Champions League:Van Gaal scheitert an Naldos Wucht

Die Haare wirr, der Blick versteinert, die Kladde fest im Arm, nach Halt suchend, einen Fluchtpunkt im Visier: Louis van Gaal sah elend aus, als das Spiel in Wolfsburg und Manchesters Saison in der Champions League beendet war: Mit dem 3:2 (2:1)-Sieg über den englischen Rekordmeister sicherte sich der VfL Wolfsburg den ersten Gruppenplatz und erstmals den Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse, van Gaals Team hingegen muss nun als Gruppendritter in die Europa League.

"Das ist ein besonderer Moment für uns. Die Elf hat eine tolle Leistung gegen eine Supermannschaft wie Manchester gezeigt", sagte der zweifache Wolfsburger Torschütze Naldo. "Ich bin stolz, dass ich zwei Tore gemacht habe, und ich bin stolz auf die ganze Mannschaft." Das war auch VfL-Trainer Dieter Hecking: "Es war klar, dass Manchester bis zuletzt alles probieren würde. Ich glaube, dass es aber keine zwei Meinungen darüber gibt, dass wir verdient gewonnen haben."

Man muss nur in die Gesichter der Trainer schauen, ihre Gesten und Reaktionen beobachten, wenn ein Tor fällt: hier Louis van Gaal, der den Missstand und die miese Stimmung verwalten muss bei United. Er blieb stoisch sitzen auf seiner Bank, als sein Team, das unbedingt gewinnen musste, um an Wolfsburg vorbei- und sicher ins Achtelfinale einzuziehen, nach zehn Minuten überraschend in Führung ging; keine Miene verzog er, und während seine Spieler jubelten, griff er flugs zum schwarzen Klemmbrett und machte sich Notizen.

Heckings Maxime: "Nicht verwalten - auf Risiko gehen!"

Feiner Pass Matas, kühler Abschluss Martial, 0:1 (10.), doch was darüber van Gaal in diesem Moment bemerkte, war ihm nicht anzusehen, er bleibt auf Distanz. Ganz anders Dieter Hecking, der nur vier Minuten später die Säge auspackte nach dem Ausgleich durch Naldos sehenswerte Direktabnahme nach einem Freistoß von Rodriguez. Hecking lief auf seine Spieler zu - und hielt dann doch inne nach einem kurzen Gespräch mit Rodriguez: Der Vorlagengeber hatte sich, mutmaßlich beim Freistoß, eine Muskelverletzung zugezogen, er musste vom Platz.

"Nicht verwalten - auf Risiko gehen", das hatte Hecking als Maxime ausgegeben, obwohl seinem Team ja ein Unentschieden gereicht hätte, aber das sollte nicht die Taktik des VfL Wolfsburg sein. Nach einer halben Stunde war die Taktik: das Spiel erst in die Breite zu ziehen, um es dann vorne schnell eng werden zu lassen. Draxler zu Schürrle, einmal von rechts nach links und zurück, Schürrle zu Draxler, der dann Doppelpass spielte mit Kruse, eher er Vieirinha bedient.

Ein brillanter Spielzug zum 2:1 (29.), van Gaal blieb sitzen, seine Augen flackerten zornig. Ob er sich etwas zu Bastian Schweinsteiger notierte, der kurz vor dem Strafraum schlecht aussah bei Draxlers Aktion? Der DFB-Kapitän steht in England ohnehin in der Kritik, van Gaal hat dies jüngst befeuert, als er sagte, Schweinsteiger hätte "in jeder Partie besser spielen" können, dies sei noch nicht der Schweinsteiger, den er vom FC Bayern kenne.

Immerhin Dante, lange vor Schweinsteiger als nicht mehr gut genug für die Münchner befunden, hat seinen früheren Mitspieler wieder erkannt: als sich Schweinsteiger kurz vor der Pause beim Schiedsrichter beschwerte, weil dieser dem vermeintlichen Ausgleich durch Lingard die Anerkennung verweigerte. Dante hatte zunächst den Linienrichter auf eine Abseitsstellung hingewiesen, dann erklärte der Wolfsburger Abwehrspieler dies auch seinem alten Spezl. Es war eine korrekte Entscheidung.

Bastian Schweinsteiger wird früh ausgewechselt

2:1 zur Halbzeit, in diesem Moment war Manchester noch nur noch Gruppendritter. Van Gaal musste umstellen, mit destruktiver Spielweise allein würde der Verbleib in der Champions League nun nicht mehr zu erreichen sein. United riskierte mehr, kam nach einer Stunde zu guten Gelegenheiten (Lingard, Mata) - und dann in die Bredouille, als Torwart De Gea viel zu früh viel zu weit aus dem Tor lief und Schürrles klugen Lupfer beim Zurücklaufen gerade noch mit einer Hand über das Gehäuse lenken konnte.

Kurz darauf versuchte es Schürrle noch einmal gegen De Gea, der wieder mit einer Hand parierte (66.), dann schoss Kruse knapp rechts neben das Tor (68.): Wolfsburg hatte beste Gelegenheiten, das Spiel zu entscheiden, konnte sie aber zunächst nicht verwerten.

Van Gaal nahm Schweinsteiger vom Feld, wieder einmal wird er mit dem Mittelfeldspieler nicht zufrieden gewesen sein, aber was sollte ihm überhaupt noch Hoffnung machen? Erst ein Wolfsburger Eigentor von Guilavogui, mit dem Kopf erzielt (83.), brachte Manchester zurück ins Spiel und auf Achtelfinalkurs, lange aber hielt dieser Ausgleich nicht, was nicht verwunderte angesichts dieses unterhaltsamen Schlagabtausches. Den Schlusspunkt setzte der Wolfsburger Innenverteidiger Naldo mit seinem zweiten Treffer, einem wuchtigen Kopfball zum 3:2 (84.). Und auf Manchester Bank verzog Louis van Gaal keine Miene - er wusste: Das war's dann.

Dieter Hecking dagegen klatschte jeden seiner Spieler ab. "Heute hat alles gepasst", sagte der Trainer, selbst die Gelb-Sperre des Doppel-Torschützen Naldo im Achtelfinal-Hinspiel trübte seine Freude nicht: "Sie werden verstehen, dass ich mich darüber jetzt nicht ärgere." So sagte es auch Naldo selbst: "Heute wird gefeiert."

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