Cristiano Ronaldo:Weiter nach vorn

Weniger Distanzschüsse, mehr Abschlüsse im Strafraum: Das Duell mit dem FC Bayern zeigt, dass sich der erfolgreichste Torschütze der Europapokal-Geschichte neu erfunden hat.

Von Javier Cáceres

Wenn es ums Bild seiner selbst geht, ist Cristiano Ronaldo kein Aufwand zu groß. Und es ist einerlei, ob es sich um ein Bild aus Wachs handelt. Seit 2013 steht im Wachsfigurenkabinett von Madrid eine Plastik Ronaldos; zusammen mit den Modellen der spanischen Königsfamilie zählt sie zu den Objekten, mit denen sich die meisten Besucher fotografieren lassen. Als sie eingeweiht wurde, ließ sich Ronaldo detailreich erklären, wie die Figuren gepflegt werden, und er konnte dabei erfahren, dass Spaniens erste Hollywood-Schauspielerin Sara Montiel vor ihrem Tod oft vorbeischaute und ihre Figur höchstpersönlich schminkte. Ronaldo fragte, ob es helfen würde, wenn er seinen persönlichen Coiffeur vorbeischicken würde, er wechsle doch so oft die Frisuren, erzählt Museumssprecher Gonzalo Presa der SZ. Seitdem lässt sich Ronaldos Stylist regelmäßig blicken, um die Haare der Wachsfigur zu richten.

Letztmals war das vor ein paar Monaten der Fall. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass Ronaldo demnächst wieder seinen Friseur ins Wachsfigurenmuseum schickt. Als er am Mittwoch in der Champions League bei Reals Viertelfinal-Hinspielsieg in München (2:1) zwei Tore schoss, hatte er eine recht neue Frisur; da dürfte ihm daran liegen, dass auch die Wachsfigur auf den aktuellsten Stand kommt. Denn die beiden Tore verhalfen ihm dazu, wie man so sagt, Geschichte zu schreiben.

Cristiano Ronaldo: Die Frisur sitzt: Cristiano Ronaldo ist auch beim Kopfball torgefährlich.

Die Frisur sitzt: Cristiano Ronaldo ist auch beim Kopfball torgefährlich.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Hundert Tore hat Ronaldo nun in europäischen Wettbewerben erzielt, mehr als jeder andere vor ihm. Er benötigte dafür 143 Partien, weil ihm in seinen ersten 32 Europacup-Spielen nur ein Treffer gelungen war, 2003 mit Manchester United in der Champions-League-Qualifikation gegen Debrecen (Ungarn). Ronaldos Quote (0,70 Tore pro Partie) ist damit schlechter als die von Gerd Müller (0,90), Lionel Messi (0,82), Alfredo Di Stéfano (0,77) oder Eusébio (0,76). Dennoch: "Es ist eine Ehre, der erste Spieler zu sein, der 100 Tore in Europa erzielt", sagte Ronaldo und fügte hinzu, es mache ihn besonders stolz, den Jubiläumstreffer in München erzielt zu haben, "gegen eines der besten Teams der Welt".

Ronaldos Tore gegen den FC Bayern waren auch Treffer gegen seine Kritiker, deren Zahl in den vergangenen Monaten in Madrid zugenommen hatte. Als er nach dem Spiel vor den Mikrofonen spanischer Radioreporter stand, wollte ihn Reals Presseoffizier wegschleifen. Doch Ronaldo war es ein Anliegen, eine Frage nach den Zweiflern zu beantworten, die ihm gestellt wurde. "Wer hat gezweifelt? Diese Zweifel berühren mich nicht. Die Leute, die mich lieben, unterstützen mich, und das sind die, auf die ich zähle." Das zeigte, dass Haut dünner ist als Wachs. Denn natürlich hatte Ronaldo mitbekommen, dass in Madrid eine imaginäre und grausame Uhr lief.

Schweigegeld? Vorwürfe gegen Ronaldo

Cristiano Ronaldo soll einer Frau in den USA die Zahlung von 375 000 Dollar zugesagt haben, damit sie nicht weiter Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn erhebt. Das berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel unter Berufung auf Dokumente der Enthüllungsplattform Football Leaks. Demnach habe sich der angebliche Übergriff im Jahr 2009 in einem Luxushotel in Las Vegas ereignet, die Schlichtung sei dann im Januar 2010 im US-Bundesstaat Nevada erfolgt und von einem portugiesischen Anwalt Ronaldos unterzeichnet worden. Der Spiegel schreibt, die Bitte um eine Stellungnahme Ronaldos sei vom Münchner Anwalt Johannes Kreile beantwortet worden: "Die Anschuldigungen, die ihre Fragen nahelegen, sind aufs Schärfste als unzutreffend zurückzuweisen." Das Management Ronaldos war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. sz

In der Champions League hatte er seit September nicht mehr getroffen, in Spaniens Liga war er zuletzt vier Spiele lang ohne Torerfolg. Manch Madridista fragte sich, ob es clever war, Ronaldos Vertrag bis 2021 zu verlängern - und ihn damit 2016 laut Fachzeitschrift France Football zum bestbezahlten Fußball-Profi der Welt zu machen, mit insgesamt 87,5 Millionen Euro Jahreseinkommen, Werbeeinnahmen inklusive (zum Vergleich: Messi kam auf 76,5 Millionen Euro). Vorgerechnet wurde Ronaldo aber auch, dass ihm in dieser Saison durchschnittlich nur alle 100 Minuten ein Dribbling gelang - und damit weit seltener als in den drei vorangegangenen Spielzeiten (38,57 und 62 Minuten). Doch allmählich drängt sich der Eindruck auf, dass Ronaldo sich gerade neu erfindet.

Während sein Dauerrivale um den Titel des weltbesten Fußballers, Lionel Messi, 29, sich zunehmend als Organisator gefällt, macht Ronaldo, 32, auf seine alten Tage einen Schritt nach vorn. Die Tore gegen Bayern schoss Ronaldo per Direktabnahme im Strafraum - ein Stilmittel, mit dem er in dieser Saison 61 Prozent seiner Treffer erzielt hat; das ist der Höchstwert in seiner Karriere. Zu Beginn seiner Zeit in Madrid, in der Saison 2009/2010, schoss er noch häufiger aus der Distanz (135) als im Strafraum (108). In dieser Saison kam er auf 132 Strafraum-Abschlüsse gegenüber nur 62 Fernschüssen.

Doch nicht nur das hat sich geändert. "In den vergangenen Jahren war ich zum Saisonende hin immer am Limit, hatte Verletzungen. Jetzt habe ich mich gezielt darauf vorbereitet, in den letzten beiden Monaten gut drauf zu sein. Ich fühle mich frischer", sagte Ronaldo. Seine Trainingsroutine habe er beibehalten, er mache aber "spezifischere Übungen". Schon länger hatten ihn die Ärzte gewarnt, seine gigantische Oberkörper-Muskulatur helfe ihm nicht im Fußball, belaste aber die Knie. Er selbst räumte unlängst mit der Mär auf, täglich 3000 Sit-ups zu machen, um die Bauchmuskeln zu stählen. Er belasse es vier- bis fünfmal pro Woche bei je 200 bis 300, sonst leide der Rücken. Das dürfte immer noch reichen, um einen wie in Wachs gegossenen Six-Pack zu haben. Und in Summe hilft es ihm wohl, explosiv zu sein wie in München. Aufs Rückspiel gegen die Bayern am Dienstag in Madrid blickt er jedenfalls voller Vorfreude. "Ich hoffe, noch mal zwei Tore zu schießen", sagte er.

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