Cruisergewichts-Boxer im Schwergewicht:Und dann wartet Evander Holyfield ...

Weil sich kaum natürliche Schwergewichte für ein Duell mit den Klitschkos empfehlen, steigen immer mehr Cruisergewichtler in die höchste Klasse des Profiboxens auf. Nach der Niederlage von David Haye gegen Wladimir darf nun Tomasz Adamek gegen Witali antreten - vielleicht findet bald sogar das spektakuläre Duell mit einem 49-jährigen Altmeister statt.

Jürgen Schmieder

Wladimir Klitschko blickte ein wenig genervt drein, dann sagte er: "Das ist das Schwergewicht." Er sah zu David Haye, der seine Niederlage nach Punkten mit einem gebrochenen Zeh zu begründen versuchte. Klitschkos Erklärung für seinen Sieg: "Hier treten die größten und schwersten Athleten an. Ich habe Dir gezeigt, dass dies nicht Deine Gewichtsklasse ist."

Vitali Klitschko verteidigt WBC-Titel

Bereit zum Kampf: Witali Klitschko (li.) und sein Widersacher Tomasz Adamek begegnen sich am Samstag in Breslau im Ring. 

(Foto: dapd)

Haye war drei Jahre zuvor aus dem Cruisergewicht ins Schwergewicht gewechselt, nach seinem Titelgewinn gegen Nikolaj Walujew trat er gegen Klitschko an - und unterlag. Am Samstag fordert nun Tomasz Adamek in Breslau Waldimirs Bruder Witali heraus. Adamek hatte sich wie Haye im Cruisergewicht profiliert, zuvor hatte er auch Titel im Halbschwergewicht gewonnen. Nun möchte er nach nur sechs Kämpfen in der höchsten Gewichtsklasse des Profiboxens gegen Witali Klitschko den Titel des World Boxing Council (WBC) gewinnen. "Ich habe keine Zeit mehr für Vorbereitungskämpfe", sagt der 34-jährige Adamek, "ich will beweisen, dass ein Pole Weltmeister im Schwergewicht werden kann."

Es mag Zufall sein, dass die Klitschkos innerhalb weniger Wochen gegen ehemalige Cruisergewichtler antreten. Adamek ist dabei - wie auch Haye - gewiss kein handverlesenes und gut bezahltes Opfer, er ist Pflichtherausforderer der WBC, das unabhängige Ring Magazine führt ihn derzeit hinter den Klitschkos und Alexander Powetkin auf Rang drei - noch vor Haye. Er bewegt seine Beine äußerst flink, seinen Oberkörper überaus elegant, seinen Kopf sehr reaktionsschnell. Das ist für einen ehemaligen Cruisergewichtler allerdings nicht ungewöhnlich.

Adamek verfügt dazu über ein Kinn, das aus Eisen gegossen scheint und selbst wuchtigste Treffer absorbieren kann. In Verbindung mit seiner herausragenden Kondition ist Adamek in der Lage, seine Gegner zu entnerven und dann in späteren Runden eines Kampfes in Gefahr zu bringen. "Es kommt beim Boxen auf Herz und Willen an - und ich denke, dass Adamek beides hat", sagt Witali Klitschko über seinen Gegner.

Der polnische Boxer dürfte einer der unbequemeren Gegner für Witali Klitschko sein, man sollte ihn jedoch auch nicht überbewerten: Adamek ist kein beinharter Straßenkämpfer, er ist ein gewiefter Taktiker, der seine Gegner ausboxt, ermüdet und gerne auch nach Punkten siegt. In genau diesen Punkten jedoch dürfte er sich an Witali Klitschko die Fäuste wund schlagen. Der Ukrainer ist trotz seiner 40 Jahre äußert austrainiert, er agiert taktisch und technisch herausragend und wird nur selten ungeduldig - den Großteil seiner Siege in den vergangenen Jahren schaffte Klitschko durch Niederschläge in den späten Runden seiner Kämpfe.

