Darmstadt gewinnt gegen Frankfurt:Leuchtraketen in den Gästeblock

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Kein Hessen-Derby ohne Ausschreitungen. Fürs Rückspiel wird nichts Gutes erwartet.

Von Johannes Aumüller, Darmstadt

Irgendwann konnten leichte Zweifel aufkommen, ob die befragten Herren wirklich alle über dieselbe Szene sprachen. Aber diese Zweifel verschwanden rasch wieder. Alle sprachen über ein Tor, und es hatte nur ein Tor gegeben in diesem Hessen-Derby zwischen dem SV Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt.

Bei Darmstadts Torschützen Sandro Sirigu klang die Beschreibung seines Treffers in der Schlussminute nach einer Art von Plan: "Ich habe gesehen, dass der Torwart etwas weit vor dem Tor stand und habe den Ball auf den zweiten Pfosten gechippt. Dass er direkt reinging, ist umso schöner." Frankfurts Trainer Niko Kovac gab zu Protokoll: "Wenn das gewollt war, dann Kompliment, wenn nicht, dann gehört das zum Fußball eben dazu." Und Sirigus eigener Trainer Norbert Meier meinte: "Wir kennen diese Schweinebälle, die rutschen ab und dann senken sie sich irgendwo, wo der Torwart nichts machen kann."

Es braucht offenkundig ein irres Polizeiaufgebot, um die Lage unter Kontrolle zu halten

Objektive Untersuchungen dürften wohl eher Meiers denn Sirigus Darstellung stützen. Aber erstens sind einem eingewechselten Derbysiegtorschützen grundsätzlich beschönigende Formulierungen nachzusehen, zweitens ließ dessen Lächeln darauf schließen, dass er seine These ohnehin nicht bierernst nahm. Und drittens war nach diesem Spiel mit schwachem Niveau und Frankfurter Chancenplus ein anderes Thema noch wichtiger als Sirigus geplanter Schweineball. Und dieses andere Thema war mal wieder: das unsägliche Verhalten einiger Fans.

Während für gewöhnlich die Frankfurter Begleiter als die bösen Buben gelten, füllten diesmal die Darmstädter das Sündenregister. Schon vor der Partie flog eine Leuchtrakete aus der Nordkurve in den Gästeblock. In der zweiten Hälfte brannten im äußeren Sektor der Haupttribüne Bengalos: Die sind auf einer Haupttribüne eher selten anzutreffen, aber da sitzt nun mal der Kern der Lilien-Fans. Und nach Sirigus Siegtor flogen binnen kurzer Zeit zwei weitere Leuchtraketen in Frankfurts Block; die Menge revanchierte sich, indem sie einige Gegenstände zurückwarf. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ermittelt nun. Mal wieder.

Offenkundig kann kein Hessen-Derby mehr normal ablaufen. Im Vorjahr verbrannten einige Eintrachtler während des Spiels Darmstädter Fan-Fahnen. Im Rückspiel am Böllenfalltor blieb deswegen der Gästeblock leer, die Stadt Darmstadt verhängte gar ein umstrittenes und kurz vor dem Anpfiff gerichtlich zurückgenommenes Aufenthaltsverbot für SGE-Fans in der Innenstadt. Ein paar Frankfurter schafften es trotzdem ins Stadion, wo es prompt zu Auseinandersetzungen mit einigen Darmstädtern kam. So war diesmal vor dem Stadion und in der Innenstadt ein irres Polizei-Aufgebot präsent, das es einerseits offenkundig braucht, um die Lage unter Kontrolle zu behalten - bei dem sich aber andererseits die Frage stellt, ob das noch in Relation zum Austragen eines bloßen Fußball-Bundesligaspiels steht.

Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch, der nach dem Spiel gut gelaunt mit einem Müsliriegel im Mund und in seiner typisch flapsigen Art den arg glücklichen Dreier kommentierte, wechselte schnell Gestik und Tonart, als die Sprache auf die Raketen kam. Die beiden "Pyro-Abschießer" seien identifiziert. "Ich kann sagen, dass die keinen Spaß haben werden", sagte Fritsch: "Ich verstehe nicht, wie man den Fußball so missbrauchen kann. Dafür habe ich null Verständnis." Sein Unverständnis potenzierte sich wohl auch, weil just dieser Tag aus Fansicht so schön hätte sein können. Da war neben den Heimsieg auch die Tatsache, dass Darmstadt erstmals in einer Spielstätte antrat, die für ein Jahr offiziell nicht nach einem Pharmakonzern heißt, sondern "Jonathan-Heimes-Stadion" - in Erinnerung an einen Darmstädter Vorzeige-Fan, der im Frühjahr an einer Krebserkrankung gestorben war.

Ein paar Meter entfernt stand Eintrachts Finanzvorstand Axel Hellmann und ärgerte sich immens. Da hätten sich alle so angestrengt in den vergangenen Tagen - und dann so etwas. Die Fans seines Klubs benehmen sich oft daneben, aktuell läuft noch das DFB-Verfahren wegen des Verhaltens beim Pokalspiel in Magdeburg, als Eintracht-Anhänger Leuchtraketen in den gegnerischen Block schossen. Es droht gar der Pokal-Ausschluss. An diesem Samstag waren die Frankfurter Fans unmittelbar vor und im Stadion nahezu ruhig, wie Vorstand Hellmann zu Recht betonte. Aber zugleich sorgte er sich über die Auswirkungen dieses Tages: "Mir schwant fürs Rückspiel nichts Gutes. Ich habe größte Sorge, dass sich da jetzt einiges ansammelt."

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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