Champions League: Schalke 04:Shcalcke 04 aus Tatarstan

Die Welt sieht zu beim Duell mit Manchester, hatten die Spieler von Schalke gesagt - doch jetzt wären alle froh gewesen, wenn diese beiden Spiele an einem geheimen Ort stattgefunden hätten. Ohne Zeugen. Und unter falschem Namen.

Philipp Selldorf

Das beliebte Gasthaus The Old Nags Head in der Bootle Street in Manchester hatte seine Gäste zum Fernsehen eingeladen. Als Gegner von Manchester United kündigten sie einen Klub namens Shcalcke 04 an. Hätte man den zuständigen Schildermaler gefragt, wo genau das denn liegt, dieses Shcalcke, dann hätte er vermutlich geantwortet: Irgendwo im hinteren Tatarstan?

Champions League - Manchester United - FC Schalke 04

Sinnbild für die Schalker Stimmung nach den Partien gegen Manchester United: Kyriakos Papadopoulos.

(Foto: dpa)

Die Leute von Schalke 04 haben jedes Recht zur Beschwerde über diese englische Ignoranz, aber am Mittwochabend war ihnen nicht nach Beschwerden zumute. Schalke ist in Deutschland groß und wichtig, und in Europa gehört der Klub nach seinen Wirtschaftsdaten zu den Top Twenty.

Doch im Vergleich mit Manchester United hat die Mannschaft aus Gelsenkirchen für manchen unkundigen Zuschauer ausgesehen, als sei sie geradewegs aus der Republik Tatarstan eingereist. Dieser Eindruck, nicht das Verfehlen des sportlichen Ziels, war die eigentlich schmerzliche Erfahrung der beiden Halbfinals. Nach den Siegen gegen Inter Mailand war Schalke noch stolz und glücklich, die größte Fußballbühne der Erde betreten zu dürfen, an der Seite der am meisten leuchtenden Vereine Europas.

"Die Welt schaut auf uns", hatte Christoph Metzelder mit Recht betont - doch jetzt wären alle froh gewesen, wenn diese beiden Spiele an einem geheimen Ort ohne Zeugen stattgefunden hätten. Es ist eine hinterhältige Pointe, dass das Erreichen des Champions-League-Halbfinales irgendwie in einen Imageverlust statt einen Imagegewinn führte.

In Manchester haben alle Schalker bedauernd erklärt, dass der Gegner leider einfach besser und übermächtig gewesen sei. Das stimmte. Aber es steckte auch eine bequeme Entschuldigung in diesen Geständnissen. In Old Trafford hatte es nicht so ausgesehen, als würde hier eine Mannschaft mit allen Mitteln um den Einzug ins Finale kämpfen.

Dass Ralf Rangnicks ambitionierter taktischer Plan nicht aufging, hat auch daran gelegen, dass seine Mannschaft einfache Grundlagen vermissen ließ. Es fehlten ein paar rohe Zutaten: Laufbereitschaft, unbedingter Einsatzwille. Die Aussicht auf Erfolg war sehr, sehr klein, aber selbst dieses Minimum an Chance hat das Team nicht wahrnehmen können.

Die Schalker werden nun ein wenig Häme ertragen müssen, aber sie haben viele gute Gründe, sich für ihr Jahr in der Champions League nicht schämen zu müssen. Sie haben sich, in keinem Fall zufällig, gegen prominente Gegner durchgesetzt: Benfica Lissabon, Olympique Lyon, FC Valencia, Inter. Lauter Großwild. Diese Trophäen erinnern an eine historisch einmalige Europacup-Saison.

Und sieht man das Positive, dann erkennt man: Höflicherweise hat Schalke nicht im Weg stehen wollen, damit sich beim Endspiel in London die beiden wirklich besten Mannschaften Europas messen können.

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