Chelsea-Boss Roman Abramowitsch:Oligarch von der Schlossallee

Im Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und dem FC Chelsea geht es nicht nur darum, wer den Cup holt - sondern auch um die Frage, ob es sich lohnt, einen Fußballklub einfach zu kaufen. So wie es Roman Abramowitsch, der Junge aus Russlands eiskaltem Norden, mit dem FC Chelsea tat.

Frank Nienhuysen, Moskau

Vielleicht wäre es nach dem Finale ein großer Trost, versunken auf diese gemalte Verzweiflung zu starren, auf diese Ohnmacht in Öl. Als sich kürzlich für ein spektakuläres Angebot der Transfermarkt öffnete, da hieß es gleich: Jetzt will Roman Abramowitsch auch noch den Munch kaufen. Für fast 120 Millionen Dollar wurde bei Sotheby's das berühmte Bild Der Schrei ersteigert, und wenn es stimmt, was der russische Sender NTW lancierte, hatte Abramowitsch durchaus Interesse an der Auktion. Seine Freundin Darja Schukowa ist eine große Kunstliebhaberin, sie besitzt in Moskau eine eigene, sehr bekannte Galerie.

Roman Abramowitsch FC Chelsea

Sehr früh sehr reich: Roman Abramowitsch, 45.

(Foto: imago sportfotodienst)

Und überhaupt: Dem russischen Milliardär, der in all den Jahren ein großer Schweiger und ein undurchsichtiger Mensch geblieben ist, traut man alles zu. Eine eigene Boeing, Yachten, wertvolle Kunstwerke, mit dem FC Chelsea einen der besten Klubs der Premier League. Warum sollte er sich nicht in aller Stille auch noch den Schrei sichern?

Doch bei aller Wertschätzung: Was wäre das Meisterwerk des norwegischen Malers schon im Vergleich zu dem schlichten silbernen Henkelpott, dieser Trophäe des Ruhms, um die es an diesem Samstag geht? Die sich Abramowitsch nicht einfach leisten kann wie einen Munch, einen Orientteppich oder einen Langzeit-Vertrag mit Didier Drogba? Nicht mit Geld, nicht mit Beziehungen, nicht mit kaufmännischem Gespür. Zumindest nicht allein damit. Dieser fehlende Pokal der Champions League ist vielleicht das einzige greifbare Symbol dafür, dass auch die finanzielle Macht des Roman Abramowitsch noch an Grenzen stößt. "Geld bringt nicht unbedingt Glück. Unabhängigkeit ja - zu einem gewissen Grad", hat er einmal gesagt.

An diesem Samstag geht es nicht allein um den Sieg von Chelsea oder des FC Bayern. Sondern auch um die Frage, ob sich die vielen investierten Millionen doch noch rentieren, um den Wert des neuzeitlichen Mäzenatentums, des hemmungslosen Prassens, für das Abramowitsch steht wie kaum ein anderer Milliardär. Als er sich entschlossen hatte, einen Fußballverein zu kaufen, musste es ja nicht unbedingt der FC Chelsea sein. Er hätte ebenso gut Manchester United kaufen können, für das er sich anfangs interessiert hatte. Auch einen Klub aus Italien konnte er sich vorstellen. Es sollte nur Europa sein, wie die Russen über den Westen wie über einen fernen Kontinent sagen, obwohl sie ja selber ein Teil Europas sind. Dass es Chelsea wurde, hat sich dann einfach so ergeben. Der damalige Präsident Ken Bates hatte sich schwer übernommen und brauchte dringend Geld - und Abramowitsch hatte genau dieses Geld. Wie er daran kam, ist eine sehr russische Geschichte.

