Das Masters:Polierter Tanzboden

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Wer rennt, wird gesperrt: Der Augusta National Golf Club ist ein Ort voller Legenden, kurioser Regularien und anderer Eigenheiten. Ein ABC zum besseren Verständnis der abschließenden Runde.

Von Frieder Pfeiffer

Achtung, es wird süß: Golfprofi Bubba Watson lässt seine Tochter Dakota den Ball putten. (Foto: Harry How/AFP)

Augusta National Golf Club

Golferparadies in Augusta, Georgia. Austragungsort des ersten Majors des Jahres. 1933 gegründet als Zufluchtsort der vermögenden Oberschicht und damit exklusiv und elitär im ursprünglichsten Sinn. Der Club zählt nie viel mehr als 300 Mitglieder, die Aufnahme ist einige Zehntausend US-Dollar teuer - und immens begehrt. Offizielle Mitgliederlisten gibt es nicht, Warren Buffett und Bill Gates sollen dabei sein. Klar ist: Erst 1990 wurde das erste schwarze Mitglied aufgenommen, bis 2012 mussten die Frauen warten.

Beten

Der Reporter Herbert Warren Wind wäre ein respektierter, aber eher unbekannter Kollege geblieben, wäre er 1958 nicht auf die Idee gekommen, den Abschnitt zwischen elftem Grün und 13. Abschlag "Amen Corner" zu taufen. Heute gehören die drei kniffligen Bahnen in Augusta, durchzogen vom kleinen Rinnsal Rae's Creek, zu den berühmtesten der Welt. Vielleicht gerade deswegen, weil Beten dort noch niemandem geholfen hat.

Caddies

Bis 1983 durften Spieler beim Masters nicht mit ihren eigenen C. antreten. Einer der traditionell in weiß gekleideten Club-C. war Pflicht. Trinkgeld war tabu, ebenso ein C., der nicht schwarz war (→ Rassismus). Noch heute tragen die C. den weiten weißen Einteiler.

DJ

Wohl nie war ein Spieler in der Post-Woods-Ära als größerer Favorit ins erste Major des Jahres gegangen als Dustin Johnson in diesem Jahr. Die Nummer eins der Welt hatte zuletzt bei drei Starts in diesem Frühjahr drei Titel geholt. Dann rutschte Johnson einen Tag vor dem Turnier auf dem Weg zum Auto in Socken auf der Treppe aus. Der Rücken tat weh, es reichte nicht für einen Start. Das Masters ohne den Weltranglistenersten, das hatte es in 81 Ausgaben erst einmal gegeben - 2014 war Tiger → Woods ebenfalls verletzt ferngeblieben.

Eisenhower

Bis heute ist Dwight E. der einzige US-Präsident, der in Augusta Mitglied war. Dafür war er dank seines Einflusses als Potus in den Fünfzigerjahren mitentscheidend am Aufstieg des Turniers zum Major. Als Dankbarkeit für seine Leidenschaft wurde ein Baum nach ihm benannt. Der Eisenhower-Tree war lange Zeit ein prägendes Symbol des Kurses. Im Alter von gut hundert Jahren wurde die mächtige Kiefer auf der 17. Bahn abtransportiert: Ein Eissturm hatte sie schwer beschädigt.

Fernsehen

Auch die Regeln für die Berichterstattung sind hier etwas anders. Die Fernsehzeiten sind stark begrenzt, jahrelang waren die ersten neun Löcher nur den → Patrons vor Ort bekannt. 1956 waren insgesamt zweieinhalb Stunden Masters-Golf im Fernsehen zu sehen. Heute sind es 18 Stunden - immer noch deutlich unter Schnitt. Erlaubt sind zudem nur vier Minuten Werbung pro Stunde.

Grün

Die Puttflächen in Augusta sind wellig und glatt wie ein polierter Tanzboden. Die Golfwelt bestaunt sie in jedem April ausgiebig — und dennoch sind sie ein Rätsel. "Das Verrückte ist: Wir studieren sie jedes Jahr. Aber wir verstehen sie dennoch nicht und wissen manchmal nicht, was mit dem Ball passiert", sagt beispielsweise Bubba Watson, selbst zweimaliger Masters-Sieger.

