Champions League:Rätselraten um Lionel Messi

Lionel Mess

Seit vier Spielen ohne Tor: Lionel Messi.

(Foto: AP)
  • Vor dem Viertelfinal-Rückspiel bei Atlético Madrid kriselt es beim FC Barcelona. In der Liga konnte das Team von Trainer Luis Enrique seit drei Spielen keinen Sieg mehr feiern.
  • Grund zur Sorge gibt Lionel Messi. Der 28-Jährige hat seit vier Partien weder ein Tor erzielt noch einen Treffer vorbereitet.
  • Hier gibt es die Ergebnisse und Tabellen der Champions League.

Von Javier Cáceres, Madrid

Es gibt nur sehr wenige Dinge, die man vor einem Clásico verlässlich sagen kann. Es gab allerdings eine Prognose, die schon vor dem vor gut zehn Tagen ausgetragenen Duell zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid kursierte. Sie besagte, dass über die Mannschaft, die das ewige Duell zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid verliert, ein Sturm hereinbricht. Das darf inzwischen getrost als bewiesen angesehen werden.

Real Madrid siegte in Barcelona bekanntlich 2:1, mittlerweile ist der Sturm über Barça hereingebrochen. Barcelona verlor auch am Samstag bei Real Sociedad San Sebastián, und das bedeutet, dass der Tabellenführer schon seit drei Spielen keinen Sieg mehr feiern konnte - eine atemberaubende Serie, die es zuletzt in der Saison 2013/14 gab. Und so wachsen auch die Zweifel, ob der amtierende Champions-League-Sieger zum achten Mal in neun Jahren das Halbfinale des europäischen Königswettbewerbs erreicht.

Vor der Niederlage gegen Real war Barcelona 39 Spiele lang unbesiegt

Barça muss im Viertelfinal-Rückspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) bei Atlético Madrid einen 2:1-Vorsprung verteidigen. Und das ist in einem Stadion wie dem Vicente Calderón, das an solchen Abenden aufbrausender ist als jeder Choleriker, allenfalls ein hauchdünnes Polster.

Noch vor wenigen Wochen wären all die Zweifel, die nun mit Barcelona nach Madrid reisen, undenkbar gewesen. Vor dem 1:2 gegen Real war Barcelona 39 Spiele lang unbesiegt. Am 13. März betrug Barças Vorsprung in der Liga auf den Verfolger Atlético Madrid acht Punkte, Real Madrid lag gar zwölf Punkte hinten.

Nun sind die beiden Hauptstadt-Klubs auf drei bzw. vier Punkte herangerückt. Weil in Spanien bei Punktgleichheit der direkte Vergleich zählt, beträgt der Vorsprung in Wahrheit fünf beziehungsweise vier Punkte. Das ist bei sechs verbleibenden Spielen immer noch beachtlich. Und dennoch: In der stets zu Defätismus neigenden katalanischen Hauptstadt führt das zu Alarm und Ängsten.

Barcelona hat in dieser Saison bislang 54 Spiele bestritten

Die Situation ist ja auch einigermaßen verwunderlich. Die Teams, die Barcelonas Coach Luis Enrique bislang trainiert hat, sind dafür bekannt, dass sie gerade auf der Zielgeraden einer Saison auf unheimliche Sprit-Reserven zurückgreifen können. In Barcelona heißt es nun, Enrique habe die Einsätze der Leistungsträger knapper dosieren wollen, um sich auf die Champions League zu konzentrieren. Doch die Wackler in der Primera Division brachten ihn von dem Vorhaben ab, das mehr als angezeigt gewesen wäre.

Barcelona hat im laufenden Geschäftsjahr (Liga, Champions League, Supercups und Klub-WM) bislang 54 Spiele bestritten. Atlético Madrid kommt auf 47 Spiele, Real auf 42. In der Winterpause wollte Luis Enrique den Kader verstärken, doch sein Wunschspieler, Stürmer Nolito von Celta Vigo, kam nicht.