Das wichtigste Argument indes dürfte sein, dass Klitschko zwölf Zentimeter größer und 15 Kilogramm wuchtiger ist als sein Gegner, er kann Adamek mit seiner Führhand dominieren und dann mit der präzisen und kraftvollen Schlaghand das gemeißelte Kinn bearbeiten. Das ist Klitschko gewohnt, das hat er nun in 44 Profikämpfen (42 Siege, 39 durch Niederschlag) so gemacht, mit diesem Kampfstil ist er seit Jahren überaus erfolgreich. Er ist eben seit Beginn seiner Karriere Schwergewichtler.

Chance aufs große Geld

Haye und Adamek sind das nicht - und es ist doch auffällig, dass die Klitschkos innerhalb weniger Wochen gegen zwei ehemalige Cruisergewichtler antreten. Freilich sind schon früher Boxer aus einer niederen Gewichtsklasse ins Schwergewicht gewechselt, Michael Spinks etwa oder Michael Moorer. Das prominenteste Beispiel ist freilich Evander Holyfield, der zuerst alle Titel im Cruisergwicht auf sich vereinte, um dann seine Karriere überaus erfolgreich im Schwergewicht fortzusetzen.

Boxing Vitali Klitschko vs Tomasz Adamek

Vom Cruisergewicht ins Schwergewicht: Der Pole Tomasz Adamek beim Training.

(Foto: dpa)

Es gibt zahlreiche veritable Gründe, eine oder mehrere Gewichtsklassen aufzusteigen, die Wechsel von Adamek und Haye und auch die Ankündigung von Cruisergewichts-Weltmeister Marko Huck, mittelfristig wechseln zu wollen, haben jedoch auch damit zu tun, dass es im Schwergewicht derzeit arg langweilig geworden ist. Die Klitschkos dominieren und suchen verzweifelt nach Gegnern, die sich gewinnbringend vermarkten lassen.

Deshalb bekommen einst erfolgreiche Cruisergewichtler nun recht schnell die Chance, um einen Titel zu boxen und viel Geld zu verdienen. Adamek wird zwei Millionen Euro für seinen Kampf gegen Witali bekommen, David Haye erhielt für seine Niederlage gegen Wladimir etwa das Fünffache.

Die ehemaligen Halbschwer- oder Cruisergewichtler verfügen meist über eine ansehnliche Bilanz (Adamek: 44 Siege in 45 Kämpfen), und wer sich vergangene Duelle ansieht, der findet auf Internetportalen meist krachende Niederschläge oder zumindest spannende Ringschlachten. So wirkt Adamek wie ein kräftiger Prügler, obwohl er bislang nur 28 Kämpfe durch Niederschlag gewinnen konnte.

Jemand wie Adamek lässt sich eben eher als gefürchteter Haudrauf präsentieren als ein pummeliger Schwergewichtler, bei dessen Kämpfen die Zuschauer vor lauter Langeweile ins seichte Abendprogramm wegzappen. Dazu sorgt der polnische Boxer für ein ausverkauftes Stadion in Breslau, am Samstag wird die Fußball-EM-Arena eingeweiht - mit dem Kampf eines Ukrainers gegen einen Polen, womit nicht ganz zufällig ein Zusammenhang zum sportlichen Großereignis im kommenden Jahr hergestellt wird.

Wenn Witali Klitschko den Kampf gegen Adamek gewinnt, warten noch zwei weitere ehemalige Cruisergewichtler auf ihn: Zuerst David Haye, dem er gerne den Niederschlag zufügen würde, den sein Bruder nicht geschafft hat. Und dann natürlich Evander Holyfield. Ja, richtig: Der 49-Jährige hat gerade das fünfte Comeback seiner Karriere gefeiert und angekündigt: "Ich will noch einmal der unbestrittene Weltmeister im Schwergewicht sein." Er sah dabei so aus, als würde er das tatsächlich ernst meinen.

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