Dauerkarten beim FC Bayern:Klausel zum Heulen

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Nicht alle jubeln: Der FC Bayern hat manche Dauerkartenbesitzer verärgert. (Foto: AFP)

Der FC Bayern hat mehr als 200 Anhängern die Jahreskarten entzogen, weil sie zu selten im Stadion waren. Nicht alle lassen sich das gefallen: Die ersten Fans ziehen nun gegen ihren Verein vor Gericht.

Von Markus Schäflein, München

Hätte Roman Arnold gewusst, was ihm der Realschulabschluss einbrocken würde, hätte er womöglich auf ihn verzichtet. Jedenfalls war der 16-Jährige, nachdem er das Zeugnis in der Tasche hatte, "total verzweifelt", wie sein Vater Robert Habel berichtet, und "nur noch am Heulen". Denn wegen der Prüfungen konnte Arnold nicht so oft wie gewohnt den 271 Kilometer langen Weg aus Estenfeld im Landkreis Würzburg in die Fußball-Arena nach Fröttmaning antreten; "die Klausuren waren oft am Montag", sagt Habel.

Weniger als acht Bundesliga-Heimspiele besuchte Arnold also in der Saison 2013/14, und gemäß des Schreibens, das der FC Bayern München nach eigenen Angaben an alle Dauerkarteninhaber verschickt hatte, wurde ihm deshalb die Jahreskarte entzogen.

"Dieses Schreiben haben wir nicht bekommen", beteuert Habel, "sonst hätten wir doch versucht, es möglich zu machen, dass die Karte oft genug genutzt wird." Denn Jahreskarten beim FC Bayern sind ein knappes und begehrtes Gut, an das man kaum wieder gelangen kann, wenn man es einmal verloren hat. Und es handelt sich offenbar um eine Familie, die dem FC Bayern wahrlich verfallen ist: 1998, also quasi per Geburt, wurde Arnold Vereinsmitglied; mit zwei Jahren weilte er erstmals in der Südkurve des Olympiastadions. Die Eltern durften ihre Tickets, im Gegensatz zum traurigen Sohn, behalten: "Bei uns hat es offenbar zufällig hingehauen, dass wir oft genug dort waren", sagt Habel. Der eingeschaltete Rechtsanwalt machte der Familie auch keine Hoffnung, dass sie künftig wieder drei Karten bekommt: "Er hat gesagt, es bringt nichts mehr, dagegen weiter vorzugehen."

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht nämlich ausdrücklich, dass der FC Bayern Jahreskarten-Abos ohne Angabe von Gründen kündigen kann. Und in 211 Fällen machte er zur laufenden Saison davon Gebrauch. Die Karten wurden schon wieder vergeben - an Anhänger, die regelmäßig Tickets über den Arbeitskreis Fandialog, den Schalter für junge Mitglieder, im Online-Ticketing für Mitglieder und am Check-in-Schalter der Arena geordert hatten. Aus Sicht der Ultras und der aktiven Fans ist es natürlich eine gute Sache, Schwänzer auszuschließen und treue Anfeuerer zu belohnen.

Doch es gibt auch Anwälte, die davon überzeugt sind, trotz der Klausel etwas ausrichten zu können. So wird auf dem Büroweg über die Klage von Friedhelm Schramm entschieden, der kurz nach der Kündigung der Karte vom FC Bayern eine Anstecknadel zur 20-jährigen Vereinsmitgliedschaft erhielt. Dessen Anwalt Stefan Kunschak argumentiert, dass die Acht-Spiele-Klausel als neue Bedingung in die AGBs aufzunehmen gewesen wäre.

Wenn Ticketing-Leiter Oliver Meßthaler darauf verweist, dass die Kündigung ausdrücklich ohne Angaben von Gründen erfolgt sei, dann womöglich genau aus diesem Grund. Kunschak führt weiter aus, sein Klient habe seinen Platz bei nicht besuchten Heimspielen über das Internetportal Viagogo weitergegeben, das schließlich offizielles Partnerportal des FC Bayern gewesen sei; er sei also nicht verfallen. "Natürlich war das eine neue Karte", entgegnet Meßthaler. Eine Entscheidung könnte bereits in der kommenden Woche fallen.

Und am Donnerstag stand am Amtsgericht München der Prozess des Rechtsanwalts Ralf Hornecker gegen den FC Bayern an; ihm und einem Bekannten waren die Jahreskarten bereits vor einem Jahr entzogen worden, aber nicht wegen zu seltenen Besuchs. Hornecker hatte vor einigen Jahren nach eigenen Angaben einen Streit mit dem Ticketing des FCB um Champions-League-Karten gehabt und sich durchgesetzt; er vermutet eine Retourkutsche. Im Gegensatz zu den vielen gekündigten Dauerkartenbesitzern, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können, hat Hornecker einen Anwalt: sich selbst.

Sein Prozess ist auch für die anderen Betroffenen interessant. Denn neben dem Verweis auf Formfehler stellt er die Gültigkeit der AGB-Regelung, wonach der Klub ohne Vorliegen von Gründen jeden Jahreskarteninhaber kündigen kann, generell in Zweifel und stützt sich dabei auf § 305c BGB: "Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die (...) so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil."

Im Vergleich zu anderen Fußballklubs sei die Klausel eben sehr ungewöhnlich, findet Hornecker. Und selbst wenn man sie grundsätzlich nicht überraschend finde, halte sie in der gelebten Form der "materiellen Inhaltskontrolle" nach § 307 BGB nicht stand: "Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner (...) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen".

Laut Hornecker, der sich entgegen den Geboten von Vereins-Treu und Mia-san-mia-Glauben benachteiligt fühlt, ist es "anzuzweifeln", ob diese Klausel überhaupt wirksam sei, weil sie "Tür und Tor zu Missbrauch" öffne und in diesem Fall "willkürlich und rechtsmissbräuchlich" angewendet worden sei. Es könne sich höchstens um eine "Auffangklausel" handeln, die allerdings äußerst restriktiv einzusetzen sei - was sich schon dadurch zeige, dass sie bisher über viele Jahre hinweg "nur für ganz besondere Einzelfälle angewendet wurde".

Doch viel Hoffnung konnten die Fans, die nun ohne Tickets dastehen, aus dem Prozess nicht ziehen. FCB-Anwalt Gerhard Riedl lehnte, wie zu erwarten war, einen Vergleich ab; und Richterin Simone Selmer folgte den Ausführungen Horneckers nicht - sie sah "keine Unwirksamkeit" der Klausel und wies die Klage ab.

Der Rechtsanwalt will zwar weiter kämpfen; aufgrund des geringen Streitwerts - und das ist schon eine ziemliche Pointe - ist es aber fraglich, ob eine Berufung überhaupt zulässig ist. Denn die Jahreskarte kostet nur 140 Euro. "Entgangene Fußballfreude gibt es halt nicht im Gesetz", sagte Richterin Selmer. Ob es weitergeht, entscheidet nun das Landgericht, während die Richterin zu bedenken gab: "Ich kann nur entscheiden, was rechtlich zulässig ist. Ob das ein guter Umgang ist, habe ich nicht zu bewerten."

© SZ vom 13.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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