Darmstadt - Augsburg:Ausgleichende Ungerechtigkeit

Darmstadt 98 - FC Augsburg

Schon nach seinem Tod huldigten die Fans dem verstorbenen "Johnny" Heimes.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Beim emotionalen 2:2 zwischen dem Gastgeber und dem FC Augsburg fühlen sich beide Parteien vom Schiedsrichter benachteiligt - der Ruf nach dem Videobeweis wird laut.

Von Christoph Ruf, Darmstadt

Am vergangenen Dienstag ist in Darmstadt der 26-jährige Fußballfan Jonathan "Johnny" Heimes gestorben, mehr als die Hälfte seines Lebens hat der frühere Tennispartner von Andrea Petkovic und große "Lilien"-Fan gegen seine Krankheit gekämpft, mehrere Operationen, Chemotherapien, unzählige Bestrahlungen und eine Stammzellentherapie über sich ergehen lassen, ehe die Krankheit siegte. Ihm zu Ehren trugen die Darmstädter Spieler beim 2:2 gegen Augsburg einen Trauerflor, die Lilien-Kurve widmete ihm Gesänge und eine Choreografie, und auch die Augsburger Kurve gedachte des toten Fans: "Ruhe in Frieden, Johnny", stand auf einem Spruchband. Vier Wochen zuvor hatten an gleicher Stelle die Schalker Fans sofort aufgehört, ihre Mannschaft anzufeuern, nachdem sie gesehen hatten, dass es in der gegenüberliegenden Fankurve einen Notarzteinsatz gab, der das Leben eines kollabierten Lilien-Fans rettete. Fans werden oft kritisiert, manchmal sogar zu Recht. Gelobt werden sie selten, selbst wenn sie es mal verdient haben.

Nach dieser emotionalen Vorgeschichte folgten 94 Minuten Fußball, es folgte kurioser, wilder Alltag, und als 90 dieser 94 Minuten vorüber waren, schauten sich viele Augsburger Fans ungläubig an: Sollte es diesmal tatsächlich so sein, dass ihr eigenes Team von einer Schiedsrichter-Fehlleistung profitierte statt deren Leidtragender zu sein? Ja, es war tatsächlich so. Weil Schiedsrichter Bastian Dankert wenige Sekunden vor Schluss einen Elfmeter für Augsburg pfiff, dessen Sinnhaftigkeit sich außer ihm selbst nur dem in diesen Fragen zuständigen Sky-Experten Peter Gagelmann ("kann man geben") erschloss, glich Augsburgs Stürmer Alfred Finnbogason zum 2:2-Endstand aus (90.). So kurios die Umstände waren, so leistungsgerecht war dabei am Ende das Ergebnis, schließlich dominierten beide Mannschaften je eine Halbzeit. Darmstadt dominierte den ersten Durchgang, Augsburg den zweiten; nach dem dezenten Hinweis von Trainer Markus Weinzierl, dass das Spiel übrigens schon begonnen habe. Dennoch fühlten sich die Darmstädter um einen Sieg gebracht, der zwischen sie und Augsburg vier Punkte Distanz gelegt hätte. "Wir hatten in den letzten sechs Spielen fünf solche Entscheidungen gegen uns und haben immer die Fresse gehalten. Jetzt ist es Zeit, das auch mal zu thematisieren", fand Darmstadts Coach Dirk Schuster.

Weinzierl: "Der Videobeweis könnte eine Hilfestellung geben."

Ähnlich hat sich in dieser Saison auch schon der Kollege Weinzierl geäußert - bei den Niederlagen gegen Ingolstadt, Dortmund und auch in München waren die Augsburger die Leidtragenden von Schiedsrichterentscheidungen gewesen.

Dass Weinzierl am Wochenende erneut den Videobeweise forderte, konnte man da genauso gut verstehen wie seinen ratlosen Blick, als er referierte, dass der Kollege Klopp beim Augsburger Europa-League-Spiel in Liverpool berichtet habe, die Schiedsrichter auf der Insel seien keinesfalls besser als die, die der Sky-Experte Gagelmann derzeit so auffallend selten kritisiert. "Der Videobeweis könnte eine Hilfestellung geben", meinte Weinzierl, "die Fehler häufen sich bei den Schiedsrichtern." Auch Augsburgs Manager Stefan Reuter gab sich vermeintlich fürsorglich: "Dann hätten wir viele Fehlentscheidungen weniger. Das Spiel wird ja immer schneller. Und die Schiedsrichter stehen auch immer mehr unter Druck."

Ein gewisses Gefühl für Symmetrie konnte man Dankert an diesem verkorksten Nachmittag im Übrigen gar nicht absprechen, weshalb Markus Feulner, der Torschütze zum 1:2-Anschlusstreffer, am Ende auch von "ausgleichender Gerechtigkeit" sprach. Tatsächlich reagierte Dankert mit seinem Elfmeterpfiff ganz offensichtlich auf die vorherige Fehlentscheidung, einen Kopfballtreffer von Caiuby (78.) abgepfiffen zu haben; Dankert hatte da ein vorangegangenes Foul von Ragnar Klavan gesehen. Dass die zweite Fehlentscheidung, also der späte Elfmeter, mit der ersten Fehlentscheidung, also dem nicht gegebenen Tor von Caiuby, zusammenhing, vermutete dann auch nicht nur Darmstadts Angreifer Sandro Wagner, der sich vorgenommen hatte, nichts zu sagen; er wolle eine Geldstrafe vermeiden, witzelte er bitter, "von dem Geld kaufe ich mir lieber eine Uhr". Am Ende sagte er aber doch etwas: "Ich verstehe diese Konzessionsentscheidungen nicht. Aber weil ich nicht klug genug für so was bin, bin ich ja auch Fußballspieler geworden."

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