Hymne

Natürlich hat das Masters seine eigene Musik. Das Thema, das seit 1982 in jeder Pause in die Wohnzimmer dudelt, ist grenzwertig kitschig - passt also gut. Dave Loggins, Cousin von Sänger Kenny Loggins, hatte das Stück auf seiner ersten Augusta-Runde komponiert. Abends im Clubhaus traf er Leute aus dem Dunstkreis des Masters-Senders CBS. Der war auf der Suche nach Musik - der Rest ist Geschichte.

Inside the ropes

Innerhalb der Absperrseile auf den Bahnen befindet sich der VIP-Bereich der Golfszene. Beim Masters dürfen sich hier nur Spieler, Caddies und ein paar Offizielle aufhalten, dazu ein paar Kameras. Alle anderen, die üblich verdächtigt sind, sich dort aufzuhalten - Reporter, Agenten, Medienmenschen und Spielerfrauen - sind ortsüblich: → Patrons.

Jacket, grünes

Das berühmteste Kleidungsstück des Golfsports, trotz aller Polos, Bundfaltenhosen und Karosocken. Ursprünglich Erkennungsmerkmal der Clubmitglieder, wird es seit 1949 auch dem Masters-Sieger übergestreift. Die Herstellungskosten belaufen sich auf 250 US-Dollar. Wertsteigerung ist zu erwarten: Das g.J. von Horton Smith, dem ersten Sieger, wurde 2013 für 682.000 US-Dollar versteigert.

Kaymer, Martin

Deutschlands bester Golfer ist zum zehnten Mal in Augusta, neun Mal war von ihm dabei wenig zu sehen (→ Tradition). In der Nacht auf Samstag spielte er jedoch plötzlich die zweitbeste Runde des Tages. K. ist auf dem Weg zu seinem besten Ergebnis. Das ist bislang ein 31. Rang.

Löcher

Mit schnöder Bezifferung der Golf-Bahnen gibt man sich hier nicht zufrieden. Jedes Loch trägt einen floralen Namen. So kommt der Golfer auf Pink Dogwood, Magnolia und Flowering Crab Apple in den Genuss einer kleinen Biologie-Exkursion.

Mythos

Kein anderes Golf-Major findet jährlich auf demselben Kurs statt. "Eigentlich müsste es leicht sein", sagt Martin Kaymer über das alljährliche Wiedersehen, das zum Mythos ebenso beiträgt wie die vielen → Traditionen und noch mehr Regeln, die es nur in Augusta gibt. Alles ist begrenzt, reguliert und abgesperrt, was den Reiz nur erhöht.

Nicklaus, Jack

Gewann das Turnier sechs Mal, so oft wie niemand sonst. Ist auch Mitglied in Augusta und durfte wie in den vergangenen Jahren das Turnier mit dem Ceremonial Tee Shot eröffnen. Der 77-Jährige schlug den Ball dabei fünf Yards weiter als der 81-jährige Gary Player (drei Majorsiege). Einmal Sieger, immer Sieger.

Out

Auch in diesem Jahr war für einige Hochkaräter nach zwei Runden Schluss, beispielsweise für Titelverteidiger Danny Willett, Henrik Stenson und den zweimaligen Master-Champion Bubba Watson, der im Anschluss verkündete: "Golf ist schwer. Artikel schreiben ist einfach." Später entschuldigte er sich dafür: "Meine Witze waren so schlecht wie mein Spiel."

Patrons

So werden, weil hier ja alles anders ist, die Zuschauer genannt. Dafür müssen sich die Gäste, die im regulären Verkauf hundert US-Dollar pro Tag, auf dem Schwarzmarkt mindestens das Zehnfache, zahlen, auch so verhalten. Wer rennt, wird der Anlage verwiesen, wer telefoniert ebenso. Und wer die P. im Fernsehen nicht P. nennt, wird auf Jahre suspendiert, wie der TV-Moderator Jack Whitaker 1966.

