Daten zum Biathlon:Dahlmeier trifft 93 Prozent

IBU Biathlon Worldcup Ruhpolding - Day 1

Beste Schützin im Weltcup: Laura Dahlmeier (vorne).

(Foto: Getty Images)

Laufzeit, Schießzeit, Treffsicherheit: Der Biathlon-Weltverband erhebt detaillierte Daten über alle Läufer im Weltcup. Die Deutschen liefern teils erstaunliche Werte. Andrea Henkel beweist, dass sich auch ohne absolute Bestwerte Rennen gewinnen lassen.

Von Saskia Aleythe

Die Entscheidung fiel beim letzten Schießen. Zeitgleich legten Simon Schempp und Arnd Peiffer bei der Verfolgung in Antholz die Waffe an, Schempp ließ alle Scheiben fallen und stürmte wieder auf die Loipe, dem Sieg entgegen. Peiffer musste mit einem Fehler in die Strafrunde - und verpasste das Podest.

Klar: Wer verschießt, verliert. Doch wie wäre das Duell ausgegangen, wäre auch Peiffer ohne Fehler beim letzten Schießen geblieben? Im Vergleich zu seinem Teamkollegen war Schempp in der Loipe nur auf Rang 30 gelandet, Pfeiffer dagegen erzielte die zehntbeste Laufzeit. Er hätte Schempp den Sieg im Schlusspurt streitig machen können.

Individuelle Befindlichkeiten können entscheidend dafür sein, wer auf dem Siegertreppchen steht und wer sich geschlagen geben muss. Wie gut kommt der Konkurrent mit dem Druck am Schießstand klar? Bringt ihn ein Fehlschuss total aus dem Konzept? Die Beine waren schwer, der Rhythmus beim Schießen hat nicht gepasst - Satzfetzen, die Biathleten oft in Mikrofone sagen.

Doch abseits von persönlichen Eindrücken lassen sich Stärken und Schwächen jedes Athleten statistisch genau erheben. Der Weltverband IBU (International Biathlon Union) sammelt für jedes Rennen präzise Daten, die Aufschluss über die Details geben, die den Erfolg der Sportler beeinflussen.

Laufzeiten, Schießzeiten, Treffsicherheit - wer das alles perfekt beherrscht, ist nicht zu bezwingen. Doch auch jemand, der nicht der sicherste Schütze ist, kann durch starke läuferische Fähigkeiten Rennen gewinnen. Der Weltcup-Zweite Emil Hegle Svendsen aus Norwegen ist dafür der beste Beweis. Trifft ein Biathlet alle Scheiben, benötigt am Schießstand aber zu viel Zeit, kann er im Ziel trotzdem das Nachsehen haben.

Bei den Männern liegt Simon Schempp derzeit im Gesamtweltcup auf Rang drei, seine zwei Siege in Antholz haben ihn nach vorne katapultiert. Zugutekommt ihm vor allem seine Schießleistung: 90 Prozent seiner Schüsse landeten in der aktuellen Saison im Schwarzen. Eine bessere Quote (92 Prozent) haben in der gesamten Konkurrenz nur Alexey Volkov aus Russland und der Österreicher Christoph Sumann - allerdings bei weniger Versuchen.

Läuferisch liefern sich Schempp, Peiffer und Christoph Stephan ein enges Duell, wer denn der schnellste Deutsche ist. Generell ist Peiffer am stabilsten in der Loipe - kommt beim Schießen allerdings nur auf 84 Prozent Treffsicherheit und benötigt dafür in der Regel auch mehr Zeit als Schempp. Auch Stephan ist in der Lage, Schempp zu bezwingen. Allerdings nur mit den Beinen.

Der Schnellschütze im deutschen Team heißt Andreas Birnbacher. 1,43 Minuten brauchte er etwa für vier Durchgänge im Schießen bei der Verfolgung in Oberhof, Kollege Schempp 2,32 Minuten. 49 Sekunden Rückstand sind das, genug, um eine Strafrunde zu absolvieren und trotzdem noch vor Schempp wieder auf die Bahn zu kommen. Ungünstig für Birnbacher: Mit 83 Prozent gehört er zu den unsicheren Schützen, meistens bleibt mehr als eine Scheibe stehen. Seine Fehler kann er in der Loipe nur bedingt wiedergutmachen, in fünf von 13 Rennen blieb er in der Laufzeit unter den besten 20.

Preuß schießt am schnellsten

Bei den Frauen hat sich Andrea Henkel mit ihren Podestplätzen in Antholz im Gesamtweltcup nach vorne manövriert, auf Rang neun ist sie derzeit beste Deutsche. Und das, obwohl sie in keiner Kategorie ganz vorne liegt. Am Schießstand kommt sie auf 87 Prozent und liegt damit hinter der überragenden Laura Dahlmeier mit 93 Prozent. So treffsicher wie die 20-Jährige ist niemand sonst im Weltcup, von 210 Schüssen landeten 196 im Schwarzen.

Dass Evi Sachenbacher-Stehle noch immer von ihrer Langlauf-Karriere profitiert, zeigt sich auch in den Zahlen. Zehn Rennen absolvierte sie in der aktuellen Saison, fünf Mal gehörte sie zu den schnellsten zehn Läuferinnen. So manchen Fehlschuss kann sie damit ausgleichen, schließlich läuft sie auch die Strafrunden schneller als viele ihrer Konkurrentinnen.

Beim Sprint in Oberhof musste sie zwei Zusatzrunden absolvieren, Franziska Hildebrand nur eine - und doch landete Sachenbacher-Stehle auf Rang sieben und Hildebrand nur auf Platz 18. Mit 73 Prozent Trefferquote hat Sachenbacher-Stehle noch reichlich Potenzial nach oben. Sieben Fehlversuche in Ruhpolding waren bisher der Tiefpunkt - das machen dann auch ihre schnellen Beine nicht mehr wett.

Auch Franziska Preuß ließ in diesem Winter schon etliche Scheiben stehen (80 Prozent). Doch ihren schnellen Rhythmus behält die 19-Jährige meist konsequent bei, in ganzen neun von 13 Rennen war sie mit ihrer Schießgeschwindigkeit unter den besten drei Athletinnen überhaupt. Dass sich das positiv auswirken kann, zeigte sich etwa beim Sprint in Annecy: Wie Hildebrand leistete sie sich keinen Fehler beim Schießen, blieb von der Laufzeit aber 17,1 Sekunden hinter ihrer Kollegin zurück. Am Ende landeten beide auf Rang sechs. Preuß hatte am Schießstand die Zeit eingespart.

Die Stärken und Schwächen der deutschen Athleten und Athletinnen sind also ganz individuell und unterschiedlich verteilt. Auch wenn Norwegen traditionell die besten Laufleistungen bietet, kann am Ende auch ein Simon Schempp mit langsameren Beinen auf dem Treppchen ganz oben stehen. "Es muss alles zusammenpassen", ist dann vielleicht doch mehr als ein banaler Satzfetzen.

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