Die beiden Zugänge, Mittelfeldspieler Arda Turan (vormals Atlético) und Defensivkraft Aleix Vidal (FC Sevilla) haben sich bislang nicht als Alternativen aufdrängen können. Auch in der Abwehr herrscht Kummer. Gerard Piqué wird gegen Atlético trotz Hüftbeschwerden spielen müssen, Mathieu und Vermaelen sind verletzt. Wieder einmal.

Messi wirkt seit Wochen apathisch

Zu besonderer Sorge Anlass gibt bei den Katalanen aber vor allem Lionel Messi, der Mann, der die Sonne im planetaren System Barças ist - der Mann, um den alles kreist. Der Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft wirkt seit Wochen apathisch, und das wirft wie immer Rätsel auf.

Was in seinem Kopf herumschwirrt, war schon nicht zu entziffern, als er noch ein Bub war; in seiner Heimatstadt Rosario gibt seine frühere Grundschullehrerin bis heute zum Besten, dass sie nie auch nur einen Schimmer davon hatte, was der kleine Lio, wie er in Argentinien genannt wird, so dachte, wenn er stumm im Klassenzimmer saß. Nun rätselt nicht nur eine Pädagogin in der argentinischen Provinz über dieses Mysterium, sondern die gesamte Fangemeinde des FC Barcelona.

Messi hat seit vier Spielen kein Tor mehr erzielt

Die Symptome der nicht zu dechiffrierenden Trübnis des Superstarts sind unübersehbar. Messi hat seit vier Spielen kein Tor mehr erzielt - für seine Begriffe eine Ewigkeit - und ist damit bei 499 Treffern stecken geblieben. Zudem hat er in diesen Partien kein Tor vorbereitet. Niemand weiß, ob ihn der bevorstehende Steuerprozess belastet, ob er unter den neuesten Enthüllungen über das Finanzgebaren der Familie Messi leidet - auch sein Name tauchte ja in den "Panama Papers" über obskure Briefkastenfirmen auf -, ob womöglich die Chemie mit dem brasilianischen Sturmpartner Neymar gelitten hat, ob ihn etwas anderes quält.

Fußballerisch auffällig ist, dass er in letzter Zeit einen Drang zur Mitte entwickelt hat - und das Angriffsspiel Barcelonas nun einen Mangel an Breite aufweist. Mit Folgen: Auch Sturmpartner Neymar hat in den letzten vier Spielen nicht getroffen - und den ebenfalls steuerskandalumwehten Brasilianer holen ebenfalls laufend Affären und Enthüllungen ein.

Gegen Atlético ist es für Barcelona zuletzt immer gut gegangen

Zu Beginn der Woche wurde sein Vertrag von der Enthüllungsplattform FootballLeaks öffentlich gestellt. Nun gilt als nachgewiesen, dass er für fünf Jahre 45,9 Millionen Euro brutto erhält, und allein für seine Vertragsunterschrift eine Prämie von 8,5 Millionen Euro kassiert hat. Das bewegt sich zwar im Rahmen dessen, was stets vermutet und veröffentlicht worden war. Ärgern dürfte es ihn aber doch.

Andererseits: Gegen Atlético ist es für Barcelona zuletzt immer gut gegangen. Bei Atlético fehlt der gesperrte Stürmer Fernando Torres. Und dass Barcelona wie am Samstag in San Sebastián ohne Tor bleibt, ist eher unwahrscheinlich: Das letzte Mal, das Barcelona zwei Spiele ohne Treffer aneinanderreihte, war zu Beginn der Saison 2008/2009, unter dem damals neuen Trainer Pep Guardiola.

Auch das Stadion Vicente Calderón hat sich zuletzt als gutes Pflaster für Barcelona erwiesen. Messi hat allein dort gegen Atlético zehn Tore erzielt; Luis Enrique hat bei seinen drei Visiten als Barça-Trainer stets einen Sieg mit nach Hause nehmen können. Zwar nie mit mehr als einem Tor Unterschied. Aber was macht das schon: Sieg ist Sieg.

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