Cricket:Kein Mord an Bob Woolmer

Nach drei Monaten und über 400 Vernehmungen stellt Jamaikas Polizei fest: Pakistans Cricket-Nationaltrainer wurde nicht ermordet.

Am 18. März wurde Bob Woolmer tot in seinem Hotelzimmer in Kingston/Jamaika aufgefunden, am 4. Mai im engsten Familienkreis an seinem Wohnort Kapstadt feuerbestattet, aber erst am Dienstag, dem 12. Juni, wurde der obskure Fall des südafrikanischen Crickettrainers von den Behörden abgeschlossen - allerdings mit einem völlig anderen Ergebnis als erwartet: Woolmer, Coach der pakistanischen Auswahl, sei während der Cricket-WM nicht Opfer eines Verbrechens geworden, sondern eines natürlichen Todes gestorben, erklärte die jamaikanische Polizei.

Bob Woolmer

Nicht vergiftet, nicht erwürgt: Bob Woolmer ist eines natürlichen Todes gestorben.

(Foto: Foto: AP)

Weil der Vorfall sich nach dem überraschenden Scheitern der Pakistani am irischen Außenseiterteam ereignete, war der Verdacht entstanden, es könne sich um den Racheakt einer international operierenden Wettmafia gehandelt haben. Ein anderes Gerücht besagte, der 58-Jährige habe eine Champagnerflasche von einem Spieler bekommen, deren Inhalt mit Pflanzenschutzmittel oder Schlangengift versetzt war, und sei damit vergiftet worden oder betäubt, bevor man ihn zu Tode strangulierte.

Erwürgen war zunächst von den jamaikanischen Behörden als Todesursache angegeben worden und wurde jetzt zurückgenommen, nach monatelangen Recherchen von südafrikanischen und kanadischen Pathologen. Vorangegangene Untersuchungen hatten bereits keinerlei toxikologischen Befund ergeben, wodurch die Vergiftungstheorie haltlos wurde.

Das ursprünglich als Indiz für den Mord angesehene Detail schließlich wurde mit einer simplen Röntgenaufnahme entkräftet: Ere Seshaiah, der von der jamaikanischen Regierung mit der Untersuchung beauftragte Pathologe, hatte im Mai als Ergebnis seiner Untersuchung erklärt, dass Woolmers Zungenbein gebrochen sei, was ein eindeutiges Indiz für Tod durch Erwürgen sei.

Tatsächlich war aber bei der ersten Autopsie das Zungenbein - ein bügelförmiger, von Muskeln und Bändern gehaltener Knochen oberhalb des Kehlkopfes - überhaupt nicht freigelegt worden, und das von Jamaikas höchstem Ermittler Mark Shields (einem ehemaligen Scotland-Yard-Ermittler) veranlasste Röntgenbild zeigt, dass der Knochen nicht gebrochen ist.

"Wir akzeptieren diese Ergebnisse und schließen damit unsere Untersuchungen zum Todesfall von Bob Woolmer", erklärte Lucius Thomas, Leiter der jamaikanischen Polizeibehörde JCF. Mehr als 400 Personen waren zu dem Fall vernommen worden, von allen Mitgliedern der pakistanischen Mannschaft wurden Fingerabdrücke genommen, und auch ihre irischen Bezwinger hatten DNS-Proben abgeben müssen, bevor sie das Land verließen.

Es habe keinerlei Behinderung der Untersuchungen durch Spieler oder Management gegeben, lobte Polizeichef Thomas, die Mitglieder des pakistanischen Teams aber erwarten nun schon zumindest eine Entschuldigung, erklärte Kapitän Inzamam-ul-Haq: "Wir Spieler gingen durch die Hölle, und alles wegen eines falschen Verdachts. Dafür muss doch irgendjemand verantwortlich sein!"

Das wäre Mark Shields, der im ersten Bulletin Bob Woolmer zum Opfer eines Gewaltverbrechens erklärte. Allerdings brachte er anschließend die Nachuntersuchung in Gang und erklärte nach deren Ende, warum das alles sich so lange hingezogen hatte: "Das war ein außerordentlicher Fall, nicht in 45 Minuten zu lösen wie in einer Fernsehserie. Alles, was wir tun konnten, war, eine gründliche Untersuchung durchzuführen." Zum Ergebnis meinte in Kapstadt Gill Woolmer, die Witwe: "Es ist eine Erleichterung für uns zu wissen, dass Bob eines natürlichen Todes gestorben ist. Jetzt ist es vorüber - endlich."

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