Chaos beim TSV 1860 München:Der Wahlkampf ist eröffnet

Führungskrise bei 1860 München

Bereits im vergangenen Winter hatte 1860-Investor Hasan Ismaik den Rücktritt des Präsidenten gefordert und damit Unruhe ausgelöst.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der TSV 1860 kommt nicht zur Ruhe: Investor Hasan Ismaik gibt Präsident Dieter Schneider die Schuld am gescheiterten Deal mit Coach Sven-Göran Eriksson. Er fordert die Mitglieder auf zur Abwahl des e.V-Präsidiums - sein Wunschtrainer wechselt unterdessen aber lieber nach Dubai zu Al-Nasr.

Von Philipp Schneider

Am Sonntag überschlug sich mal wieder die Meldungslage beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, daran haben sich die meisten gewöhnt, und wäre der Zustand nicht so bedauerlich für all jene Menschen im Verein, die fernab von permanenten Störgeräuschen gerne arbeiten wollen, der Klub wäre ein einziges Fest an begrüßenswerten Pointen. Doch zur Chronologie der Ereignisse, von denen die meisten ziemlich vorhersehbar waren.

Am Morgen meldete sich zunächst Vereins-Investor Hasan Ismaik zu Wort, gleich mehreren Zeitungen - auch der SZ - gab er Interviews, in denen er Stellung zur Posse um Sven-Göran Eriksson bezog. Zu jenem schwedischen Trainer also, den Ismaik gerne verpflichtet hätte - und dessen Engagement der Aufsichtsrat des e.V. am vergangenen Montag auch einstimmig abgesegnet hatte - der aber KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer vor drei Tagen persönlich abgesagt hatte. Ismaik machte Vereinspräsident Dieter Schneider offen für Erikssons Rückzug verantwortlich: "Ihn und seine Unterstützer, ja. Natürlich mache ich Schneider verantwortlich dafür."

Es folgte eine unverhohlene, indirekte Forderung Ismaiks, die Abwahl von Schneider zu forcieren, dessen Rücktritt er schon seit einem Jahr fordert mit stets wiederkehrenden Schüben von Groll. Im Klub geht es, so Ismaik weiter in der AZ, "zu sehr um Politik, kaum um den Sport". Eriksson habe erkannt, "dass 1860 schwere strukturelle Probleme hat. Außerdem ist kein klares sportliches Konzept erkennbar. Das macht es für einen Mann wie ihn schwer".

Seine Äußerungen sind dabei erneut mit einer leicht verqueren Logik versehen: Denn Eriksson wäre ja verantwortlich gewesen für das sportliche Konzept bei 1860. Und in einem Verein ohne Konzept kann ein neuer Trainer eigentlich nur glänzen.

Bei seiner Aufforderung zum Sturz der Klubspitze nahm der Jordanier ausdrücklich und "sehr gerne Otto Steiner und Siegfried Schneider" aus (die nicht Teil des Präsidiums sind) - "die bei den Verhandlungen wirklich bewiesen haben, dass für sie das Wohl des Klubs an erster Stelle steht".

Daher setze er "große Hoffnungen in die Mitgliederversammlung im Frühjahr", so Ismaik: "Ich hoffe, dass dort ein Generationswechsel in der Vereins-Führung stattfindet und Menschen an die Macht kommen, die den Sport und die Entwicklung der Mannschaft in den Vordergrund stellen und weniger interessiert sind an politischen Ränkespielchen."

Auch dieser Plan ist nicht neu. Erstaunlich ist nur, dass der Investor sein politisches Ränkespiel weiter verfolgt. Denn der Kompromissvorschlag enthält nach SZ-Informationen eine Passage, die explizit Ismaiks "vertrauensvollen" Umgang mit allen Vereinsvertretern in Zukunft garantieren sollte. Ismaiks Akzeptanz der gewählten Präsidiumsmitglieder war de facto die ausgehandelte Gegenleistung zur Installation von Eriksson - der nur wenige Stunden später für die nächste Pointe sorgte. Nur drei Tage nach seiner Absage bei 1860 war er sich erstaunlich flott einig geworden mit einem Verein in Dubai.

Wollte Eriksson überhaupt kommen?

Er wird in Zukunft eine Anstellung als Technischer Direktor bei Al-Nasr übernehmen, einem Fußballverein in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo bereits der ehemalige italienische Nationaltorhüter Walter Zenga als Trainer arbeitet. Dabei hatte er sich am vergangenen Montag doch angeblich noch so gefreut auf ein Anstellungsverhältnis bei 1860. "Natürlich kann ich das machen", meinte er damals im Gespräch mit der SZ, ja, er sei "offen für alles". Sechs Tage später war er dann einig mit Al-Nasr - und offen demnach schon viel früher.

Nun ist gegen Hasan Ismaiks Medienkampagne rechtlich nichts einzuwenden, seine wiederholte Aufforderung zur Abwahl des Präsidiums um Schneider ist legitim. Nur stellt sich inzwischen die Frage: Wollte Eriksson zu Beginn der vergangenen Woche tatsächlich noch Trainer bei 1860 werden? Oder war sein Interesse schon damals nur noch vorgeschoben und einer ausgeklügelten Kampagne geschuldet?

Ausgeschlossen ist nichts mehr beim TSV 1860 München; und zumindest in Fankreisen, die nicht mit den Vereinsmitgliedern zu verwechseln sind, wird die Causa Eriksson die Gegner Schneiders wohl beflügeln. Kombiniert man Ismaiks Aussagen mit der Absage des Schweden und den bewusst lancierten Details über den Ablauf der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Montag - in denen Schneider von anderen Vereinsvertretern als "Blockierer" bezeichnet worden war -, so ergibt sich ein recht eindeutiges Bild.

Im Februar werden die Delegierten des Vereins eine neue Satzung beschließen, die eine Abschaffung des Delegiertensystems vorsieht. Danach wird eine Einladung zur Mitgliederversammlung ergehen - die als fortan wichtigstes Gremium ein neues Präsidium wählt. Der Aufsichtsrat des Vereins, der dann Verwaltungsrat heißen wird, genießt dabei das Vorschlagsrecht. Und der Vorsitzende des Gremiums ist jener Otto Steiner - der von Hasan Ismaik in fast euphorischen Worten gelobt wurde. Spätestens seit Sonntag hat der Wahlkampf bei 1860 also endgültig begonnen.

Und so ist es verständlich, dass die einzige sportliche Meldung bei 1860 versumpfte. Denn Alexander Schmidt, der Trainer, dessen Ablösung Ismaik ebenfalls noch immer fordert ("brauchen einen Trainer, der international anerkannt ist"), hat endlich einen Stürmer präsentieren dürfen: Ola Kamara, 23, wechselt vom norwegischen Erstligisten Strömsgodset auf Leihbasis bis Saisonende zu Sechzig. Er ist 1,83 Meter groß, er trägt schwarzes Haar und in den vergangenen 30 Spielen hat er zwölf Tore geschossen. Mag sein, er ist ein toller Fußballer. Mag sein, in einem anderen Verein hätte er mehr Aufmerksamkeit erhalten.

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