Rassismus

Gehört zur Masters-Geschichte wie die → Tradition. Nicht nur, weil Club- und Turnier-Initiator Clifford Roberts der Meinung gewesen sein soll, dass so lange er lebe, "Spieler weiß und Caddies schwarz" sein müssten. Lange wehrte sich Roberts gegen einen schwarzen Spieler beim Masters, obwohl es Möglichkeiten genug gegeben hätte. Lee Elder war schließlich 1975 der erste Afroamerikaner, der im Club nicht bedienen musste. 1997 änderte dann alles durch Tiger → Woods.

Senioren

Jahr für Jahr sind sie vorne dabei, die Masters-Sieger von einst: Bernhard Langer, 58, oder Fred Couples, 57. Langer war 2014 Achter, im vergangenen Jahr tauchte er im Finale plötzlich wieder vorne auf. In diesem Jahr scheiterte er am Cut, doch nun ist Couples wieder da - zum zehnten Mal in der Top Ten zur Halbzeit, das ist Rekord.

Tradition

Als jüngstes Major ist das Masters satte 74 Jahre jünger als die Open Championship in Großbritannien. Das muss wett gemacht werden - mit selbst erschaffener T. nach Bedienungsanleitung. Das → Jackett ist ein Teil dieser Geschichte, das Champions-Dinner ein anderer: Seit 1952 gibt an jedem Dienstagabend vor dem Turnier der Titelverteidiger den Gastgeber für alle lebenden Masters-Champions. Das Menü gibt der Titelverteidiger vor, was nicht immer für Begeisterungsstürme sorgt. 1989 servierte der Schotte Sandy Lyle "Haggis" - das ist laut Wikipedia "eine Spezialität aus der schottischen Küche und besteht aus dem Magen eines Schafes, paunch genannt, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt wird", was Jack Nicklaus spitz kommentierte: "Oh, ich hoffe, es schmeckt ihm."

Unterbrechung

Nur viermal war das Wetter in Augusta so schlecht, dass der Sieger an einem Montag gekürt wurde - und seit 1983, als Seve Ballesteros triumphierte, gar nicht mehr. In diesem Jahr musste jedoch erstmals der Par-3-Contest (→ Tradition) am Mittwoch vor dem Turnier wegen Regens abgebrochen werden.

Verpflegung

So exklusiv die Umgebung in Augusta, so bodenständig preiswert die Verpflegung. 1,50 US Dollar kostet das berühmte Pimento Cheese Sandwich (→ Tradition), ein US-Dollar der Muffin. Nichts ist übrigens so teuer wie Bier. Es soll ja gesittet zugehen (→ Patrons).

Woods, Tiger

Gewann in Augusta 1997 sein erstes Major. Mit 21 Jahren als erster nichtweißer Golfer. Das Alter ist ebenso Rekord wie sein damaliges Ergebnis von 18 unter Par (mit zwölf Schlägen Vorsprung). Das Finale mit Einschaltrekorden war der Beginn einer offeneren Ära im Golfsport - und Ursprung ausgerechnet das erzkonservative Augusta. Woods gewann weitere 13 Majors, drei davon in der Hochburg der "gut betuchten Trottel" (New York Times) .

Yards

Spielten spätestens 1997 eine größere Rolle in Augusta, als → Woods den für manchen zu kurzen Platz zerlegte. Das ließ sich der Club nicht bieten und verlängerte den Kurs um ein paar hundert Yards. 2002 war der Umbau abgeschlossen. Erster Sieger: Tiger Woods. Heute ist der Platz mit rund 6800 Metern knapp 500 Meter länger als 1997.

Zoeller, Fuzzy

Ein Name, der nicht zu viel verspricht. Der US-Golfer war 1979 der erste Akteur, der als Neuling auf Anhieb das Masters gewinnen konnte. Auf dem Platz, der Erfahrung und Kurskenntnis belohnt wie kein anderer, gelang das bisher keinem anderen Spieler.

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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