Der erste, kleine Geldberg

Roman Abramowitsch, 45, wurde sehr früh sehr reich. Aber er wurde nicht etwa als Sohn eines gesetzten Parteifunktionärs in Moskau oder eines Sowchose-Leiters geboren; er wuchs in Uchta auf, einer unwirtlichen Stadt im Norden Russlands, die 1300 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt und in der es im Winter minus 40 Grad haben kann. Als er eineinhalb war, starb seine Mutter, als er vier war, sein Vater. So war es der gewiefte Onkel, bei dem er sich als Knirps, später als Jugendlicher abschaute, wie man sich etwas verdiente. Später pendelte Abramowitsch zwischen Moskau und Uchta, kaufte in der Hauptstadt Jeans, Pralinen und Parfüm, flog damit in die nordrussische Provinz und verkaufte es dort mit sattem Gewinn. So häufte er seinen ersten kleinen Geldberg an, von dem er sich immerhin einen Lada leistete.

Als Michail Gorbatschow während der Perestroika private Unternehmen erlaubte, gründete Abramowitsch eine Firma, verkaufte Gummipuppen und verarbeitete Altreifen. Das reichte, um weiterzukommen. Als er in das Diesel- und Ölgeschäft einstieg, war Abramowitsch gerade mal Mitte 20 und die Sowjetunion ein Jahr tot. Es war die Zeit, als aus tausend Dollar schnell 50.000 wurden, aus 100.000 eine Million, und aus einer Million eine Milliarde. Abramowitsch wurde in den wilden Kapitalistenjahren auch deswegen reich, weil er rechtzeitig die richtigen Bekannten traf, hohe Funktionäre beim russischen Zoll, den Banker Pjotr Awen, den Unternehmer Boris Beresowskij und Tatjana Djatschenko, die Tochter von Boris Jelzin.

Er gewann Anteile in einem Aluminiumkonzern und bei Aeroflot, seinen größten Sprung aber machte er, als er sich im Zuge der Privatisierung für vergleichbar wenig Geld entscheidende Anteile am Ölunternehmen Sibneft sicherte, das schon ein paar Jahre später 15 Milliarden Dollar wert war. "Abramowitsch ist beim Monopoly-Spiel auf der Schlossallee gelandet", sagte der Hermitage-Capital-Chef William Browder einmal über ihn.

Geld, Macht und Politik - kaum irgendwo war dieses Geflecht so dicht gewebt wie im Russland der neunziger Jahre, als der Staat zerbrach und die Oligarchen an Einfluss gewannen wie einst die Medici in Florenz. Abramowitsch & Co. sorgten mit ihrem Geld dafür, dass der klamme Staat überlebte und dass Boris Jelzin in der Stichwahl gegen den Kommunistenchef Gennadij Sjuganow als Präsident wiedergewählt wurde. Dafür gewährte der Kreml ihnen Anteile an den Schlüsselunternehmen des Landes und ließ sie ihre Geschäfte machen. Bis im Jahr 2000 Wladimir Putin kam, der vormalige Chef des Geheimdienstes.

Dienste am russischen Vaterland

Putin setzte neue Akzente, wollte den Staat aus der Umklammerung durch die Superreichen lösen und ihre Macht brechen. Geschäfte sollten sie machen, das ja, aber keine Politik. Michail Chodorkowskij wollte auf diesen Deal nicht eingehen und wurde verhaftet. Roman Abramowitsch hat sich gefügt. Sein Verhältnis zu Putin war schon immer etwas enger gewesen.

Als Wladimir Putin kurz vor seiner ersten Präsidentschaft - damals noch als Premier - seine erste Regierung zusammenstellte, war es dieser unscheinbar wirkende, erst 30 Jahre alte Abramowitsch, der mit jedem der künftigen Minister zunächst ein Gespräch führte, wie der bekannte russische Journalist Alexej Wenediktow erzählte. Trotz der guten Beziehungen zu Putin dachte sich Abramowitsch wohl, sicher sei sicher - und kaufte den Fußballklub FC Chelsea. Während er viele seiner russischen Geschäftsbeteiligungen abstieß, übernahm er 2003 fast alle Aktien des englischen Traditionsvereins, er tilgte dessen Schulden und holte Spieler wie Joe Cole, Juan Veron und Claude Makelele, später auch Michael Ballack. Der Londoner Klub und der Umzug in die britische Hauptstadt galten Abramowitsch ganz offenbar als eine Art Versicherung, falls doch die russische Staatsanwaltschaft auf ihn zugreifen wollte.

