Champions League: VfB Stuttgart:Lächelnd auf Formel-Suche

Der VfB Stuttgart ist ganz beseelt ob des 1:1 gegen Barcelona und der Komplimente des Gegners - und vermisst lediglich noch Sprechchöre für Trainer Christian Gross.

Bernd Dörries, Stuttgart

Von Alexander Hleb hatte es in den vergangenen Bundesligaspielen Bilder gegeben, auf denen er eine für sein Alter bereits ausgeprägte Faltenbildung zeigt. Ein Gesicht, zerfurcht vom Ärger und Missmut, als ihn der Trainer mal wieder in der 65. Minute auswechselte. Beim Spiel gegen Barcelona schaute Hleb ab Mitte der Halbzeit immer verstohlen zur Bank, wenn sich dort eine Auswechslung anbahnte - oder androhte, aus seiner Sicht.

Aber als Trainer Christian Gross in der 84. Minute seine dritte und damit letzte Auswechslung machte, da lächelte Hleb fast faltenfrei. Er durfte bis zum Ende mitmachen gegen die alten Kollegen vom FC Barcelona, bei denen er noch unter Vertrag steht - und zu denen er wohl auch zurückkehren würde, wenn er wieder eine Chance hätte, als Stammspieler aufzulaufen.

Seine Leistung gegen die spanische Übermannschaft war ziemlich gut, er spielte überlegt, aber überraschend, wirbelte mit dem Abwehrspieler Cristian Molinaro auf dem linken Flügel herum. Hleb war nach dem Spiel dann wohl selber etwas überrascht, dass es für ihn und den VfB beim 1:1 gegen Barcelona so gut gelaufen war.

Vor der Partie hatte er die Chancen auf einen Sieg noch auf 10:90 eingeschätzt. Danach sprach er im Tonfall eines russischen Mathematikgelehrten darüber, dass dies nur so daher gesagt war und stellte eine neue Formel auf: "Heimspiel ist immer 50:50." Worauf es ja dann letztlich hinauslief. Für das Rückspiel müsse er noch genaue Berechnungen anstellen, die Wahrscheinlichkeit, weiter zu kommen liege jetzt mal grob geschätzt wieder bei jenen 10:90 oder auch 20:80, sagte Hleb und verschwand mit einem Lächeln.

Es ist schon ein großer Erfolg für die Spieler des VfB, dass man überhaupt über solche Perspektiven nachdenken kann. Der letzte Auftritt in der Champions-League endete auf dem letzten Gruppenplatz. Diesmal, so lautete das Saisonziel, wollte man zumindest so auftreten, dass sich Europa nicht fragt, was das denn für eine seltsame Mannschaft ist. "Der VfB hat es uns sehr schwer gemacht", sagte Barcelonas Trainer Josep Guardiola.

So was hört man gerne in Stuttgart, und Manager Horst Heldt sagte ganz beseelt: "Wir können auf unsere heutige Leistung sehr stolz sein. Wir haben dem Titelverteidiger Paroli geboten und klasse gespielt." Und auch Trainer Christian Gross war zufrieden, überwiegend zumindest. Die erste Halbzeit sei sehr gut gewesen. "Wenn wir so über 90 Minuten gespielt hätten, wäre es insgesamt sehr gut gewesen. Aber in der zweiten Hälfte standen wir häufig zu tief."

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Im Video: Nach dem 1:1 des VfB Suttgart gegen den FC Barcelona in der Champions League äußerte sich VfB-Trainer Groß zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft.

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Cacau, der beste Stuttgarter auf dem Platz

Er hat schon einen sehr kühlen Blick für die Realitäten, dieser Herr Gross. Wenn man nur sein Gesicht vor sich hätte, dann könnte man nicht unterscheiden, ob der VfB gerade zu Hause gegen einen Absteiger verloren oder gegen Barcelona ein Unentschieden erreicht hat. Ein bisschen unheimlich ist Gross dem Stuttgarter Anhang schon. Er hat aus der verunsicherten Elf, die unter Vorgänger Markus Babbel dem Abstieg entgegentaumelte, eine Mannschaft gemacht, die nun nach Barcelona fährt mit einer kleinen Resthoffnung.

Nach nun zehn Spielen mit nur einer Niederlage hätte es bei anderen Trainern vielleicht mal ein paar Sprechchöre gegeben, oder eine kleine Referenz. Nicht so bei Gross, den aber auch niemand unsympathisch findet. Vielleicht wissen die Fans einfach nicht, wie sie einen Trainer ansprechen sollen, der alle im Verein siezt. Sollen sie in den Sprechchören rufen: "Herr Christian Gross?"

Der Schweizer hatte vor dem Spiel offen gelassen, ob er Cacau nach seinen vier Toren gegen Köln überhaupt aufstellen oder doch auf Ciprian Marica setzen würde, dem er bisher den Vorzug gegeben hatte. Es sei "völlig offen", ob Cacau spiele, hatte der Trainer noch am Montag gesagt. Ihn nicht zu bringen wäre eine zumindest mutige Entscheidung gewesen. Gross wusste aber wohl genau, dass ihm dies im Falle einer Niederlage auch schnell als Wahnsinn ausgelegt werden kann.

So spielte Cacau also und war bester Stuttgarter auf dem Platz, technisch auf einer Höhe mit den Weltstars des Gegners. Cacau köpfte in der 25. Minute das 1:0 und sagte nach dem Spiel brav: "In der ersten Hälfte hatten wir noch zwei hundertprozentige Torchancen. Eine davon hätte ich machen können. Wir haben alle super gekämpft, und ich bin stolz auf die Mannschaft."

Cacau hat durch seine Tore in den vergangenen zwei Spielen und seine Leistung und sein Auftreten in den vergangenen Jahren nun schon einen festen Platz in der Klubgeschichte, und der Verein wird wohl auch nicht umhin kommen, ihm ein verbessertes Gehalt anzubieten, sein Vertrag läuft Ende der Saison aus. Cacau würde gerne bleiben, ihm geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um den Respekt und die Gleichstellung mit anderen Großverdienern im Verein.

Dagegen kann man derzeit wenig einwenden. Auch seine Chancen für die Nationalmannschaft sind deutlich gestiegen. Er hat viele Tore gemacht, in einer Zeit, in der in der Nationalmannschaft mal wieder eine Stürmerkrise ausgerufen wurde. Cacau hat dieser Tage gesagt, es seien mit die glücklichsten seines Lebens.

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