Champions League: Real - Barcelona:Bäh! Wir machen nicht mit!

Real Madrid verweigert sich mit einer grotesken Abwehr-Taktik dem Champions-League-Halbfinale. Dann sieht Pepe Rot, Trainer Mourinho muss auf die Tribüne und Lionel Messi schießt noch zwei späte Tore für den FC Barcelona.

José Mourinho hat inzwischen eine Stufe erreicht, auf der man ihm alles zutraut. Er provoziert und unterstellt, er nölt und nörgelt. Er macht sich Trainer zum Feind, Medien, gerne auch Schiedsrichter. Am Mittwochabend aber hat sich Mourinho, der Raffinierte, der Verschlagene, der Listenreiche, selbst übertroffen.

Real Madrid v Barcelona - UEFA Champions League Semi Final

Höhe- und Endpunkt der ewigen Diskutiererei von Real Madrid: Der souverän agierende deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark (links) zeigt Pepe (Nummer 3) für ein grobes Foul die Rote Karte. Danach übernahm der FC Barcelona die Kontrolle über das Spiel.

(Foto: Getty Images)

Fürs Hinspiel des über alle Maßen aufgeheizten Champions-League-Halbfinale gegen den ewigen Rivalen FC Barcelona hatte er sich eine ganz neue Taktik einfallen lassen. Sie bestand schlicht darin, sich dem Abend zu verweigern. Kaum hatte der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark - auch ein Mourinho'sches Pöbelopfer - die Partie angepfiffen, trat die Heimelf einen sehr geordneten Rückzug an. Bäh! machten Mourinhos Mannen, bäh! wir machen hier nicht mit!

Drei Stürmer hatte Mourinho auf der Bank gelassen (Adebayor, Higuain, Benzema), und jene Spieler, die er aufs Feld gelassen hatte, zogen sich so weit zurück, als gelte es eine Führung in der Nachspielzeit zu verteidigen. Ob die Taktik aufgegangen ist? Nicht wirklich: Nach einer streckenweise grotesken Partie siegte ein anfangs sehr irritierter FC Barcelona am Ende hochverdient mit 2:0 - eine perfekte Ausgangssituation fürs Rückspiel dank zweier Treffer von Lionel Messi, der einfach zu gut ist für Taktiktricksereien aller Art.

Am Anfang staunte der FC Barcelona aber nicht schlecht. Trainer Guardiola wusste zwar, dass der Kollege Mourinho mit ziemlich vielen Wassern gewaschen ist, aber so eine Spielanlage hatte er nicht erwartet. Auch seine Spieler taten sich schwer mit einem Gegner, der die Verweigerung dreist als Kunstwerk inszenierte.

Über 80 Prozent Ballbesitz wurden für Barcelona in der ersten Halbzeit gemessen, mindestens 30 Prozent davon waren ein Geschenk von Real. Mourinhos Spielbefehl wirkte wie ein ironisches Statement zur allgemeinen Barça-Verherrlichung: Seht her, sollte Reals Spiel der Weltöffentlichkeit wohl sagen, seht her, was aus Barcelonas Künstlern wird, wenn man ihnen das Spiel wegnimmt!

In der Tat wussten die Gäste wenig anzufangen mit jenem Raum, den Real ihnen kampflos überließ. Es war Raum in einer ungefährlichen Spielfeldzone, und je näher Xavi und Co. relevanten Ecken des Spielfeldes rückte, desto mehr Madrilenen trafen sie da. Barcelona kontrollierte das Spiel, aber es war eine Kontrolle ohne Tempo.

Messi narrt fünf Abwehrspieler

Nur einmal ging es schnell, Messi passte steil auf Xavi, dessen Schrägschuss am Tor vorbeizischte (25.). In dieser abenteuerlichen Versuchsanordnung wurde der verletzte Iniesta schwer vermisst, seine Ideen fehlten Barcelona ganz besonders. Bei Real wurden die feinen Füßen dagegen in andere Pflichten genommen: Auch Mesut Özil war so ins gespenstische Destruktivkonzept eingebunden, dass er nach nur 16 Ballkontakten zur Pause ausgewechselt wurde.

Rudelbildung und Rot

Wer wissen wollte, was Mourinho mit dieser Taktik bezweckte, erkannte das spätestens in der Nachspielzeit der ersten Hälfte: Da ließ Cristiano Ronaldo einen hundsgemeinen Flatterschuss los, den Barça-Keeper Valdes mit Mühe parieren konnte. So hatte der portugiesische Coach das vorgestellt: den Gegner durch Nichtstun überrumpeln und dann aus dem Nichts einen Treffer setzen.

Als das Spiel dann Fahrt aufnahm, war kein Ball mehr dabei: Nach Starks Pausenpfiff begannen Arbeloa (Real) und Keita (Barcelona) auf dem Weg in die Kabine eine handfeste Kabbelei, der sich immer mehr Kollegen anschlossen. Bald hatte sich vor dem Kabineneingang ein wüst rangelndes Rudel gebildet, ein unübersichtlicher Pulk von Menschen, in den sich immer wieder Ordner hineinwarfen, um die Streitenden zu trennen.

Stark stand neben Torsten Kinhöfer, dem vierten Offiziellen, sah aufmerksam zu und schrieb eifrig mit. Offenbar war in dem Gewühl Barças Ersatzkeeper Pinto eine Straftat nachzuweisen - im Kabinengang zeigte Stark ihm die rote Karte. In diesem Moment hatte der FC Barcelona keinen Ersatztorwart mehr.

Aus einem irritierenden wurde nun immer mehr ein hässlicher Abend. Aus den Stehversuchen der ersten Hälfte wurde ein zäher Ringkampf, Barcelona spielte nun präziser, schärfer und schneller, was automatisch zu mehr Zweikämpfen führte. Den Zweikämpfen war die aufgeheizte Atmosphäre dieses Duells anzumerken: Reals Pepe trat Alves rüde vors Knie, was Stark mit einer roten Karte sanktionierte (61.) - korrekt, wie alle Neutralen fanden, nicht aber der schimpfende Mourinho, den Stark auf die Tribüne schickte.

Am Ende wandte sich Mourinhos Konzept der Provokation gegen sich selbst: In Überzahl wurde Barça immer überlegener und kam erst zum 1:0 durch Messi, der in eine Flanke des eingewechselten Afellay hineinsprintete (76.) - und dann auch noch zum 2:0 (87.), wieder durch Messi, der fünf Abwehrspieler kolossal narrte und cool einschoss.

Es war ein verdienter Sieg von Fußballspielern gegen Taktikgaukler, aber ein bisschen Glück hatten die Künstler am Ende auch noch: Adebayor hätte nach einem rustikalen Rempler (83.) statt gelb auch rot sehen können.

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