Chefsuche im deutschen Davis-Cup-Team:Stunde der Schwätzer

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In der Debatte um die Nachfolge von Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen geht es zu wie am Speakers Corner im Londoner Hyde Park: Wer will, kann den Mund aufreißen. Dabei sind die Einlassungen vieler Ex-Profis alles andere als gut für das deutsche Tennis.

René Hofmann

Wer wird sein Nachfolger? Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen ist nicht mehr im Amt.  (Foto: dpa)

Abschiede bieten Gelegenheiten zur Rückschau, und so ist in diesen Tagen wieder ein Foto aus dem September des Jahres 2002 aufgetaucht. Auf dem Bild sind fünf Männer zu sehen, die sich mit entschlossenen Blicken ordentlich nebeneinander aufgestellt haben. Tommy Haas steht da, die langen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Nicolas Kiefer hat die Schnürsenkel offen und trägt Drei-Tage-Bart. Flankiert werden die beiden von David Prinosil und Rainer Schüttler. In der Mitte wacht Patrik Kühnen.

Der Schnappschuss dokumentiert Kühnens ersten Einsatz als Davis-Cup-Teamchef bei der Partie gegen Venezuela in Karlsruhe, zu dem der einstige Tennis-Profi damals recht unverhofft gekommen war - weil ein anderer Ex-Profi unvermittelt den Job hingeschmissen hatte. Kühnens Vorgänger war Michael Stich gewesen. Dessen Idee, für die leichte Relegations-Partie noch einmal seinen alten Rivalen Boris Becker zu aktivieren, um dem Wettbewerb etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, hatte wenig Anklang gefunden. Beleidigt zog Stich sich daraufhin zurück. Er hinterließ eine zerrüttete Mannschaft und auch sonst wenig Erinnernswertes.

Genau jener Michael Stich hat sich jetzt zu Wort gemeldet. In der Sport-Bild schwadroniert er, was ein Sportminister für die Republik alles Gutes tun könne, was die neue Führung des Deutschen Tennis-Bundes alles falsch macht und empfiehlt als Kühnen-Nachfolger einen sehr alten Bekannten: Niki Pilic, den inzwischen 73 Jahre alten Davis-Cup-Veteran. Ernst nehmen muss all das niemand, aber der Beitrag sagt doch so einiges aus, weil er sich in eine Reihe fügt, die tief blicken lässt. Vor Stich hatten sich zum Thema Davis-Cup-Nachfolge bereits mehr oder weniger ungefragt etliche andere Ex-Profis zu Wort gemeldet.

Alexander Waske und Rainer Schüttler ließen Interesse an dem Job erkennen und reichten ihre Bewerbungen quasi öffentlich ein - inklusive freundlicher Hinweise, was aus ihrer Sicht in dem Sport alles falsch laufe. Über Tennis wird so zwar wieder geredet, aber die Art, in der das geschieht, dürfte alles andere als gut sein. Ein bisschen ist es wie am Speakers Corner im Londoner Hyde Park: Wer will, kann den Mund aufreißen. Gebaut hat den Schwätzern die Bühne ausgerechnet der Deutsche Tennis-Bund - indem er Kühnen vergraulte und nicht im Stillen die Nachfolge vorbereitete.

© SZ vom 08.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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