Davis-Cup-Niederlage gegen Argentinien:Verbitterte Sticheleien nach der Pleite

Das deutsche Davis-Cup-Team verliert gegen Argentinien 1:4 und befeuert in Person von Rückkehrer Tommy Haas eine Debatte um den absenten Philipp Kohlschreiber. Deutschlands Nummer zwei war wegen Krankheit zuhause geblieben - wodurch sich die Mannschaft offenbar im Stich gelassen fühlte.

Gerald Kleffmann, Bamberg

Tommy Haas hatte die Kappe in die Stirn gezogen. Regungslos hörte er zu, als Teamchef Patrik Kühnen davon sprach, wie "bedauerlich" die Niederlage sei, dass Argentinien "einen Tick mehr Qualität" besaß, seine "Jungs" aber "alles gegeben" hätten. Offensichtlich steckte in diesen harmlos wirkenden Formulierungen ein Reizwort, das Haas aus der Reserve lockte.

Davis Cup Deutschland - Argentinien

Unglückliche Niederlage gegen das argentinische Doppel: Tommy Haas (li.) und Philipp Petzschner.

(Foto: dpa)

"Das tut weh", kommentierte der 33-Jährige noch moderat das klare Erstrunden-Aus der deutschen Davis-Cup-Mannschaft, das schon nach dem verlorenen Doppel von Haas und Philipp Petzschner gegen David Nalbandian und Eduardo Schwank (6:3, 6:4, 4:6, 3:6, 4:6) am Samstag feststand; am Freitag waren Petzschner (gegen Juan Monaco) und Florian Mayer (gegen Nalbandian) erfolglos gewesen.

Am Sonntag verlor noch Mayer gegen Juan Ignacio Chela (5:7, 5:7); Cedrik-Marcel Stebe gewann mit einem 7:6, 7:5 über Eduardo Schwank den Ehrenpunkt zum 1:4. "Für mich ist es nicht verständlich, dass kein Philipp Kohlschreiber hier war", stichelte Haas dann aus eigenem Antrieb und lenkte den Blick auf das Seelenleben des Teams. Offenbar haben, so musste man den erfolgreichsten deutschen Profi der letzten 15 Jahre verstehen, nicht alle Kollegen alles gegeben.

Urplötzlich folgten Fragen zu jener Person, die gar nicht anwesend war in diesen Davis-Cup-Tagen von Bamberg: Philipp Kohlschreiber, der sich am Mittwoch krank gemeldet hatte. Verdrängt war die Enttäuschung als Thema, die Deutschen müssen ja nun zu einem Relegationsspiel antreten, um nicht aus der Weltgruppe abzusteigen.

Verdrängt war auch, dass das vom Basketball verwöhnte Bamberger Publikum derart Stimmung gemacht hatte, dass der Bayreuther Petzschner schwärmte: "Das war einer meiner schönsten Höhepunkte, hier zu spielen." 12.900 Karten wurden insgesamt verkauft. Womöglich hätte das Team mit Kohlschreiber, dem Weltranglisten-31., größere Chancen gehabt, doch der hatte offiziell wegen eines Magen-Darm-Infektes abgesagt. Nur: Wie krank war er?

Tommy Haas drückte seine Verwunderung darüber aus, dass Philipp Kohlschreiber "nicht mal" angereist sei, Teamchef Patrik Kühnen sagte ruhig und doch unmissverständlich: "Wir hätten uns gewünscht, dass er uns unterstützt." Am Mittwoch, so schilderte es Kühnen, habe Kohlschreiber mitgeteilt, dass er "zu schwach" sei, um zu spielen, er lasse sich "zu Hause behandeln". Seitdem habe der Teamchef keinen Kontakt mehr zu Kohlschreiber gehabt, der sich - so nahm es Kühnen an - in München aufhielt.

Offenbar kommunizieren der DTB und sein zweitbester Profi gerade nicht miteinander. Auch Carl-Uwe Steeb, einst Profi und nun als DTB-Vize für den Leistungssport zugeteilt, sagte: "Wenn er krank ist, ist er krank." Es klang, als verteidige er ihn. Doch Steeb sagte auch: "Man muss sehen, wie es ihm wirklich geht." Letztlich drängte sich die Frage auf: Wenn keiner wusste, wie es ihm geht - warum wurde Kohlschreibers Integrität dann mit Andeutungen in Frage gestellt?

Wie krank war Kohlschreiber?

Merkwürdig ist zudem, dass das Kohlschreiber-Lager eine andere Version kommuniziert. "Es waren alle über Philipps Krankheitszustand informiert", stellte Stephan Fehske klar, der sich seit zwei Jahren als Manager um die Belange Kohlschreibers kümmert.

Kohlschreiber sei ständig mit dem Teamarzt in Kontakt gewesen, er habe dem Team eine SMS geschickt und Glück gewünscht, jedoch habe er einen "ansteckenden Virus", der einen Besuch unmöglich machte. Auch die Spieler hätten das gewusst. Dass ein anderer Grund für Spannungen gesorgt habe, weist Fehske indes zurück.

Der Manager sollte dem Vernehmen nach bei dieser Davis-Cup-Veranstaltung als Teammanager fungieren. "Die Spieler hatten den Wunsch geäußert", bestätigte Fehske am Sonntag. Doch in der DTB-Spitze habe es Bedenken hinsichtlich einer Interessenkollision gegeben; Fehske pflegt zu Kohlschreiber ein enges Verhältnis, seit diesem Jahr betreut er auch den besten deutschen Tennisprofi, Florian Mayer.

In Bamberg wurde kolportiert, das Ausbooten Fehskes habe den loyalen Kohlschreiber beeinflusst. "Das alles hat gar keine Rolle gespielt", versicherte Fehske, "Philipp ist krank." Fehske selbst war am Freitag in Bamberg, das Verhältnis zum DTB sei "gut".

Ob sich so schnell die Misstöne in Wohlgefallen auflösen, ist fraglich. Selbst der am Sonntag angereiste Boris Becker stichelte via bild.de: "Das wird nicht so spurlos am Team vorbeigehen." Richtung Kühnen sagte er, es klang wie ein Auftrag: "Der Teamchef wird sich jetzt Gedanken machen." Fehske erklärt die Aufregung mit der Enttäuschung nach dem Aus. "Philipp regt sich daher nicht sonderlich über die Aussagen von Haas auf", sagte der Manager, räumte aber ein, dass sein Spieler "schon enttäuscht" sei - "er hat in den letzten Jahren stets für Deutschland Flagge gezeigt".

Ob Kohlschreiber am Dienstag zu seinem Erstrundenmatch beim Turnier in Rotterdam antrete, sei noch unklar. Immerhin hat der DTB Zeit, sich mit Kohlschreiber ins Benehmen zu setzen. Das Relegationsspiel findet im September statt. Haas, der mit der Davis-Cup-Teilnahme nun praktischerweise ein Kriterium für eine Olympiateilnahme im Sommer erfüllt und Petzschners "erste Wahl" als Doppelpartner wäre, ließ offen, ob er bereit stünde. "Kohlschreiber wird zur Verfügung stehen", sagte Fehske und fügte an: "Wenn er fit ist." Und wenn er noch gewünscht ist.

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