Champions League: Schalke - Manchester:Die Riffhaie beißen zu

Manchester United zeigt Schalke 04, welches Niveau in einem Champions-League-Halbfinale gespielt wird und gewinnt hochverdient 2:0. Einzig Nationaltorhüter Manuel Neuer verhindert ein schlimmes Schalker Debakel.

Auch den Moment genießen, das hatte Ralf Rangnick seinen Männern mit auf den Weg gegeben. Champions-League-Halbfinale! Bei ihnen zu Hause, in Gelsenkirchen! Üblicherweise finden solche Festveranstaltungen in Mailand, Madrid oder Barcelona statt, keiner in der Mannschaft des FC Schalke 04, keiner außer dem spanischen Ausnahme-Stürmer Raúl, hatte ein Vereins-Fußballspiel dieser Bedeutungsschwere bisher erlebt. Auch Ralf Rangnick nicht, der Trainer.

Ryan Giggs

Ein Tor, eine Vorlage: Ryan Giggs.

(Foto: AP)

Schalke war also Außenseiter, das war jedem klar vor dem Halbfinal-Hinspiel gegen Manchester United, einen der Dauergäste in dieser Etage des europäischen Fußballbetriebs. Aber Außenseiter zu sein, hoffte Rangnick, "das ist ja eine Situation, in der wir uns auch wohlfühlen".

Doch dann wurden die Schalker bald von jener sehr speziellen Art des Wohlfühlens heimgesucht, die zum Beispiel ein Taucher empfindet, der Korallen und Clownfische erwartet, und dann biegt plötzlich ein Schwarm Riffhaie um die Ecke. Faszinierend, das schon. Man hofft, sie tun nichts. Aber man weiß es nicht so genau.

"Wir haben versucht, uns der Situation zu entziehen, indem wir gar nichts mehr gemacht haben", klagte Rangnick später in seiner Analyse. Aber gegen ein Rudel, in dem bissige Zeitgenossen wie Wayne Rooney, Ryan Giggs, Ji-Sung Park und Javier Hernandez mitspielten, war Stillhalten am Ende nicht die zielführende Überlebensstrategie.

0:2 haben die Schalker dieses Spiel der Spiele verloren, durch Tore von Giggs (67.) und Rooney (69.). Keine allzu gute Ausgangsposition für das Rückspiel kommenden Mittwoch in England. "Bis auf die ersten zehn Minuten haben wir nicht so den Zugriff gekriegt" sagte der enttäuschte Innenverteidiger Christoph Metzelder, und gab zu: "Wir waren in allen Belangen unterlegen." Und irgendwann, fand Ralf Rangnick sogar, "sind wir dann nur noch rückwärts gelaufen".

Was hatte man erwartet?

Die Schalker hatten im Viertelfinale immerhin den Titelverteidiger Inter Mailand ausgeschaltet, ach was: aus dem Turnier gefiedelt hatten sie die Italiener. 5:2 in Mailand, 2:1 zu Hause. So ein Erfolg kann manchmal eine wundersame Eigendynamik entwickeln im Fußball, darauf hatten sie nun gehofft.

Nur der Innenverteidiger Benedikt Höwedes fehlte am Dienstagabend mit einer Bauchmuskelverletzung, für ihn spielte Metzelder, ansonsten konnte Rangnick seine Erfolgself aus der Runde der letzten Acht auf den Rasen schicken. Und zumindest in der ersten Viertelstunde sah es noch so aus, als könnten die Schalker auch dieses Halbfinale ganz selbstverständlich in Besitz nehmen: reinkommen, sich wohlfühlen, die Lage unter Kontrolle bringen.

Das allerdings war noch in jener Phase des Spiels, in der das Mittelfeld in beide Richtungen so zügig durchschritten wurde wie ein schattiges Tal, an dessen Ende auf eine Gruppe Wanderer herrliche Blumenwiesen warten, dazu eine Alm und ein leckeres Glas Buttermilch. Man ließ sich wechselseitig allen Platz der Welt, was dazu führte, dass auch die Männer in Blau-Weiß ein paar vielversprechende Bälle auf den ManU-Schlussmann Edwin van der Saar loslassen konnten: Alexander Baumjohann (1.) etwa, und kurz darauf Jefferson Farfan (9.).

Aber dann wurden die Beutezüge der Gäste zwingender, zielgerichteter, und das taktische Konzept, das Rangnick ausgegeben hatte, wurde schlicht von der Realität überrollt. Das "Zentrum zumachen", aber auch "auf den Außenbahnen nicht zu viele Freiräume" lassen. "Die Balance finden aus Mut und Disziplin." Natürlich wollten sie sich auf die Suche machen nach dieser Balance. Aber sie kamen schlicht nicht dazu.

Ferguson lobt Neuer

Im Fall des Schalker Torhüters Manuel Neuer führte der wiederkehrende Belagerungszustand seines Strafraums dazu, dass er sich fast im Minutentakt nach links oder rechts werfen musste, zum ersten Mal in der dritten Minute, als Wayne Rooney von links außen einen als Flanke getarnten Präzisions-Schuss auf den Weg schickte. Und dann immer wieder aufs Neue. Manuel Neuer parierte gegen Park (6.), Neuer parierte gegen Hernandez (14.), und spätestens, als er mit einem erstaunlichen Reflex in der 28. Minute einen Kopfball von Giggs entschärfte, waberte die Frage durch die Arena: Wie lange kann sowas gutgehen?

Kurz vor dem Halbzeitpfiff lief Giggs dann noch einmal von halbrechts heran: Giggs gegen Neuer, Hai gegen Taucher. Man hat solche Eins-gegen-Eins-Situationen häufig gesehen, man weiß: Meistens gewinnt der Hai. Aber dann bringt Neuer seine Hand noch einmal in die Flugbahn des Balles.

Zu diesem Zeitpunkt ist dieses Halbfinal-Hinspiel längst ein sehr ungewöhnliches 0:0. Eines, das Alex Ferguson, 69 Jahre alt und Trainer bei ManU seit 1986, so kommentierte: "Das war wohl die beste Leistung, die ich von einem Torhüter in einem Spiel gegen uns gesehen habe."

Aber es ging dann eben doch nicht auf Dauer gut. Rooney war es schließlich, der in der 67. Minute die Lücke für ein feines Zuspiel fand, Giggs lief sich frei - und bezwang Neuer per Flachschuss zum 0:1. Das 0:2 legte kurz darauf Hernandez auf, diesmal vollendete Rooney. Und Manuel Neuer fasste zusammen: "Hinten kamen wir oft einen Schritt zu spät, und vorne hat es auch nicht so funktioniert."

Kann man so ein 0:2 aufholen? Gegen Manchester United? "Warum nicht", sagte Rangnick, "Inter Mailand ist ja auch zu uns gekommen und wollte drei Tore aufholen." Geklappt hat das aber nicht. Im Rückspiel sind Rangnicks Schalker mehr Außenseiter denn je.

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