Held aus Desio
Filippo Simeoni, 33, ist kein herausragender Radprofi, das gewiss nicht, obwohl er ein paar schöne Erfolge gefeiert hat. Etappensiege bei der Regio-Tour und bei der Vuelta stehen oben in seinen Palmarès, doch sein größtes Rennen lieferte der Italiener aus Desio am Schlusstag der Tour de France.
Simeoni erdreistete sich tatsächlich, bei der Champagnerfahrt für den Tourregenten Lance Armstrong zu attackieren. Abermals, denn zwei Tage zuvor hatte Armstrong höchstselbst eine (für ihn ungefährliche) Flucht Simeonis beendet - der Texaner spielte ein bisschen Sheriff, denn er kann Simeoni überhaupt nicht leiden, weil der nicht nur sich selbst, sondern auch den Dottore Ferrari - Armstrongs Arzt - vor Gericht des Epodopings bezichtigt hat.
Sonntag also, das Defilée bis zu den Champs Élysées - und Simeoni greift wieder an. Dreimal. Ohne Aussicht auf Erfolg, das weiß er, und er fährt ja auch nur 50 Meter voraus. Es ist eher eine Demonstration. Wider die Diktatur. Und gegen die Feigheit des Metiers. Tags zuvor hatten Kollegen, wie sein Landsmann Nardello, den Nestbeschmutzer noch beschimpft; das Peloton meidet Simeoni, es ist Armstrong hörig.
Das alles hat Simeoni ("Armstrong hat mich ausgelacht") nicht brechen können. Man konnte das sehen in seinen brauen Augen, als wir uns Sonntagabend im Hotel trafen. "Wo are die Journali?" Simeoni wollte die Zeitung mit seinem Interview sehen. "Let's make a foto!", bat er dann zum Abschied, und dieses Foto hängt nun hier an der Pinnwand. Die Aufnahme ist verwackelt, aber man erkennt ihn gut: Filippo Simeoni, Held aus Desio. Mutig. Mensch. Mit sich im Reinen.