein Debüt in einem voll beladenen Schalker Stadion machte, in dem die Fans für enorme Akustik sorgten. Wenn man dies alles berücksichtigt, dann hat Sanches ein ganz gutes Spiel gemacht, mindestens hat er zeigen können, wie viel er läuft, wie umsichtig er sich im taktischen Netz bewegt, wie elegant er mit dem Ball umgeht und wie viel Druck er auf diesen Ball machen kann, wenn er mit ihm erst einmal losrennt.

Er hat in den 70 Minuten bis zu seiner Auswechslung von 48 Pässen 85 Prozent an den (eigenen) Mann gebracht und ist 8,4 Kilometer gelaufen. Verbesserungswürdig war am Freitag sein Zweikampfverhalten, denn von 14 direkten Duellen hat er bloß ein Drittel gewonnen. Thiago als bester Münchner hat von 94 Pässen 89 Prozent präzise adressiert, ist 11,3 Kilometer gelaufen und hat von 23 Zweikämpfen gut die Hälfte gewonnen. An diesen Wert muss sich Sanches orientieren, aber in München hat kaum jemand Zweifel, dass er da noch herankommt.

In Marseille, im EM-Viertelfinale gegen Robert Lewandowskis Polen, wurde er zum drittjüngsten Fußballer, der je in einem Europameisterschaftsspiel ein Tor geschossen hat und zum jüngsten, der je in einem EM-K. o.-Spiel getroffen hat. Im gewohnten Umfeld seiner portugiesischen Nationalmannschaft hat Renato Sanches bereits große Spiele gemacht. Seine Leistung am Freitag in Gelsenkirchen konnte da zwar noch nicht gleich mithalten, sie war aber bereits ein großes Versprechen für die Zukunft.

© SZ vom 11.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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