Davis-Cup:Zverev trickst sogar den Wecker aus

Davis Cup - Quarter Final - Spain vs Germany

Siegte locker gegen den Sandplatzliebhaber David Ferrer: Alexander Zverev.

(Foto: REUTERS)
  • Alexander Zvererv beschert der deutschen Mannschaft im Davis-Cup-Viertelfinale gegen Spanien ein 1:1 nach dem ersten Tag.
  • Ihm gelingt dabei schnell die Umstellung von Hartplatz auf Sand.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Tennis.

Von Philipp Schneider, Valencia

Ganz oben, im Oberrang der Arena von Valencia, hängen die Bilder derer, die es geschafft haben. Es ist eine Galerie derjenigen, die durchgekommen sind. Dazu muss man wissen, dass es das größte Glück für einen Torero ist, einen Toro zu begnadigen. Der Stier verlässt die Plaza de Toros nach der Corrida lebend und kehrt, zur Freude seines Züchters, auf seine heimischen Weiden zurück. Und so also erhält man im Oberrang der Arena einen Eindruck davon, wie der Stier Campo Florido auch im hohen Alter noch beschwingten Hufes aus dem Wasser steigt, daheim in seiner Finca in Vejer de la Frontera. Und der zottelige Überlebenskünstler Tres en Uno zeigt sein noch immer volles Stierhaar auf seinem Anwesen auf dem Hochplateau von San Bartolomé de la Torre.

Es geschieht eher selten, dass jemand die Stierkampfarena in Valencia unversehrt verlässt. Aber möglich ist es.

Nachdem Alexander Zverev am Freitag um 13.34 Uhr an jenem für ein Tennismatch recht unwirklichen Ort seinen zweiten Matchball verwandelt hatte, schritt er so lässig ans Netz, wie er diese Partie zum Auftakt des Viertelfinals im Davis Cup gegen Spanien verwaltet hatte. Es gab keine Faust, keinen Schrei. Zverev ging einfach nach vorne, zog sich das Stirnband vom Kopf. Dann neigte er sich seinem Gegner entgegen wie eine Palme im Sturm dem Erdboden und schüttelte dem 23 Zentimeter kleineren David Ferrer die Hand. 6:4, 6:2, 6:2, nach nur 115 Minuten Spielzeit. In sehr viel eindrucksvollerer Form hätte sich der Weltranglistenvierte nicht präsentieren können in Valencia.

"Um ehrlich zu sein, bin ich ein bisschen überrascht", sagte Zverev. "Ich habe in drei Sätzen gegen David Ferrer gewonnen. Auf Sand. In Spanien. Nach nur drei Trainingssessions auf Sand."

Weniger überraschend war jene Niederlage von Philipp Kohlschreiber gegen Rafael Nadal, die folgte. 2:6, 2:6, 3:6 - die deutsche Nummer zwei verließ die Arena mit einer ernüchternden Erfahrung und einer Erkenntnis: Dass ein Nadal nämlich auch nach zweimonatiger Verletzungspause auf einem Sandplatz abgestellt werden kann, um selbst dann sofort wieder so zu spielen wie ein Weltranglistenerster, wenn ihm acht Doppelfehler unterlaufen. Oder, wie es Kohlschreiber wunderbar beschrieb: "Wenn Rafa die rote Asche betritt, dann ist alles seins." Alles seins. Weil Nadal den Platz wie ein Kartograf vermessen hat. "Und weil er zu jeder Zeit weiß, dass er jeden Ball erlaufen kann", ergänzte Kohlschreiber - der am Rande des Matches noch verkündete, dass er sich von Trainer Markus Hipfl getrennt hat und zu Lars Uebel zurückkehren wird, an die Tennisbase in Oberhaching.

1:1 steht es vor Beginn des Wochenendes, entschieden wird dieses Viertelfinale also am Sonntag. Vielleicht im Match der Spitzenspieler Zverev und Nadal.

