Davis-Cup-Finale in Belgien:Sicherheitstrakt statt Volksfest

Davis-Cup-Finale in Belgien: Belgiens einzige Chance: David Goffin muss Andy Murray besiegen.

Belgiens einzige Chance: David Goffin muss Andy Murray besiegen.

(Foto: Alastair Grant/AP)
  • Belgien fordert im Davis-Cup-Finale Großbritannien heraus. Sie gelten als der klare Außenseiter.
  • Das Finale sollte zu einem Volksfest werden, doch die Terror-Warnungen überschatten den großen Moment.
  • Zu den Ergebnissen und dem Spielplan geht es hier.

Von Gerald Kleffmann

David Goffin, 24, ist ein Mensch, der schweigsam ist und schüchtern, das sagt er selbst von sich, aber in diesen Tagen musste er reden. Der Leistungssportler aus Lüttich steht mit der bislang sporadisch bedeutsamen Tennisnation Belgien im Finale des Davis Cups, ab diesem Freitag kämpft sein Team in Gent drei Tage lang gegen Großbritannien, das vom Weltranglisten-Zweiten Andy Murray angeführt wird. Ein Volksfest sollte das ungewöhnlich besetzte Endspiel des wichtigsten Mannschaftswettbewerbes werden, binnen 20 Minuten waren die 13 000 Zuschauerkarten verkauft, als sie auf den Markt kamen. Doch nach den Terroranschlägen in Paris und den Ereignissen in Brüssel, als die Stadt aus Sicherheitsgründen lahm gelegt wurde, ist vieles anders.

"Es ist schade, dass so ein großer Moment für den belgischen und britischen Sport dadurch überschattet wird", sagte bezeichnend Gijs Kooken, der Chef des belgischen Verbandes. Die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse strahlen in der Tat ab - Gent ist nur 55 Kilometer von Brüssel entfernt.

"Eine Absage in letzter Minute liegt nicht in unseren Händen, dann können wir nichts tun", sagte Goffin noch verunsichert Anfang der Woche, aber der Internationale Tennis-Verband ITF hatte dann rasch entschieden, dass dieses Finale stattfinden werde. Nur unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen. Zuschauer dürfen weder große Taschen noch Rucksäcke in die Halle der "Expo Flandern" nehmen. Die Einlasskontrollen werden strenger umgesetzt, und in einer eigenen Meldung wurde betont, dass es keine Tickets mehr gebe. Man will offenbar jeden, der nichts mit der Veranstaltung zu tun hat, fernhalten. "Wir fühlen uns hier wohl, kann ich nur sagen", beruhigte indes der Wimbledon- und Olympiasieger Murray, der mit seinem Team wegen der angespannten Lage am Dienstag im Privatjet angereist war, einen Tag später als geplant. Gleichwohl könne der 28-Jährige verstehen, "wenn sich Fans umentscheiden, wegen dem, was in Brüssel passiert ist".

Gerade für die Gastgeber beinhalten die Umstände, in die dieses Finale 115 Jahre nach Einführung des Davis Cups eingebettet ist, eine ernüchternde Komponente. Grundsätzlich "ist es mit Tennis in Belgien schwer", gestand Goffin und bezog sich auf die Wahrnehmung im eigenen Land. In den ersten beiden Runden etwa "haben uns nur wenige unterstützt", was Goffin darauf zurückführt, dass nach den früheren Erfolgen von Justine Henin und Kim Clijsters die Leute höhere Erwartungen hätten und mehr sehen wollten als scheinbar belanglose Auftaktduelle im Davis Cup.

1,80 Meter groß, 69 Kilo leicht

Den Stolz auf die erste Finalteilnahme seit 1904 lässt sich das Team von Kapitän Johan Van Herck dennoch nicht nehmen, das einen größeren Coup als die Briten landen könnte, die vor 37 Jahren letztmals im Finale standen. "Das ist eine Riesensache", sagte der ehemalige Profi Van Herck, wobei sie ihre Verdienste einzuschätzen wissen. Auf dem Weg ins Endspiel "hatten wir auch Glück", räumte Goffin ein, der zwar als Weltranglisten-16. nach zwei starken Jahren zur erweiterten Spitze zählt. Aber Steve Darcis (84.), Ruben Bemelmans (108.) und Kimmer Coppejans (128.) gehören nicht dazu. Ein Füllhorn an Talenten hat Belgien nicht.

Die Briten wiederum sind hinter Murray, der 2015 alle sechs Davis-Cup-Einzel bestritt und gewann und auch im Doppel zweimal siegte, nicht leistungsdichter aufgestellt mit Kyle Edmund (100.) und James Ward (156.), aber sie haben Jamie Murray, Andys ein Jahr älteren Bruder und im Doppel die Nummer sieben der Welt. "Großbritannien ist der Favorit, weil sie Andy haben", analysierte die Schweizer Koryphäe Roger Federer. Diesmal profitiert Belgien nicht von Spielerabsagen beim Gegner - wie in den Runden zuvor. Das meinte Goffin mit Glück.

"Ich denke, das ist unser Jahr!"

In Gent erinnerte er sich schmunzelnd an das 3:2 gegen den Titelverteidiger Schweiz, das ohne Federer und Stan Wawrinka antrat. An das 5:0 gegen Kanada, das ohne Milos Raonic und dem müden Vasek Pospisil spielte. An das 3:2 gegen Argentinien, das ohne Juan Martin Del Potro besetzt war. Belgien musste keinen Spieler aus den Top 35 der Weltrangliste schlagen. Ebenfalls skurril: "Wir haben jedes Match zu Hause bestritten", sprach Goffin, seine Conclusio: "Ich denke, das ist unser Jahr!" Besonders von ihm werden Belgiens Chancen auf dem Ascheplatz in Gent abhängen, ein Triumph kann nur funktionieren, wenn Andy Murray mindestens einmal besiegt wird; wenn der nur seine zwei Einzel sowie das Doppel erfolgreich bestreitet, ist das Finale entschieden. Die Aussichten?

Vor zwei Wochen unterlag Goffin in Paris Murray 1:6, 0:6, das als Richtwert, wobei Goffin dieses Ergebnis als Betriebsunfall nimmt. "Ich hatte frei an dem Tag", witzelte der 69 Kilo (bei 1,80 m) leichte Grundlinienspieler, ein Spezialist für katzenhafte Bewegungen und Konterschläge. "Flair" habe sein Spiel, schwärmte sogar Andy Murray, der am Freitag (nach Goffin - Edmund) das zweite Match bestreitet, gegen Bemelmans. Doch Murray weiß auch: "Ein Sieg wäre etwas sehr Großes." Dafür nimmt er, Mitglied der "Großen Vier", auch die unerfreulichen Rahmenbedingungen in diesen Tagen in Kauf.

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