Chaos beim Hamburger SV:Klub der Wahnsinnigkeiten

Rafael van der Vaart lässt sich im Trikot des FC Valencia fotografieren, der Trainer lacht sich einen Twitter-Doppelgänger an, dazu die irrwitzige Suche nach einem Sportdirektor: Der Hamburger SV leistete sich in den vergangenen Jahren unglaubliche Geschichten. Die HSV-Dramen im Überblick.

Carsten Eberts

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Hauptversammlung  Hamburger SV

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Chaos beim Hamburger SV:Bernd Hoffmann vs. Dietmar Beiersdorfer

Rafael van der Vaart lässt sich im Trikot des FC Valencia fotografieren, der Trainer lacht sich einen Twitter-Doppelgänger an, dazu die irrwitzige Suche nach einem Sportdirektor: Der Hamburger SV leistete sich in den vergangenen Jahren unglaubliche Geschichten. Die besten Dramen im Überblick.

Von Carsten Eberts

Es sollte eine Erfolgsgeschichte werden: Bernd Hoffmann (links im Bild), der mächtige Vorstandsboss, und Dietmar Beiersdorfer (rechts), der starke Sportchef, seit 2003 gemeinsam beim HSV. Sie wollten den HSV wieder nach oben bringen, unter die Top drei der Liga, wo der Klub auch hingehört (Quelle: HSV-Selbstverständnis). Einzig: Daraus wurde nichts. Hoffmann und Beiersdorfer harmonierten selten, lagen in den meisten wichtigen Fragen auseinander: Im Winter 2006/07 wollte Hoffmann den Trainer Thomas Doll entlassen, Beiersdorfer hielt an ihm fest. Erst im Februar musste Doll gehen. Es folgte Huub Stevens, als dieser ging, der nächste Krach: Hoffmann wollte Jürgen Klopp oder Bruno Labbadia, Beiersdorfer präferierte Fred Rutten. Am Ende wurde es mit Martin Jol eine Kompromisslösung. Im Sommer 2009 ging auch Beiersdorfer, entnervt vom ewigen Gezänk, heuerte bei Red Bull Salzburg an. Hoffmann hielt noch knapp zwei Jahre durch, bis zum Frühjahr 2011. Dann war auch für ihn Schluss.

Hamburger SV Training Session

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Chaos beim Hamburger SV:Khalid Boulahrouz

Auch mit manchem Spieler hatte der HSV wenig Glück - etwa mit Khalid Boulahrouz. Der Abwehrmann war zur Saison 2006/07 eigentlich fest eingeplant, als er sich kurz vor dem Qualifikationsspiel zur Champions League gegen C.A. Osasuna bei einer unfassbar unglücklichen Aktion beim Aufwärmen eine Bänderverletzung zuzog. Kann passieren? Mitnichten. Boulahrouz nämlich unterschrieb wenige Tage später beim FC Chelsea, war erstaunlich schnell wieder auf den Beinen, durfte dank seines "Missgeschicks" beim Aufwärmen sogar für die Londoner in der Champions League antreten. Die Hamburger hingegen suchten einen neuen Innenverteidiger.

BILD: Wechsel von van der Vaart zu Real Madrid perfekt

Quelle: dpa

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Chaos beim Hamburger SV:Rafael van der Vaart

Unvergessen auch die Posse um Rafael van der Vaart. Zu Beginn der Saison 2007/08 war dieser zwar Kapitän und heimlicher Messias der Hansestadt, es zog ihn jedoch weg: in die Sonne, nach Spanien, zum FC Valencia. Der Holländer befeuerte den Wechsel in ungewohnter Manier, ließ sich medienwirksam im Valencia-Trikot ablichten, sagte auch Sätze wie: "Wenn ich in Hamburg bleiben müsste, dann hätte ich Schmerzen." Doch der HSV zwang ihn zum Bleiben. Van der Vaart spielte noch ein Jahr in Hamburg, selbstverständlich unter Schmerzen, wechselte dann zu Real Madrid. Fotos in fremden Trikots verkniff er sich diesmal.

Oliver Kreutzer FC Bayern

Quelle: imago sportfotodienst

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Chaos beim Hamburger SV:Oliver Kreuzer vs. Roman Grill

Große Aufregung auch im Herbst 2009. Der HSV suchte einen Sportdirektor - und hatte mit Ex-Bayern-Profi Oliver Kreuzer und Spielerberater Roman Grill offenbar zwei respektable Kandidaten gefunden. Der Plan war, dass beide ihre Bewerbungen vor einem offiziellen Gremium präsentieren sollten - und sich der Aufsichtsrat anschließend für den besseren Mann entscheidet. Daraus wurde nichts, denn Kreuzer zog es vor, den Termin abzusagen: nicht per Telefonat, nicht im persönlichen Gespräch, sondern per SMS. Wie ein Teenager, der sich nicht traut, seiner Freundin ins Gesicht zu sagen, dass er nicht mehr mit ihr gehen will. Das hatte auch für Grill Konsequenzen, denn...

Roman Grill FC Bayern

Quelle: imago sportfotodienst

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... der HSV wollte an seiner zuvor beschlossenen Kampfabstimmung festhalten. "Der Aufsichtsrat hat immer gesagt, dass er zwei Kandidaten hören will. Das ist unumstößlich. Daher haben wir folgerichtig gehandelt, auch wenn der Vorgang in der Außendarstellung natürlich unglücklich wirkt", sagte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Horst Becker. Die Wahl fiel aus, Grill (Archivbild) sagte dem HSV enttäuscht ab - und der Klub begann wieder mal bei null.