Von Hartplatz auf Sand, von Florida nach Spanien

Groß war zuvor noch die Sorge in Teilen der Szene gewesen, Zverev sei womöglich nicht bereit, Deutschland als Führungsspieler den Weg zu weisen auf dem verstreuten Sand in Valencia. Am Sonntag hatte er das Finale in Key Biscayne verloren, gegen den Aufschlagriesen John Isner, gegen den das Tennisspielen ohnehin wenig Freude bereitet. Dann hatte er innerhalb weniger Tage eine Umstellung von Hartplatz auf Sand bewältigen müssen, dazu kamen sechs Stunden Zeitverschiebung von Miami nach Valencia. Damit es Zverev am Morgen pünktlich in die Arena schaffte, war offenbar eine Teamleistung nötig.

"Ihr hättet mich mal um acht Uhr morgens sehen müssen", erzählte Zverev, als er später mit vom großen Kampf zerzauster Mähne wie Tres en Uno vor den Journalisten saß. "Ich hab' den Wecker auf acht Uhr gestellt, den habe ich direkt wieder ausgeschaltet. Irgendwann kam meine Mutter, die habe ich wieder weggeschickt. Wer kam dann? Dann kam Tim (Pütz, sein Mannschaftskollege, d. Red.). Weil er auf dem Weg war. Von seinem Zimmer zum Frühstück. Dann kam, glaube ich, Kohlmann und zum Schluss mein Hund. Dann war ich wach." Und wie.

Zverev gewinnt acht Aufschlagspiele seines Gegners - in Folge

Es gibt im Tennis nicht viele undankbarere Aufgaben, als auf Sand gegen Ferrer zu spielen. Gut, auf Sand gegen Nadal ist das Leben noch weniger farbenfroh. Aber der 36-jährige Ferrer aus Xàbia ist einer, der sich zur Hälfte eingraben kann an der Grundlinie. An guten Tagen ist er so stabil, dass an dem Teil, der herausschaut, alle Bälle abprallen. Doch nicht am Freitag.

Zverev nahm Ferrer sofort den Aufschlag ab und ließ sich auch nicht davon beirren, dass er kurz darauf selbst sein erstes Servicespiel abgeben musste. Zum 3:2 gelang ihm ein weiteres Break, nach nur 39 Minuten holte er sich mit dem zweiten Satzball den ersten Durchgang. Zverev zeigte die Faust, in der ersten Reihe sprang Boris Becker auf und applaudierte.

Anders als Becker hat Zverev zwei unterschiedliche Fäuste im Repertoire. Bei einer Geste ballt er die Hand zu einer Art Fäustchen, das er unterhalb des Hosenbunds versteckt hält, während er zur Grundlinie zurückläuft. Und dann gibt es bei ihm noch eine offen zur Schau getragene Faust, hoch in der Luft, die den Gegner ein bisschen provozieren kann und wohl auch soll. Ferrer sah diese Faust ein paar Mal zu oft an jenem Tag, als er einen traurigen Rekord feierte in seinem 18. Jahr auf der Tour. "Um eine Chance zu haben, hätte ich besser aufschlagen müssen. Acht mal nacheinander bin ich noch nie gebreakt worden", sagte Ferrer. Acht mal nacheinander, zehnmal insgesamt nahm ihm Zverev den Aufschlag. Und so auch seine Würde.

Zverev variierte geschickt seine Rückhand

Mit 1,75 Meter Körpergröße ist ein Spieler nicht prädestiniert zum soliden Aufschläger. Ferrer hat sich daher über die Jahre eine Überlebensstrategie angewöhnt, mit der er eigentlich gut über die Runden kommt. Das, was ihm an Geschwindigkeit beim Service fehlt, macht er mit seiner Laufarbeit wett. Zverev aber spielte zu geschickt, ab dem zweiten Satz variierte er seine Rückhand, streute immer wieder unterschnittene Bälle ein. Vor allem aber ließ er sich nicht vom Lärm der Spanier auf den Rängen beeindrucken. Er habe versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben, sagte Zverev. "Wenn du bei dem Publikum Nervosität zeigst, dann werden sie das ausnutzen."

Stiere werden begnadigt, wenn sie Tapferkeit, Durchhaltevermögen und Kampflust beweisen. Das hat Alexander Zverev mit ihnen nun gemein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: