Debatten um Fußball-WM in Katar:Wie Blatters Muskelspiel ausartet

Debatten um Fußball-WM in Katar: Der Fußball bin ich: Fifa-Boss Blatter duelliert sich mit Uefa-Chef Platini.

Der Fußball bin ich: Fifa-Boss Blatter duelliert sich mit Uefa-Chef Platini.

(Foto: AFP)

Der Weltfußball wankt unsicheren Zeiten entgegen: Die heiklen Fragen um die WM 2022 in Katar werden im Machtkampf der Verbandsbosse Blatter und Platini zunehmend instrumentalisiert. Aus dem Platini-Lager sorgt jetzt die Idee, eine EM mit Mannschaften aus Südamerika auszurichten, für Aufsehen.

Von Thomas Kistner

Monatelang heizte Fifa-Präsident Sepp Blatter die Debatte um eine Verlegung der Fußball-WM 2022 in den Winter an; seit der Exekutivsitzung am Freitag in Zürich müht sich der Weltverband, das Thema Katar runterzukühlen. Eine Task Force unter Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke hat nun bis 2015 Zeit, gemeinsam mit betroffenen Parteien wie Ligen, Verbänden, Fernsehen und Sponsoren eine Terminlösung zu finden.

Doch herrscht in sportpolitischen Kreisen kein Zweifel, dass Blatter die Katar-Frage zur Stärkung seiner Position für die Fifa-Präsidentenwahl 2015 nutzen wird. Da muss er ja nur einen ernsthaften Rivalen fürchten: Michel Platini, Chef des Europa-Verbandes Uefa.

Den aber, bekennenden Katar-Wähler, hat Blatter jüngst angezählt, indem er massive politische Einflussnahmen durch "europäische Regierungschefs" bei der WM-Vergabe publik machte. Solche Maßnahmen hatte die Fifa den Bewerber-Ländern mit Schreiben vom 7. Juli 2010 verboten.

Doch insbesondere Frankreich unter dem damaligen Staatschef Nicolas Sarkozy, einem bekennenden Katar-Freund, war sehr aktiv; auch Platini selbst eignet eine bemerkenswerte Nähe zum WM-Veranstalterland 2022, für dessen Sportfonds sein Sohn als Manager tätig ist. Insofern könnte Blatters Vorstoß den Weg für Untersuchungen der Fifa-Ethikkommission ebnen. Deren Chefermittler Michael Garcia begibt sich nun auf Recherche-Reise durch alle damaligen Bewerber-Länder; England soll in dieser Woche erstes Etappenziel sein.

Derweil wies Katars Organisationschef Hassan Al-Thawadi am Wochenende auf allen Kanälen Bestechungsvorwürfe zurück. "Von uns gab es weder politische Einflussnahme noch Korruption", sagte der frühere Bewerberchef des Emirats dem ZDF. Katar verdanke seine Wahl nur dem "innovativen Geist der Menschen". Innovativen Geist versprühte am Wochenende auch Platinis Beraterkreis.

Laut der englischen Zeitung Independent wird in hohen Uefa-Zirkeln erwogen, für die EM 2020 Teams aus Südamerika und Asien einzuladen. Die Idee sei "in einem frühen Stadium, aber umsetzbar", zitiert das Blatt einen nicht genannten Berater Platinis. Als Vorbild soll die südamerikanische Copa America dienen, zu der seit zwei Dekaden Topnationen aus Mittelamerika oder Asien eingeladen werden. "Der Gedanke ist nicht neu im angespannten Verhältnis mit der Fifa", bestätigte ein früherer Uefa-Berater der SZ.

Aufgeheizte Gemengelage

Der Vorstoß hebt den Kampf der Platzhirsche Blatter und Platini auf die nächste Stufe. Eine EM mit Beteiligung Brasiliens und Argentiniens, mit Mexiko und Japan würde die Fifa brüskieren und im Kernbereich schwächen. Es wäre ja, unter Spitzensport-Aspekten, das Konzentrat einer Weltmeisterschaft, "eine Champions League der Nationalteams", wie der frühere Uefa-Berater sagt. Noch dürfte es sich bei dem Vorstoß um einen Schuss vor Blatters Bug handeln. Platini Stärke ist allerdings die Umsetzung organisatorischer Herausforderungen, wie er mit der Aufstockung der EM auf 24 Teams gezeigt hat.

In die sportpolitisch aufgeheizte Gemengelage passt Platinis jüngster Ausflug in Europas fernen Fußballosten, der ihn weiter bis Tadschikistan, Usbekistan und sogar Afghanistan geführt haben soll. Asien-Abstecher eines Europa-Chefs nähren Wahlkampf-Gerüchte. Lässt Platini die Muskeln spielen? Das Gedankenspiel mit einer Super-EM zeigt Blatter, dass es Widerstand gibt, sollte er die langwierig angelegte Katar-Untersuchung zur Vorbereitung seines Wahlkampfes 2015 nutzen.

Ein heißes Eisen bleibt der Katar-Komplex auch in Deutschland. Theo Zwanziger, der Blatter gewogene Fifa-Vorstand, attestiert seinem DFB-Nachfolger Wolfgang Niersbach in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Untätigkeit; Niersbach schwieg bisher zu Berichten um Todesfälle von Gastarbeitern auf Katars WM-Baustellen. Auch ist für Zwanziger mit der Einsetzung der Task Force das Thema einer WM- Neuvergabe noch lange nicht vom Tisch: "Es gibt ja noch die Korruptionsvorwürfe." In dem Kontext attackierte er Platini und dessen Nähe zu Katar: "Das sind Entscheidungen, welche die Ethikkommission gegebenenfalls bewerten muss. Dass das insgesamt nicht gut rüberkommt, ist klar."

Zudem stellen nun führende Politiker von Union und SPD die WM-Austragung in Katar in Frage und kritisieren scharf die Fifa. Diese dürfe sich in Hinblick auf Berichte über desaströse Zustände und Todesfälle auf WM-Baustellen nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, hieß es. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Günter Krings fordert die sofortige Verbesserung der Situation, sonst "sollte ein anderer Austragungsort gefunden werden".

Allerdings droht das Thema politische Einflussnahme für Katar auf Deutschland überzugreifen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Viola von Camon hat am Freitag bei der Bundesregierung angefragt, ob diese oder "der damals amtierende Bundespräsident Christian Wulff die Vergabe der WM 2022 nach Katar der Fifa und stimmberechtigten Mitgliedern empfohlen" habe.

Über einen angeblichen Vorstoß Wulffs bei DFB-Funktionären wurde schon berichtet. Vor der WM-Vergabe im Dezember 2010 besaß Katar rund 17 Prozent Aktienanteile am VW-Konzern. Wulff lud neun Wochen vor der Fifa-Kür Katars Emir ins Schloss Bellevue; auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kam.

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