DFB-Chef-Scout Siegenthaler und Bundestrainer Löw

Quelle: dpa

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Chaos beim Hamburger SV:Urs Siegenthaler

Die Suche nach einem Sportdirektor ging weiter - mit einem neuen Mann im Fokus: Urs Siegenthaler (rechts im Bild), ein Schweizer, bekannt als Chefscout der deutschen Nationalmannschaft. Mit ihm war sich der HSV im Sommer 2010 bereits einig, ehe sich der Klub entschloss, den neuen Mann gleich zu demontieren: Entgegen anderer Ankündigungen entschied der Klub, dass Siegenthaler doch keinen Platz im Vorstand bekommen soll. Siegenthaler verließ die entsprechende Sitzung vorzeitig, verkündete zwar: "Der Titel ist unerheblich, die Arbeit ist wichtig." Aber als dann auch noch der DFB Zweifel an Siegenthalers Doppelfunktion anmeldete, sagte der Schweizer ab. Und der HSV? Hatte immer noch keinen Sportdirektor.

Matthias Sammer

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Chaos beim Hamburger SV:Matthias Sammer

Der vorläufige Höhepunkt dann im Januar 2011. Froh, stolz und etwas vorschnell verkündete der HSV, man habe nach langem Suchen einen Sportdirektor gefunden: Matthias Sammer sollte es sein, ein profilierter Mann, immerhin in Diensten des DFB. Der sollte den HSV in eine bessere Zukunft führen. Soweit kam es jedoch nicht - denn Sammer war vom schnellen Gang des Klubs an die Öffentlichkeit überrascht. Und so verkündete seine Absage: "Nach reiflicher Überlegung und vor dem Hintergrund, dass eine schnelle Stellungnahme gefordert war, bin ich zu dieser Entscheidung gekommen." Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Ernst-Otto Rieckhoff reagierte mit Unverständnis: "Wir sind enttäuscht und überrascht. Es lag ein ausverhandelter Vertrag vor. Sein Rückzug ist für uns nicht nachvollziehbar." Rieckhoff sagte auch: "Ich finde nicht, dass die Situation für den HSV peinlich ist." Das sahen nicht wenige anders.

File photo of Oenning, head coach of Hamburger SV, during the German Bundesliga soccer match against Werder Bremen in Bremen.

Quelle: REUTERS

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Chaos beim Hamburger SV:Michael Oenning

Im Sommer 2011 war die Hoffnung wieder groß: Der HSV hatte endlich einen Sportdirektor gefunden, der hieß Frank Arnesen, kam vom FC Chelsea und brachte gleich eine Handvoll Spieler mit. Trainer Michael Oenning hatte zwar in der vergangenen Saison kaum Spiele gewonnen, war aber ein netter Kerl. Kurzum: Es sollte aufwärts gehen. Was passierte: Der HSV wurde gleich wieder zum Gelächter. Im Internet hatte sich Oenning einen Doppelgänger angelacht, der via Twitter lustige Botschaften verbreitete. In der Halbzeitpause des Auswärtsspiels in Bremen twitterte der falsche Oenning: "Habe mich im Klo eingeschlossen. Dino Hermann (HSV-Maskottchen, Anm.d.Red.) hält die Halbzeitansprache. Kann die Fratzen nicht mehr ertragen." Nach der Partie dann: "Nur 2 Gegentore, meine Defensivtaktik fruchtet und wird verinnerlicht. Ende Februar sollte der erste Punktgewinn durchaus realistisch sein." Oenning selbst reagierte mit wenig Humor, drohte mit einem Rechtsanwalt, der Twitter-Account ist mittlerweile offline. Doch für Oenning sollte es noch schlimmer kommen...

'MichaelOenning' twittert nicht mehr

Quelle: dapd

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... denn es folgte der schnellste Vertrauensentzug der Bundesliga-Geschichte. Die Protagonisten: Oenning und Sportdirektor Arnesen. "Michael Oenning wird auch beim nächsten Spiel am Freitag in Stuttgart unser Trainer sein", verkündete Arnesen an einem Samstag, nur wenige Stunden nach der Heim-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach. Das klang nach einer Galgenfrist, jedoch zumindest nach einer mittelfristigen Jobgarantie. Am Montag dann meldete sich Arnesen erneut zu Wort - und verkündete die Entlassung von Oenning. Der ging - als 30. Trainer der HSV-Geschichte. Gesucht wurde: der 31. Trainer. Gefunden wurde Thorsten Fink.

FILE:  Thorsten Fink Becomes New Hamburger SV Coach

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Nachdem Wunschkandidat Huub Stevens auch mit Schalke 04 flirtete und der HSV gleich wieder absagte, kaufte man Fink einfach kurzerhand aus seinem Vertrag in Basel heraus. Er kostet den klammen Bundesliga-Letzten fast eine Million Euro. Der ehemalige Bayern-Profi unterschrieb bis Juni 2014, hat keine Ausstiegsklausel. Fortsetzung folgt trotzdem. Bestimmt.

© sueddeutsche.de/ebc/gba
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