Von der Urlaubsinsel Sylt aus wollte Hans-Joachim Watzke am Freitag noch immer keine Bestätigung für den Transfer geben, den Borussia Dortmund offenbar nun vollzogen hat. "Aber wenn die beiden italienischen Klubs es schon selbst an die Presse geben", räumte BVB-Chef Watzke süffisant ein, "dann könnte es natürlich stimmen." Tatsächlich hatten Juventus Turin und der FC Turin, die sich die Transferrechte von Italiens aktuellem Torschützenkönig Ciro Immobile bisher teilen, inoffiziell bestätigt, sie hätten sich auf "Bedingungen für den Verkauf" des Jung-Nationalspielers nach Dortmund geeinigt.
Auch Immobiles Berater Marco Sommella bestätigte am Freitag der SZ, dass es zwar noch keinen genauen Zeitplan für die Unterzeichnung der Verträge gebe, der Wechsel aber beschlossene Sache sei. Immobile ist derzeit mit Italiens Nationalteam im Trainingslager in der Toskana, in der Nähe von Florenz. Am Samstag reist er mit der Mannschaft nach London, wo Italien ein Testspiel gegen Irland bestreitet.
Frühestens am Sonntag oder Montag könnte der 24-Jährige für den offiziellen Akt der Vertragsunterzeichnung beim BVB zur Verfügung stehen, bevor es am 5. Juni Richtung Brasilien geht. Es soll sich dabei um einen Fünf-Jahres-Vertrag handeln, mit einem Gehalt von angeblich rund 3,5 Millionen Euro. Allerdings sind in Dortmund die Verträge stark leistungsbezogen.
Mit dem Torjäger, das hatten Sommella und Dortmunds Verantwortliche seit Wochen durchblicken lassen, hatte man schon seit einiger Zeit Einigung erzielt. Auch Juventus Turin war offenbar längst mit dem BVB einig. Umberto Cairo, Medienunternehmer und Präsident des kleineren Klubs FC Turin, für den Immobile in der abgelaufenen Serie-A-Saison 22 Tore erzielt hatte, blockierte aber zunächst das Geschäft.
Nach gut sechswöchigem Ringen um den gebürtigen Neapolitaner soll die Ablösesumme nun insgesamt 18,5 Millionen Euro betragen. Rein technisch gibt der FC Turin Immobile zunächst für 9,5 Millionen an Juventus zurück, Juve ist dann der offizielle Verkäufer an Dortmund. Als Nebeneffekt des Transfergezerres hat der italienische Liga-Verband FIGC just in der vergangenen Woche das "Doppeleigentum" an Spielern verboten - ab Sommer 2015.
"Er passt perfekt zu Dortmund."
Der BVB hat damit gleich zwei Torjäger als Nachfolger für Bundesliga-Torschützenkönig Robert Lewandowski angeheuert, der ablösefrei zum FC Bayern wechselt. Der Kolumbianer Adrian Ramos von Hertha BSC (16 Saisontore) steht schon länger als Zugang fest, Ciro Immobile wird aber noch mehr zugetraut, in die Fußstapfen von Lewandowski zu treten.
Luca Toni, der frühere Bayern-Stürmer, der in der abgelaufenen Saison mit 20 Treffern für Hellas Verona Immobile in der Serie-A-Torjägerliste am engsten auf den Fersen geblieben war, lobte Immobile über den grünen Klee: "Er ist der beste der jüngeren Spieler in Italien, er passt perfekt zu Dortmund, er ist schnell, torgefährlich - und er läuft mehr als ich." Nach Einschätzung von Luca Toni habe Immobile beim BVB das Zeug dazu, zu einer Weltkarriere abzuheben.
Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc hatte Immobile schon seit fast drei Jahren von der Scouting-Abteilung der Borussia beobachten lassen. Immobile war mit 18 Jahren aus Torre Annunziata bei Neapel zu Juve gewechselt, wurde dann aber jedes Jahr an einen anderen Klub ausgeliehen. 2012 schlug Immobile bei Pescara ein und trug mit 28 Treffern als Zweitliga-Torschützenkönig zum Aufstieg bei. Immobile spielte unter anderem für Italiens U21- Nationalteam, gemeinsam mit dem derzeitigen Leverkusener Giulio Donati und dem jetzigen Bremer Luca Caldirola.
Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli beförderte Immobile allerdings erst in diesem Frühjahr in die A-Nationalmannschaft und will ihn auch mit zur WM nach Brasilien nehmen. In einem Zwei-Stürmer-System dürfte Immobile an diesem Samstag gegen Irland gemeinsam mit Giuseppe Rossi eine Bewährungschance bekommen. Immobile könnte nach seiner grandiosen Serie-A-Saison auch in Brasilien den umstrittenen Mario Balotelli aus Prandellis Stammelf verdrängen. Ob Immobile für das vom Dortmunder Trainer Jürgen Klopp bevorzugte 4-2-3-1-System mit nur einem Stoßstürmer ideal geeignet ist, muss sich erweisen. Denkbar ist aber auch, dass Dortmund künftig häufiger als bisher mit zwei echten Stürmern spielt.
Der blonde, 1,85 Meter große Immobile gilt als extrem disziplinierter, taktisch besonders gut ausgebildeter Stürmer. "Ein absoluter Torjäger", wie Dortmunds Chefscout Sven Mislintat meint. Mit seinen besonderen Qualitäten im Torabschluss muss Immobile sich hinter Lewandowski nicht verstecken, aber auch mit seiner in Italien gerühmten Verteidigungs-Arbeit nicht. Er hatte jüngst auf einer Pressekonferenz von Borussia Dortmund als "einem der besten europäischen Klubs" geschwärmt.
Über die Bundesliga hätten ihm seine Kollegen Donati und Caldirola "Wunderdinge" berichtet. Immobile hatte erst jüngst seine Lebensgefährtin Jessica Melena geheiratet, mit der er eine einjährige Tochter hat. Gegenüber Freunden kündigte er bereits am Rande der Hochzeit an, man werde jetzt "nach Dortmund umziehen" und wolle "noch vor der WM die Verhältnisse ordnen".
