Christian Ziege bei Atlètic Balears:Noch mehr Deutsche auf Mallorca

SpVgg Unterhaching v Holstein Kiel  - 3. Liga

Christian Ziege - hier noch Trainer in Unterhaching

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der ehemalige Nationalspieler Christian Ziege übernimmt das Trainer-Amt bei einem spanischen Drittligisten. Die Anhänger begegnen ihm mit Skepsis. Von "Germanisierung" ist die Rede.

Von Javier Cáceres

Die Tage, da aus den Reihen der CSU die imperialistische Idee vorgetragen wurde, der Deutschen liebste Urlaubsinsel zum 17. Bundesland zu erklären, liegen nun zwar auch schon wieder ein paar Jahre zurück. Andererseits: Ob sich die Bewohner Mallorcas von diesem Schock schon erholt haben?

Geschätzt 30 000 Deutsche leben, zumeist im Einklang mit den örtlichen Gesetzen und Gepflogenheiten, auf der Insel; die Zahl der Stipp-Visiten, die dem Mittelmeervolk röhrend und reihernd die Vorzüge zentraleuropäischer Leitkultur näherbringen, entspricht einem Vielfachen jener Zahl - und seit einiger Zeit ist sogar die liebste Freizeitbeschäftigung der Eingeborenen, der örtliche Profi-Fußball, fest in deutscher Hand.

Beim Zweitligisten RCD Mallorca führt der Hannoveraner Unternehmer Utz Claassen das Regiment, er entließ gerade den früheren spanischen Nationalspieler Albert Ferrer als Trainer; und der zurzeit drittklassige CD Atlètic Balears wiederum ist in der Hand des Berliner Hoteliers Ingo Volckmann, der in dieser Woche ebenfalls einen Trainer verschliss, einen Argentinier namens Gustavo Siviero. Und dieser Volckmann holte jetzt einen früheren deutschen Nationalspieler als Coach: Christian Ziege, 43. "El Atlètic se germaniza", konstatierte die Zeitung Diario de Mallorca: Atlético wird germanisiert.

"Ein bisschen übertrieben" sei das schon, sagt Atlètics Verteidiger Malik Fathi über die Freisprechanlage seines Autos ins Handy. Andererseits: Fathi ist neben Michael Wiemann (früher Hansa Rostock), Thilo Leugers (früher Twente Enschede) und dem einstigen St.-Pauli-Torwart Benedikt Pliquett einer von vier deutschen Spielern in der Mannschaft - und das in einer Liga, die kaum importierte Arbeitskräfte kennt. Torwarttrainer Klaus Nemeth hat ebenfalls einen deutschen Pass, wie auch der erst 25 Jahre alte Sportdirektor Patrick Massow.

Ciro Krauthausen, Chefredakteur der deutschsprachigen Mallorca-Zeitung, berichtet, dass das deutsche Fußball-Engagement bislang "wohlwollend und ein Stück weit auch dankbar registriert" worden sei; immerhin hat Volckmann den Klub mit einem offenbar längst siebenstelligen Betrag aus seinem Privatvermögen vor dem Exitus gerettet. "Aber ich habe erstmals das Gefühl, die Stimmung könnte kippen", sagt Krauthausen.

In der Kabine nicht so gut angekommen

FUSSBALL SEGUNDA DIVISION B 27 09 2015 ATLETICO BALEARES vs RCD ESPANYOL BARCELONA B BENEDIKT

Man spricht deutsch: Torwart Benedikt Pliquett war vor nicht einmal fünf Jahren für den FC St. Pauli ein Derby-Held, als er half, den HSV mit 1:0 zu bezwingen.

(Foto: Rene Schulz/imago)

In örtlichen Medien heißt es, dass Volckmanns Entscheidung, Trainer Siviero gegen Ziege auszutauschen, in der Kabine nicht so gut angekommen sei - trotz der Reputation des früheren Bayern- und Milan-Profis; geraunt wird, Siviero sei vor allem deshalb entlassen worden, weil er nicht alles tat, was der Gönner Volckmann wollte.

Andererseits: Volckmann gilt nicht nur als der Finanzier, der für einen der mit angeblich mehr als zwei Millionen Euro höchsten Etats der drittklassigen Liga steht, sondern auch als derjenige, der den Ehrgeiz eines bemerkenswerten Klubs am Leben hält. Auch wenn die besten Zeiten des Vereins - das heißt: die wenigen Spielzeiten in der zweiten Liga - nun schon über 50 Jahre zurückliegen und der traurige Umzug aus dem baufälligen Estadio Balear nach Son Malferit die potenziellen Zuschauerzahlen von 18 000 auf 1500 herunterschraubten, so gilt er doch als der Kult-Klub der Inselhauptstadt. Denn anders als RCD Mallorca zieht der in Palmas Problemvierteln wie Son Coc oder Son Gotleu beheimatete Atlètic Balears nicht die begüterten Bauunternehmer und andere Neureiche an, sondern eine kleine, aber treue Schar Aufrechter. Beim bislang letzten vergeblichen Versuch, vor ein paar Jahren in die zweite Liga aufzusteigen, waren immerhin 10 000 Zuschauer im Stadion.

Die Atlètic-Fans hängen einem Team an, das laut Fathi durchaus das Potenzial hat, es zumindest wieder in die Aufstiegs-Playoffs zu schaffen. Zurzeit steht Atlètic in der Gruppe C der Segunda División B auf dem vierten Tabellenplatz - der immerhin zur Playoff-Teilnahme berechtigen würde. Der Ehrgeiz sei berechtigt, sagt Fathi, der mal zwei A-Länderspiele für Deutschland bestritten hat. "Hier sind Spieler, die vielleicht nicht meine Vita haben, aber sehr wohl meine Qualität." Das Niveau sei mit der dritten Liga in Deutschland durchaus vergleichbar. Fathi ist auch fasziniert von dem Gedanken, mit Ziege zusammenzuarbeiten. "Von seiner Erfahrung werden wir zehren können", sagt der einstige Hertha-Profi und Russland-Legionär.

Die Mallorquiner aber wird Ziege wohl erst noch erobern müssen: Dort ist man gespannt darauf, wie sich der deutsche Alt-Internationale in einer Kabine schlägt, deren Sprache er nicht spricht. Und wie er in einer Liga zurechtkommt, die er aus eigener Anschauung kaum kennen kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: