Christian Nerlingers Entlassung beim FC Bayern:Verstoß gegen die Hausregeln

Christian Nerlinger muss als Sportdirektor des FC Bayern gehen - und es bleibt die Frage nach den Gründen. Offiziell heißt es, wegen "unterschiedlicher Auffassungen", doch das scheint nur die halbe Wahrheit zu sein. Intern hatte er als Hoeneß-Nachfolger ein umstrittenes Standing - auch das Elfmeterschießen gegen Chelsea könnte ihn gestürzt haben.

Johannes Aumüller und Andreas Burkert

45 Tage ist es her, dieses Elfmeterschießen, das den FC Bayern so nachhaltig verstört hat, dass in gar nicht so ferner Zukunft die Münchner Vereinsgeschichte wohl in zwei Abschnitte unterteilt werden könnte: die Zeit vor diesem Ereignis - und die Zeit danach.

Sammer erstezt Nerlinger als Sportdirektor beim FC Bayern

Zeit zum Aufhören: Christian Nerlinger muss seinen Posten als Bayern-Sportdirektor räumen.

(Foto: dapd)

Die Klubspitze hat dabei vieles nicht verstanden, etwa warum manche Spieler partout nicht antreten wollten, weshalb die Moderation der Schützenauswahl so merkwürdig ablief oder Sportdirektor Christian Nerlinger im Zwirn eher teilnahmslos umhermarschierte. Warum alles ganz anders ablief, als es der klubinterne Katechismus des Bayern-Gens verlangt.

Jetzt schlägt sich diese verstörte Stimmung in der ersten großen Entscheidung nieder: Christian Nerlinger, 39, muss Matthias Sammer weichen. Natürlich nicht nur wegen eines verlorenen Elfmeterschießens, es hatte sich manch anderer Unmut aufgebaut. Aber vielleicht auch wegen des Elfmeterschießens.

An diesem Montag ist die Personalie verkündet worden, doch zumindest der Nerlinger-Teil dieses Wechsels wurde schon vor längerer Zeit entschieden. Bereits in der Woche nach dem verlorenen Finalabend gegen den FC Chelsea haben sich die wichtigsten Münchner Führungskräfte zu einer Zusammenkunft versammelt, um die Zukunft zu planen.

Sie haben miteinander Tacheles geredet, und sie haben auch wichtige Spieler befragt. Und schon damals, so heißt es jetzt in einer Pressemitteilung des Vereins, hätten der FC Bayern und Nerlinger wegen "unterschiedlicher Auffassungen über das Konzept für die Zukunft" die Trennung zur neuen Saison vereinbart.

Nur sollten es der Rest der Republik und die (meisten) Nationalspieler noch nicht wissen, um nicht das EM-Turnier mit einer großen Unruhe zu überlagern. Die jüngsten Vorgänge wie beispielsweise die Verpflichtung des kroatischen Stürmers Mario Mandzukic vom VfL Wolfsburg bearbeitete Nerlinger im Wissen um seinen baldigen Abschied.

Eine eher blasse Ära

2009 hatte er das Sportdirektoren-Amt übernommen. Sportchef beim FC Bayern zu sein, ist eine der schönsten Aufgaben des Fußballs. Aber zugleich ist es eine der schwierigsten, vor allem, wenn die Übernahme des Amtes unmittelbar auf die imposante Ära eines gewissen Uli Hoeneß erfolgt. Nerlinger hatte einige Vorzüge, er war integrer Teil der Bayern-Familie gewesen, und er hatte nach seinem Karriereende BWL studiert. Hoeneß lernte ihn an.

Im Team war Nerlinger zwar beliebt. Doch im Umfeld begleitete ihn bald ein gewisses Unbehagen. Ein neues Jugendkonzept sollte er entwickeln, doch lange tat sich in diesem Bereich nichts. Nicht jeder Transfer unter seiner Verantwortung glückte, manch intern eingeplanter Deal blieb aus.

Sein Verhandlungsgeschick geriet offenbar in Zweifel, überhaupt entwickelte Nerlinger kein eigenes Profil, was allerdings im Schatten der Klubikonen schwer ist. Im Herbst 2010 war es zudem zu einer ersten Unstimmigkeit gekommen, als er sich im Zwist zwischen der Chefetage und dem damaligen Trainer Louis van Gaal zunächst auf Seiten des Niederländers positionierte.

Doch trotz all dieser Entwicklungen gaben sich die Bayern-Bosse zumindest öffentlich mit Nerlingers Arbeit zufrieden: Noch auf der Jahreshauptversammlung im November, als der FC Bayern nach einer starken Saisonphase die Tabelle anführte, hatte der Vorstand eine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2014 verkündet - und angedeutet, dass Nerlinger bald einen Platz im Vorstand bekommen könnte. Den Platz in diesem Gremium erhält nun Sammer, der sich sogar Sportvorstand nennen darf.

Im Frühjahr drehte sich das Spiel gegen Nerlinger. Weil er zum Beispiel im März nach der Niederlage in Leverkusen acht Spieltage vor Schluss und angesichts eines Sieben-Punkte-Rückstandes auf Dortmund sagte: "Ab dem heutigen Tag müssen wir sicherlich nicht mehr von Meisterschaft reden." Das verärgerte vor allem Hoeneß sehr. Wie auch Nerlingers kolportierte Ansicht, die Arbeit von Trainer Jupp Heynckes entspreche nicht mehr modernsten Anforderungen. Und dann kam es auch noch zum Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea.

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