Davis-Cup-Team:Wenn Tennis ins Absurde übergeht

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Ein Bild aus einer vergangenen Zeit: Philipp Kohlschreiber (links) und Carsten Arriens (Foto: dpa)
  • Der neue Davis-Cup-Chef Michael Kohlmann stellt sein Team vor, doch den DTB holen die Querelen der Vergangenheit ein.
  • Hat Vorgänger Carsten Arriens das Versöhnungstreffen gar nicht selbst platzen lassen? Immerhin führte der Verband dies als Kündigungsgrund an.

Von Gerald Kleffmann, Frankfurt/München

Die Neuigkeit, die längst keine mehr war, wurde am Dienstagmittag vermeldet. Analog zur gerade abgehaltenen Oscar-Show hätte der Deutsche Tennis-Bund verkünden können: Und der Gewinner ist... Philipp Kohlschreiber. Der 31-Jährige aus Augsburg, der in der Vergangenheit sehr oft im Mittelpunkt von internen Streitigkeiten in der wichtigsten Männerauswahl stand und zuletzt nicht mehr zum Davis-Cup-Team zählte, führt dieses im Erstrundenspiel gegen Frankreich am zweiten Märzwochenende an. Benjamin Becker, Jan-Lennard Struff und Doppelspezialist André Begemann wurden vom neuen Teamchef Michael Kohlmann, der unter dem kürzlich geschassten Carsten Arriens noch Stellvertreter war, als Spieler zwei bis vier auserwählt.

Es entbehrt aber nicht einer gewissen Situationskomik, dass kurz vor dem Moment, als der frühere Profi Kohlmann in Frankfurt seine Spieler bekannt gab, wieder Kohlschreiber mit einer eher unerfreulichen Nachricht auffällig wurde. Diesmal allerdings gilt bedingungslos die Unschuldsvermutung: Deutschlands bester Profi, derzeit an Nummer 25 der Weltrangliste geführt, ist krank.

Kohlschreiber hat sich krank gemeldet

Beim Turnier in Dubai, wo er noch am Wochenende mit den Größen Roger Federer, Novak Djokovic und Tomas Berdych auf dem Platz stand und die vier aufgrund eines Sandsturms Mundschutzmasken trugen, verzichtete er auf das Erstrundenduell mit dem Tunesier Malek Jaziri. Nun hat Kohlschreiber Zeit zu genesen und er glaube auch daran, dass ihm dies rechtzeitig gelinge, wie Kohlmann ausrichtete. Besser wäre es. Man müsste sonst wohl von einer Situationstragik sprechen, wenn jener Profi gegen Frankreich fehlen würde, der maßgeblich - zum zweiten Mal - den Austausch der Davis-Cup-Führung auslöste.

Philipp Kohlschreiber will seine Vorhand wieder für das Davis-Cup-Team einsetzen. Am Dienstag zwang ihn eine Erkältung zum Rückzug in Dubai. (Foto: PanoramiC/imago)

Kohlmann hat bei seiner ersten Amtshandlung jedenfalls alles richtig gemacht, er hat die laut ATP-Ranking drei besten Deutschen auserkoren plus den besten Doppelspieler. Natürlich hat er sich mit Niki Pilic ausgetauscht, mit dem früher so erfolgreichen Davis-Cup-Teamchef, der nun als Berater hilft, sei er sich "absolut einig" gewesen, sie hätten schon mehrmals telefoniert, "es war ja kein Teufelswerk, auf diese Namen zu kommen".

Die Außenseiterrolle, in der Kohlmann sein Team wähnt, ist indes nicht mehr ganz so ausgeprägt: bei den Franzosen fehlt Jo-Wilfried Tsonga (Armverletzung), der 2014 im Viertelfinale noch dazu beitrug, einen 0:2-Rückstand gegen den DTB in einen 3:2-Erfolg zu verwandeln. In Gilles Simon und Gaël Monfils (dazu Richard Gasquet, Nicolas Mahut, Julien Benneteau) verfügt Frankreich jedoch über fähige Spitzenspieler, eine Niederlage dürfte den DTB nicht in die Sinnkrise stürzen - vorausgesetzt, es treten nicht Ereignisse wie 2014 in Frankfurt ein.

Beim Erstrundensieg gegen Spanien sahen sich Kohlschreiber, Tommy Haas und Florian Mayer nicht imstande, zum bedeutungslosen Schlusseinzel anzutreten; auch als dem Vernehmen nach Kohlschreiber einen Losentscheid verlor, ging er nicht auf den Platz. Dies war der Beginn des Zerwürfnisses zwischen Kohlschreiber und Arriens, der unter Pfiffen den Verzicht des Einzels bekannt geben musste. "Dieser Sonntag hat sich bei jedem, der ihn erlebte, eingebrannt", sagt Kohlmann, der fordert: "So etwas darf sich nicht wiederholen." Die Wahrscheinlichkeit, dass der neue Teamchef nun in die Bredouille manövriert wird wie Arriens, ist allerdings äußerst gering.

Es gehört zu den weiteren Skurrilitäten der jüngeren Davis-Cup-Historie, dass um den eigenwilligen Kohlschreiber ein Team entstand, das ihm extrem gut passen dürfte. Kohlmann ist mit Kohlschreibers Trainer und Manager Stephan Fehske - ein formidabler Strippenzieher - bestens bekannt, die beiden sind Mitglieder beim MTTC Iphitos und spielen im Herren-30- Team. Fitness- und Mentalcoach Carlo Thränhardt hat Kohlschreiber im November vier Wochen lang betreut. Und auch Niki Pilic hat eine positive Schnittmenge mit Kohlschreiber: Als er in München seine Akademie leitete, trainierten Kohlschreiber und Pilic-Spieler Ernests Gulbis zusammen. Zudem, Tommy Haas, der auch schon einen Groll auf Kohlschreiber hatte, fehlt, er arbeitet nach einer Schulter-Operation an der Rückkehr. Im Grunde ist das Team für Kohlschreiber bestellt, was nach den vielen Vorkommnissen um diesen und den wenigen Erklärungen von diesem erstaunlich ist und sogar einen verwundert, der aufgrund der eigenen Vita ein Herz für Querulanten haben sollte.

Im Tennis Magazin forderte der frühere Profi Nicolas Kiefer vom DTB, "die Ära Kohlschreiber zu beenden", denn: "Der Spieler ist nicht teamfähig!" Gleichzeitig verteidigte der heutige TV-Kommentator den Ex-Trainer, dem ja vom DTB zur Last gelegt wurde, ein bei den Australian Open angesetztes Sechs-Augen-Gespräch mit Kohlschreiber und DTB-Vize Dirk Hordorff platzen gelassen zu haben. Arriens, dies war dem siebenköpfigen DTB-Präsidium schon vorab bewusst und wurde am Dienstagabend auch in einer höchst erstaunlichen Pressemitteilung des DTB bestätigt, hatte stets auf ein Vieraugengespräch mit Kohlschreiber bestanden - und doch wurde ihm direkt vor Kohlschreibers Abreise aus Melbourne ein Sechsaugengespräch auferlegt, eingefädelt von Hordorff. So steht es sinngemäß in der von beiden Seiten abgestimmten Erklärung.

Laut dieser DTB-Meldung konnte demnach jedoch dieses Gespräch "auch nicht einseitig von Herrn Arriens 'platzen' gelassen werden". Genau dies aber war Arriens vom DTB vorgeworfen und als Kündigungsgrund maßgeblich genannt worden. Der DTB hat mit der Meldung eingeräumt, dass Arriens - der in vielen Medien als unfähig bis eitel dargestellt worden war - sich nichts grundlegend zu schulden hat kommen lassen. Dieser Fall geht nahtlos ins Absurde über.

Kohlschreiber dürften die Aussagen derweil nicht sonderlich belasten, er ist der Gewinner in diesem seltsamen Spiel - aber ein erkälteter. Den Rückflug am Dienstag musste er stornieren. Das Fieber stieg an.

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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