Davie Selke:Immer besser in Tritt

RB Leipzig v Hertha BSC - Bundesliga

Mal schön leise sein: Herthas Torschütze Davie Selke bringt das Leipziger Publikum bei seiner Rückkehr zum Schweigen.

(Foto: Boris Streubel/Getty Images)

Bei Hertha BSC genießt der Angreifer das Vertrauen, das er bei RB Leipzig offenbar nicht spürte: Beim 3:2 gegen seinen ehemaligen Klub zahlt der 22-Jährige mit Toren zurück.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Dem Sieg vom Sonntagabend ging eine vage Ahnung voraus. Berichtete jedenfalls die Berliner Offensivkraft Valentino Lazaro, nachdem sein Verein, Hertha BSC, bei RB Leipzig einen überraschenden 3:2-Sieg gelandet hatte.

"Wie geil wäre das denn, Bruder, wenn Du hier zwei Tore machst und ich eine Vorlage", habe er zu Davie Selke, 22, gesagt, seinem Zimmerpartner im Mannschaftshotel. Es kam dann tatsächlich so wie taggeträumt, beziehungsweise: fast so. Denn Lazaro, 21, stellte fest, dass Selke in der Tat zwei Tore erzielte, er selbst jedoch auch zwei Vorlagen gab und nicht nur eine. "Wahnsinn", stöhnte der Österreicher, der wie Selke eine RB-Vergangenheit hat: Lazaro kam im Sommer von Red Bull Salzburg. Doch während Lazaros Curriculum am Sonntag in Leipzig keine Rolle spielte, war Selkes Lebenslauf in aller Munde.

Denn: Selke war im Sommer zur Hertha gestoßen, nach einer wenig erquicklichen Zeit bei RB Leipzig, in der er auf 14 Tore in 51 Pflichtspielen kam. Den Groll, der damals in ihm wuchs, hat er noch nicht vergessen: Als er seine Treffer feierte, legte er sich den Finger auf die Lippen, um dem Publikum zu bedeuten, mal schön leise zu sein; das Wappen auf dem Hertha-Trikot küsste und küsste und küsste er dafür immer wieder.

"Joar", dehnte sich seine Bejahung, als Selke gefragt wurde, ob er angesichts des "Hammersieges", wie ihn Trainer Pal Dardai nannte, so etwas wie Genugtuung verspüre. Gleichwohl schob Selke nach, dass es für ihn persönlich gar "nicht das große Spiel gewesen" sei, "zu dem es von außen gemacht wurde". Sein Trainer Pal Dardai hatte vor der Partie gar "ein wenig Angst, dass er übermotiviert sein könnte - dann gibt es schnell die gelbe Karte und die rote und es geht runter vom Platz. Aber er war sehr professionell." Dass Selke bei seiner Auswechslung in der 69. Minute ausgepfiffen wurde, nahm er gelassen hin. "Das können die ruhig so machen", sagte er. Seine Gegenwart sei Hertha, in Berlin werde ihm Vertrauen entgegengebracht, das er unter anderem mit vier Toren in bislang zehn Bundesligaspielen zurückzahlt.

Dass Herthas Rekordeinkauf (8,5 Millionen Euro Ablöse) nicht noch mehr Spiele und Tore aufweisen kann, hat viel mit einem Knochenmarködem zu tun, das er von der U21-Europameisterschaft mitbrachte und ihn um die Vorbereitung sowie die ersten Spiele der Saison brachte. Ähnliches gilt für Lazaro, auch er musste zunächst wegen einer Verletzung passen. "Sie kommen immer besser in Tritt, sie haben eine deutliche Entwicklung genommen", lobte Herthas Manager Michael Preetz. Er sei auch wegen solcher Spieler und angesichts der bevorstehenden Rückkehr des derzeit verletzten Mittelfeldspielers Vladimir Darida zuversichtlich, dass Hertha eine gute Rückrunde spielen wird. Das hätte Nachrichtenwert. Denn in den vergangenen Jahren spielte Hertha fast schon "chronisch eher schlechter", wie Preetz formulierte. Mit 24 Punkten steht Hertha nun im Mittelfeld der Tabelle, allerdings nur vier Punkte von den Europa-League-Plätzen entfernt.

"Wir waren nicht in der Lage, die Überzahl clever auszuspielen", sagt Leipzigs Trainer Hasenhüttl

Auch der Sieg in Leipzig stärkt den Optimismus, weil er in Unterzahl zustande kam. Kurz nachdem Selke sein erstes Tor erzielt hatte, sah Jonathan Torounarigha (7.) bei einem Zweikampf mit Timo Werner die rote Karte - eine Fehlentscheidung. Hertha verteidigte mit zehn Mann taktisch diszipliniert, wie Trainer Dardai lobte. Es kam den Berlinern allerdings zupass, dass die Leipziger recht kopflos agierten und gegen die gnadenlose Effektivität von Salomon Kalou (30.) und Selke (53.) machtlos waren. Die Leipziger Tore durch Willy Orban (68.) und Marcel Halstenberg (90.+2) kamen zu spät, um das Ergebnis noch zu drehen. "Wir waren nicht in der Lage, die Überzahl cool und clever auszuspielen", sagte Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl. Für Halstenberg war das Ende in doppelter Weise bitter: Nach seinem Schuss ins Tor rauschte er gegen den linken Pfosten und zog sich dabei einen dreifachen Bruch der Hand zu. Nun muss er jemanden finden, der ihm unterm Baum die Geschenke auspackt. Wenn er denn welche bekommt.

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