Fußball in Dänemark:Das Bröndby-Drama in vier Akten

Teemu Pukki 9 Broendby IF Benedikt Röcker 4 Broendby IF og Kamil Wilczek 20 Broendby IF e; Bröndby Kopenhagen

Leicht lädiert und nur Zweiter: die Spieler von Bröndby Kopenhagen.

(Foto: imago/Ritzau Scanpix)
  • Bröndby IF verspielt auf dramatische Weise die dänische Meisterschaft, unter anderem mit einem Gegentor in der 96. Minute.
  • Kurz vor Saisonende hatte Bröndby sogar noch fünf Punkte Vorsprung.
  • Alex Zorniger, der deutsche Trainer, spricht vom "härtesten sportlichen Schlag" seiner Karriere.

Von Gerhard Fischer

Die dänischen Zeitungen heißen Berlingske Tidende oder Jyllands-Posten. Am Sonntag waren ihre Webseiten voll mit Fotos, die gelb-blau gekleidete Menschen zeigten. Alle lachten und reckten die Arme nach oben. Schweden war in Kopenhagen Eishockey-Weltmeister geworden.

Am Montagabend zeigten die Seiten wieder gelb-blaue Fans. Aber diese waren entsetzt, sie weinten oder schlugen die Hände vors Gesicht. Bröndby IF - Vereinsfarben gelb und blau - hatte die dänische Fußball-Meisterschaft dramatisch vergeigt. Den Titel holte der FC Midtjylland.

Als am Dienstagmorgen der Handel an der Börse in Kopenhagen begann, brach die Bröndby-Aktie in fünf Minuten um 46 Prozent ein.

"Der härteste sportliche Schlag in meiner Karriere"

Bröndby hat einen deutschen Trainer, den Schwaben Alexander Zorniger. Er sagte am Dienstag: "Das ist der härteste sportliche Schlag in meiner Karriere." Sein Team habe in den letzten vier Spielen nachgelassen. Die Spieler seien nicht mehr so enthusiastisch gewesen. Nicht mehr so dominant. Vielleicht hätten sie, den Erfolg vor Augen, zu viel überlegt. Bröndby hatte freilich auch Pech, und wenn das späte 1:2 der Bayern gegen Manchester 1999 eine Tragödie war (natürlich nur im sportlichen Sinne), so war das Finish in der dänischen Superliga ein Bröndby-Drama in vier Akten - mit dem Höhepunkt eines Gegentores in der 96. Minute.

Bröndby und Midtjylland lagen lange gleichauf; von einem "Paarlauf durch die Saison" schrieben die Blätter. Dann schwächelte Midtjylland, vor zwei Wochen hatte Bröndby plötzlich fünf Punkte Vorsprung, und die Fans sangen ihr Lieblingslied: "Gul og blå, du er alt jeg tænker på" ("gelb und blau, du bist alles, woran ich denke"). Bröndy-Legenden lobten die Elf - und vor allem den Super-Trainer aus Deutschland, der den Verein wachgeküsst habe.

Bröndby IF, beheimatet in einem Vorort von Kopenhagen, wurde in den Neunzigerjahren fünfmal Meister und brachte viele Europameister von 1992 hervor, etwa Brian Laudrup, Peter Schmeichel und Faxe Jensen. Ex-Trainer Ebbe Skovdahl lobte Zorniger nach dem Pokalsieg gegen Silkeborg Anfang Mai. "Zu meiner Zeit spielten wir Überfall-Fußball auf dem ganzen Feld - wie Zorniger", sagte er. "Das funktioniert, weil er die Mannschaft, die knallhart arbeitet, in Topform gebracht hat."

Für alle, die den Namen Zorniger vergessen oder verdrängt haben (etwa Fans des VfB Stuttgart): Alexander Zorniger ließ beim VfB im Herbst 2015 - damals offenbar noch unausgereiften - Vollgas-Fußball spielen. Die Schwaben schossen viele Tore und kassierten noch mehr, und hätten die Funktionäre nicht die Notbremse gezogen (vulgo: Zorniger gefeuert), wäre der VfB wohl mit einem Torverhältnis von 146:187 abgestiegen. Dann ging Zorniger nach Dänemark, wurde ruhiger, wurde Vater einer Tochter, wurde Vizemeister 2017 und Pokalsieger 2018. Und fast ...

Fünf Punkte Vorsprung verspielt

Aber plötzlich zerrann der Fünf-Punkte-Vorsprung, und schließlich folgte am Freitag vor Pfingsten der Höhepunkt des Dramas: das Spiel in Horsens. Bröndby führte 2:0. Dann wurde Kjartan Finnbogason eingewechselt. Er traf in der 89. Minute zum 1:2. Michael Johansen, der Schiedsrichter, zeigte an, dass fünf Minuten nachgespielt würden. Als die fünf vorüber waren, legte Johansen noch etwas drauf; es habe schließlich "Trödeleien" und "Unterbrechungen" gegeben.

In der 96. Minute glich Finnbogason mit einem Linksschuss aus. "Philipp Lahm hat mal gesagt, es gehöre auch Glück dazu, um Meister zu werden", sagte Zorniger. Bröndy lag nun zwei Punkte hinter Midtjylland. Der Bröndby-Spieler Kasper Fisker sagte: "Ich weinte am Morgen nach dem Freitagabend in Horsens - und am Montag haben wir dann nur noch mit Gummibeinen gespielt."

Am Montag spielte Bröndby 1:1 gegen Aalborg, Midtjylland besiegte Horsens 1:0 und wurde Meister.

Der FC Midtjylland, das ist der Verein, der mitten in Jütland, in Herning, zuhause ist; einer Gegend, in der, wie die Dänen sagen, "sogar die Krähen umdrehen". Aber der Klub ist spannend, etwa wegen seiner Scouting-Strategie und den variantenreichen Standards nach mathematischen Modellen. Beim ersten Meistertitel 2015 schoss der FCM etwa 60 Prozent seiner Tore nach Ecken oder Freistößen. Midtjylland, hieß es damals, sei "das aufregendste Experiment des europäischen Fußballs". Das stand nicht in dänischen Zeitungen. Sondern im deutschen Magazin 11 Freunde. Mittlerweile sei das "nicht mehr so extrem", sagte Zorniger. "Wir haben sogar mehr Standardtore gemacht." Aber nicht mehr Punkte.

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