Darts-WM:Phil Taylor verliert WM-Finale gegen Rob Cross

Darts-WM: Rückte seinen Sport ins Licht der Öffentlichkeit: Phil Taylor war bei der Darts-WM in London zum letzten Mal in Aktion.

Rückte seinen Sport ins Licht der Öffentlichkeit: Phil Taylor war bei der Darts-WM in London zum letzten Mal in Aktion.

(Foto: AFP)
  • Darts-Legende Phil Taylor hat den perfekten Abschluss seiner Karriere verpasst.
  • Der Rekordweltmeister unterliegt im WM-Finale im Londoner Alexandra Palace am Neujahrstag dem Newcomer Rob Cross deutlich 2:7.
  • Durch seine Erfolge entwickelte sich Taylor zu einem Mythos und einer Sportikone.

Von Sven Haist, London

Wenn Phil Taylor seine Pfeile auf die Darts-Scheiben dieser Welt warf, konnte er seine Fans nicht sehen, sondern nur hören; die Profis drehen ja bei ihren Versuchen den Zuschauern stets den Rücken zu. Doch bei seinem Abschiedsturnier, der WM in London, ließ es sich Taylor dieser Tage nicht nehmen, sein Publikum, das in seiner Karriere immer hinter ihm stand, noch mal genauer zu inspizieren.

Auf dem Weg von der Bühne schlüpfte er in die Rolle eines Kameramanns fürs Fernsehen. Mit beiden Händen versuchte Taylor das riesige Aufnahmegerät, das durch das Stativ seinen 1,73 Meter großen Körper von vorne verdeckte, hin und her zu schwenken. Durch das hochauflösende Objektiv konnte er die Bedeutung seines Lebenswerks für die Menschen bestaunen.

Die etwa 3100 Anhänger im Alexandra Palace, der palastähnlichen Spielstätte auf einer Anhöhe im Norden der englischen Hauptstadt, verneigten sich vor ihm mit einer in Dauerschleife gesungenen Ehrerweisung: "There's only one Phil Taylor, one Phil Taylor, walking along, singing this song, walking in a Taylor wonderland."

Im Generationen-Duell gewinnt Debütant Rob Cross deutlich mit 7:2 Sätzen

Dieses Wunderland stellt natürlich eine Fiktion dar, aber die Leute wissen, dass sie ihrem Liebling auf diese Weise am meisten Freude bereiten. Als ob Taylor diese Emotionen für die Ewigkeit festhalten wollte, legte er die TV-Kamera zugunsten eines Fotoapparats weg. Den Auslöser auf die Fans gerichtet, drückte er ab. Diese Einlage gab Taylor auch für die Anhänger, die mit ihrer Unterstützung dazu beitrugen, dass er zum Abschluss sein 21. WM-Finale erreichte - wenngleich es verloren ging.

Im Generationenduell musste Taylor am Neujahrsabend seinem englischen Landsmann Rob Cross, der bei Taylors erstem von 16 WM-Titeln 1990 noch gar nicht geboren war, die Trophäe überlassen. In seiner Debütsaison als Profi gelang Cross mit einem 7:2 im Finale dasselbe Kunststück wie damals Taylor, der ebenfalls auf Anhieb beim wichtigsten Turnier der Darts-Tour siegte. Für den spektakulären Höhepunkt des dreiwöchigen Wettbewerbs sorgte allerdings Taylor im Finale: Bei einem fast perfekten Spiel (neun Würfe, um den Ausgangswert 501 auf null zu setzen) verfehlte lediglich der finale Pfeil auf das Feld der Doppel-12 das Ziel. Den Abschnitt verlor Taylor trotzdem, was für den Verlauf der Partie exemplarisch war.

Die mitreißende Atmosphäre im Ally Pally hinderte Cross nicht daran, seine Leistung aus dem Halbfinale zu bestätigen, als er den Titelverteidiger Michael van Gerwen besiegt hatte. Den zweiten Satz sicherte er sich mit einem Wurf ins Bull's Eye, dem Mittelpunkt der Scheibe.

Taylor hingegen produzierte ungewohnte Fehler. Die Pfeile gingen ihm erst nach drei verlorenen Sätzen lockerer von der Hand. Im zwölften Abschnitt meisterte er mit drei erstklassigen Versuchen die Schwierigkeit des Wertes 151 auf Anhieb, was ihn kurz darauf auf 1:3 heranbrachte - aber das Gesamtergebnis nicht wendete. Cross zog davon und schaute sich nicht mehr um - so wie das Taylor bei seinem Debüt-Triumph mit Eric Bristow machte, der damals den Status des Pfeilkönigs besaß.