Das tat sie dann aber nicht. Dafür leistete Abramowitsch, vielleicht gedrängt und genötigt, auf seine Art Dienste am russischen Vaterland. Im unwirtlichen Tschukotka im Fernen Osten machte Putin ihn zum Gouverneur, und Abramowitsch investierte fleißig - in die Region und in die gute Zusammenarbeit mit dem Kreml. Er ließ ein Krankenhaus und Schulen renovieren, modernisierte den Flughafen und spendierte Kindern Flüge zur Erholung am Schwarzen Meer.

"Wir haben ihnen die Arena tatsächlich geschenkt"

Und doch missfiel es Präsident Wladimir Putin, dass Roman Abramowitsch den Londoner Klub an der Stamford Bridge zu einer der besten Adressen in Europa machte, während der russische Fußball spektakelfrei vor sich hin rollte. Jetzt sollte dieser auch den heimischen Sport ein wenig pflegen. Über einen Sponsorenvertrag mit seinem Ölkonzern Sibneft erhielt ZSKA Moskau mehr als 50 Millionen Dollar. Den niederländischen Trainer Guus Hiddink suchte Abramowitsch eigens auf dem Vereinsgelände von PSV Eindhoven auf, um bei einem Tee mit ihm über den Trainerposten bei der Sbornaja, der russischen Nationalmannschaft, zu sprechen. Hiddink ließ sich überzeugen, den Hauptteil des Gehaltes übernahm Abramowitsch selbst. Inzwischen ist Hiddink Trainer des russischen Klubs Anschi Machatschkala, der einen eigenen Milliardär als Präsidenten hat, Suleiman Kerimow.

Aber auch Abramowitsch spielt immer noch mit im russischen Sport. Vor vier Wochen erst ließ er von einer weiteren Wohltätigkeit berichten. Seine in London ansässige Investitionsfirma Millhouse, deren Büro praktischerweise im selben Gebäude wie der FC Chelsea liegt, übergab die von ihr gebaute Arena Omsk dem örtlichen Eishockey-Klub Avangard. Es hatte 70 Millionen Dollar gekostet, aber jetzt war es offensichtlich Zeit, das Stadion zu übergeben. "Wir haben ihnen die Arena tatsächlich geschenkt", erklärte Abramowitschs Sprecher. Und auch der Unternehmer selbst will zeigen, dass er sein Geld nicht nur in Großbritannien ausgibt. "Ich habe für die Entwicklung des russischen Fußballs etwa 120 Millionen Dollar ausgegeben", sagte Roman Abramowitsch rechtfertigend bei einem Gerichtsverfahren in London, in dem sich der drittreichste Bewohner Großbritanniens derzeit in einem Oligarchen-Prozess mit seinem früheren Geschäftspartner Boris Beresowskij streitet - dieser fühlt sich von Abramowitsch über den Tisch gezogen.

Wenn Abramowitsch mit seinem Anwalts- und Leibwächtertross über die Straßen von London zum Gericht schlendert, sind das derzeit die wenigen Bilder, in denen der Milliardär in einem Anzug mit Krawatte zu sehen ist. Man sieht ihn sonst ja nur grobkörnig und leicht unrasiert aus der Ferne, wenn die Kamera ihn heranzoomt von den großen Fußball- Tribünen Europas. Abramowitsch wird natürlich auch am Samstag in der Münchner Arena sitzen, wenn sich sein vorerst letzter verbliebener Wunsch endlich erfüllen soll. Er wäre dann mit 45 Jahren wohl an seinem Ziel, aber neue werden schon bald auf ihn warten. In sechs Jahren findet in Russland die Fußball-WM statt, und dass er auch dabei eine unbescheidene Rolle spielen wird, das hat Roman Abramowitsch dem Staatschef Putin bereits versprochen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: