Champions-League-Viertelfinale gegen Madrid:BVB schielt auf Drei-Prozent-Hürde

Real Madrid - Borussia Dortmund

Nach seiner Sperre im Hinspiel soll Robert Lewandowski im Rückspiel gegen Real Madrid für die nötigen Tore sorgen.

(Foto: dpa)

Vor dem Rückspiel gegen Real Madrid geben sich die Spieler von Borussia Dortmund defensiv, hoffen aber insgeheim, den 0:3-Rückstand aufzuholen. Madrid fürchtet schließlich keinen Stürmer mehr als Robert Lewandowski.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

In der Hoffnungslosigkeit hilft bisweilen ein Rückgriff in die Geschichte. Wenn es nach Borussia Dortmund ginge, würde man an diesem Dienstagabend alles in etwa so machen, wie es am 25. Mai 2005 geschah. Vor fast neun Jahren fand in Istanbul das Finale der Champions League statt, und damals gab es ein Drehbuch, das sich der BVB und sein Anhang nun fürs scheinbar aussichtslose Viertelfinal-Rückspiel gegen Real Madrid (20.45 Uhr) ausmalen. Ein Spiel für alle, die an Wunder glauben möchten.

Damals spielte der AC Mailand gegen den Underdog FC Liverpool, dessen Hymne "You'll never walk alone" der BVB vor langer Zeit zu seiner eigenen gemacht hat. Trainer von Milan war damals, man glaubt es kaum: Carlo Ancelotti; heute ist derselbe Ancelotti Trainer von Real Madrid. Bei Halbzeit des Spiels führte Ancelottis Milan - der Zufall ist hier penibel - mit eben jenem 3:0-Vorsprung, den Real Madrid sich auch im Heimspiel am vergangenen Mittwoch gegen Dortmund herausgeschossen hat. Paolo Maldini und zweimal Hernan Crespo hatten für Mailand getroffen. Liverpool schien am Ende zu sein.

Dann kam die zweite Halbzeit - und mit ihr genau jene Wende, die sie in Dortmund dieses Mal dringend brauchen. Steven Gerrard, Vladimir Smicer und - wieder ein Wink mit dem historischen Zaunpfahl - Xabi Alonso, heute Spielmacher bei Real, machten in 15 Minuten drei Tore für Liverpool. 3:3! So blieb es eine weitere Stunde, inklusive Verlängerung. Liverpool gewann das Elfmeterschießen, bei dem für Milan sogar der große Andrea Pirlo seinen Strafstoß vergab.

Im Hier und Jetzt könnte man sagen: Selten genug, dass es solche Wunder gibt. Borussia Dortmund hat zwar 90 Minuten Zeit für die Umkehrung des Faktischen und außerdem Heimrecht in einem Stadion, in dem der BVB-Anhang schon am Samstag beim Liga-Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg eine Generalprobe für das Wunder aufführte: Mit schier unglaublichem Furor brüllte es gegen die drohende Niederlage an. Allerdings: In Hin- und Rückspielen der Champions League ist eine solche Aufholjagd bisher nur einmal gelungen.

Bei genauerem Hinsehen aber: Wieder war damals der AC Mailand der Verlierer, wieder mit Carlo Ancelotti als Trainer. Viertelfinale-Hinspiel, Saison 2003/2004, Milan gegen Deportivo La Coruña 4:1. Das Rückspiel in La Coruña endet 4:0 für die Spanier. 4:0!

Bevor sie sich solche Träume gestatten, müssen sich die Dortmunder allerdings mit den profaneren Details eines Fußball-Spiels befassen. Roman Weidenfeller, im Hinspiel mit einer ganzen Reihe von Flugparaden dafür zuständig, dass der BVB in seiner verschlafenen ersten Halbzeit nicht noch schlimmer unter die Räder geriet, hat zuletzt einen geprellten Ellenknochen im linken Unterarm kurieren lassen. Er wird spielen, könnte aber ein wenig behindert sein.

Kapitän Sebastian Kehl muss dagegen eine Gelbsperre absitzen; er wird sehr vermisst werden, denn defensive Mittelfeldspieler hat Trainer Jürgen Klopp nicht mehr im Kader. In Frage käme der 21-jährige Milos Jojic, der eher ein Offensiv-Geist ist; oder Oliver Kirch, der aber körperlich zu wenig robust erscheint. Und natürlich Kevin Großkreutz - aber Dortmunds ewiger Allrounder wird offensiv noch mehr gebraucht. Denn Robert Lewandowski kann die Aufholjagd nicht allein erledigen.

Lewandowskis Sternstunde

Vor einem Jahr erlebte Lewandowski eine Sternstunde: Damals traf er viermal im Halbfinale gegen Real, zum 4:1. Es waren damals ein paar Spieler mehr gesund beim BVB, Mario Götze spielte noch für die Borussia, auch wenn am Tag vor dem Spiel bekannt geworden war, dass er nach München wechseln würde. "Aber wir haben immer noch eine gute Mannschaft", sagt Lewandowski. Das Hinspiel, als er gesperrt war, erlebte er auf dem Sofa zu Hause, "das war wirklich kaum auszuhalten".

Dieses Mal dürfte er mit einer Portion Wut ins Spiel gehen, Lewandowski will sich unbedingt einen würdigen Abschied in Dortmund verschaffen. Noch im Dezember hatte Madrids Bosse offenbar einen letzten, verzweifelten Anlauf gestartet, den polnischen Weltklasse-Stürmer doch noch zu Real zu lotsen. Angeblich, so berichten es die BVB-Oberen, wollte Lewandowski dem Werben auch nachgeben - aber der FC Bayern habe auf Vertragserfüllung gepocht und auch finanziell noch mal etwas draufgelegt. In Madrid fürchtet man keinen Stürmer mehr als Lewandowski.

Dortmunds Mats Hummels hat die Chancen auf ein Weiterkommen zwar auf nur "drei Prozent" beziffert, aber insgeheim glauben die meisten Spieler, dass sich in Reals mäßig Furcht einflößender Defensive doch Lücken auftun werden. Drei oder vier Tore gegen Real zu schießen, traut sich die bisweilen in Orkanstärke aufspielende BVB-Offensive zu. Das Problem wird eher sein, gegen Cristiano Ronaldo, Bale, Benzema und Di Maria zugleich zu null zu spielen; im Hinspiel wirkte die BVB-Defensive wenig Vertrauen erweckend.

Es ist ein schmaler Grat zwischen Mutlosigkeit und dem Willen, das Unmögliche anzupacken. "Wir wollen versuchen, dieses Mal zwei zweite Halbzeiten zu spielen", so hat es Klopp formuliert. Carlo Ancelotti, Klopps Pendant, hat schließlich Erfahrung mit Niederlagen nach einem sicheren Vorsprung. Man kann sich also ausrechnen, wer sich mehr fürchtet.

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