Für Taylors letztes Match hatten die Veranstalter ein eigenes Programmheft gedruckt

Beim Einlaufen vermittelten Lichtblitze und Donnerhall bereits den Eindruck, dass ein seltenes Ereignis anstand. Für das Goodbye des 57 Jahre alten Taylor hatten die Veranstalter ein eigenes Programmheft gedruckt, das ihn auf der Titelseite mit dem WM-Pokal in den Händen zeigte. Einzelne Händler versuchten vom Hype zu profitieren, indem sie auf dem Schwarzmarkt mehrere tausend Euro für eine Eintrittskarte verlangten. Schon zu Jahresbeginn hatte Taylor seinen Rücktritt für das Ende dieses Turniers angekündigt.

Lexikon: Bull’s Eye

Dass die Weltmeisterschaft im Darts so populär geworden ist, liegt auch an der Stimmung im Publikum: Es wird viel geredet, es wird mehr gesungen, und außerdem gibt es Bier. Die WM ist allerdings auch so populär geworden, weil die nicht allzu komplizierten Regeln dem Publikum das Reden, Singen und Trinken nebenbei erlauben. Zwei Spieler werfen abwechselnd je drei Pfeile auf eine Scheibe und versuchen dabei möglichst schnell, von 501 auf 0 Punkte zu kommen. Unterteilt ist die Scheibe in 20 Felder, allerdings so, dass die Spieler präzise werfen müssen - neben einem Feld mit einer zweistelligen Punktzahl liegt meist eines mit einer einstelligen Punktzahl. In der Mitte der Scheibe befinden sich das grüne Single Bull (25 Punkte) und das rote Bull's Eye, das einen Durchmesser von 12,7 Millimetern hat und für das es 50 Punkte gibt. Außerdem gibt es zwei schmale Ringe. Ein äußerer, das sogenannte Double - landet der Pfeil dort, verdoppelt sich die Punktzahl aus dem Feld, das an der Trefferstelle innen am Ring liegt. Trifft der Spieler in den inneren Ring, in das sogenannten Triple, verdreifachen sich die Punkte aus dem nächstliegenden Feld. Anders als beim Sportschießen ist der wertvollste Treffer also nicht der direkt in die Mitte, sondern der in den inneren Ring am 20-Punkte-Feld. Für ihn gibt es 60 Punkte. Benedikt Warmbrunn

So langsam verließ nämlich selbst Taylor, genannt "The Power", die Kraft. Sobald die Kameras ausgeschaltet waren, schleppte er sich mit unrundem Gang, hängenden Schultern und gebücktem Kopf durchs Darts-Leben. Selbst die acht Stufen kurze Treppe aufs Spielpodium bereitete ihm Probleme. Die Anstrengungen seiner Weltkarriere raubten Energie, in seiner finalen Saison spielte Taylor nur wenige Turniere und schottete sich ab, um die verbliebene Leistungsfähigkeit zu bündeln. In den mühsamen WM-Auftaktrunden profitierte Taylor von seiner Aura - niemand in der Szene kann die Unsicherheit eines Gegners besser erspüren und ausnutzen. Mit dieser Nervenstärke trickste Taylor weniger erfahrene Kontrahenten aus, die alle wussten, dass es das letzte Duell für Taylor sein könnte. Und wer wollte schon derjenige sein, der ihn in den Ruhestand schickt?

Die Kunst, über die vergangenen drei Jahrzehnte hinweg drei Pfeile aus 2,37 Metern Entfernung präziser als alle anderen auf die Scheibe werfen zu können, hat Taylor aus dem ärmlichen Stoke-on-Trent herausgeholt. Gemeinsam mit der Professional Darts Corporation, die er mitgründete und an der er mit 8,2 Prozent beteiligt ist, fand er einen Weg von den englischen Kellerkneipen auf die internationalen Showbühnen. Für geringen Lohn schraubte er vor seiner ruhmreichen Laufbahn, die ihm ein Preisgeld von über acht Millionen Euro einbrachte, Zapfhähne und Toilettenpapierhalter in einer Keramikfabrik zusammen. Das bestätigt das Klischee, dass es beim Darts jeder nach oben schaffen kann.

Durch seine Erfolge entwickelte sich Taylor zu einem Mythos und einer Sportikone: "Phil ist eine Legende und wir werden diese Legende respektieren. Wenn ein anderer Spieler zu mir kommt und sagt, dass er sich gerne "The Power" nennen möchte, würde ich sagen: Nein!", sagt Barry Hearn. Der Vorsitzende des Verbandes profitierte bei der Vermarktung der Sportart von Taylors Anziehungskraft. Zwischenzeitlich war es nicht denkbar, dass Darts ohne seine Vorzeigefigur überhaupt existieren kann. Mittlerweile ist zumindest die WM zum Jahreswechsel im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Die Pfeile werden also weiter auf die Scheibe fliegen, auch wenn sie ab jetzt nicht mehr aus der Hand des Altmeisters kommen.

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