Champions League:Naldo löst van Gaal als Feierbiest ab

VfL Wolfsburg - Manchester United

Naldo köpft das 3:2.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Von Korbinian Eisenberger, Wolfsburg

Der Fußballmanager Klaus Allofs gilt als stoischer Vertreter seiner Zunft, einer der nüchtern analysiert. Während sich am Dienstagabend um ihn herum grün-weiß gekleidete Wolfsburger Spieler glückselig in die Arme fielen, sah er im Nadelstreifenanzug so seriös und abgeklärt aus wie immer. Ihm sei das eigentlich fast zu spannend gewesen, sagte er, und gab den biederen Allofs. Als er aber über seinen Innenverteidiger Naldo sprach, wurde es emotional. "Das ist eine lange Geschichte zwischen uns", sagte Allofs, "wir sind ja schon einige Jahre zusammen." Das klang fast wie eine Liebesbekundung für Naldo, der mit Allofs schon in Bremer Zeiten zusammenarbeitete.

Es war eben doch eine besondere Champions-League-Nacht, eine die in Wolfsburg so schnell niemand vergessen wird. Besonders Doppeltorschütze Naldo nicht.

Den Wolfsburgern war ein 3:2-Heimsieg gegen den englischen Rekordchampion Manchester United gelungen. Im entscheidenden sechsten Vorrundenspiel erreichten sie damit erstmals in ihrer Vereinsgeschichte das Achtelfinale der Champions League, und das als Gruppensieger. Der PSV Eindhoven gewann im Parallelspiel 2:1 gegen ZSKA Moskau und vollendete so das Worst-Case-Szenario für Manchester, das nun ausgeschieden ist und als Gruppendritter in der Europa League weiterspielen muss.

Naldo, oberköperfrei

Nationalspieler Bastian Schweinsteiger und seine ManU-Kollegen verschwanden nach Schlusspfiff wortlos in der Kabine, während die Wolfsburger noch lange auf dem Rasen mit den Fans feierten. Nach zuletzt durchwachsenen Ergebnissen und Rang fünf in der Bundesligatabelle ist die gute Laune nach Wolfsburg zurückgekehrt.

Der Mann des Abends gab im Bauch der Arena das Feierbiest, oberkörperfrei. Naldo erklärte, wie er es angestellt hatte, dem Favoriten aus England zwei Tore einzuschenken. "Normalerweise bleibe ich bei einer Ecke immer in der Mitte, doch diesmal war ich am zweiten Pfosten", sagte Naldo und fügte hinzu: "Ich glaube das kam überraschend."

Sein Trainer interpretierte die beiden Treffer des Innenverteidigers aus der 13. und 84. Minute als Auftragsarbeit. "Ich habe ihn vor dem Spiel beiseite genommen und gesagt: 'Es wird mal wieder Zeit, dass du ein Tor machst'", sagte Dieter Hecking und erklärte: "Naldo ist seit ich hier bin nochmal besser geworden". Der sei "wie guter, alter Wein: je reifer desto besser". Umso bitterer sei die gelbe Karte, die Naldo sich in der 73. Minute eingehandelt hatte. Es ist seine dritte, im Achtelfinal-Hinspiel im Februar ist der Brasilianer gesperrt.

Der Abend hatte schlecht begonnen. "Eigentlich wollten wir ein frühes Gegentor unbedingt vermeiden", sagte Allofs - es dauerte aber nur zehn Minuten, ehe Manchester-Angreifer Anthony Martial das 1:0 erzielte. Auf den Rängen begannen die Rechnereien, mit einem Tor von Eindhoven wäre Wolfsburg jetzt raus. "Das hat uns gar nicht interessiert, wir haben nur auf uns geschaut", sagte dagegen Naldo, "wir sind nach dem Rückstand ruhig geblieben." Er selbst hatte viel zur Ruhe beigetragen, indem er einen Freistoß zum 1:1 verlängerte.

Draxlers Hüftwackler

Zunächst blieb Manchester gefährlich, Memphis Depay und Marouane Fellaini (der sich mit Dante den gleichen Frisör teilen könnte) beschäftigten die Abwehr um Christian Träsch, Naldo und Dante. Das 2:1 der Wolfsburger wirkte hingegen wie ein Schock. Bei einem herrlichen Angriff wackelte Julian Draxler vor dem Strafraum Bastian Schweinsteiger aus, und legte nach feinem Doppelpass mit Max Kruse auf Vieirinha quer, der nur noch den Fuß hinhalten musste (29.). 2:1. Manchester brauchte jetzt zwei Tore, um noch an Wolfsburg vorbeizuziehen.

"Wir waren trotzdem alle noch ein bisschen angespannt", sagte Allofs. Das habe vor allem daran gelegen, dass Wolfsburg am Wochenende an selber Stelle durch ein Gegentor in der 93. Minute 1:2 gegen Borussia Dortmund verloren hatte. "Vielleicht waren wir vom Samstag noch belastet", sagte Allofs - und tatsächlich tat sich sein Team nach der Pause schwer. Richtig zwingend kam der Tabellenvierte der Premier League zwar lange nicht vors Wolfsburger Tor, daran änderte auch die Einwechslung von Michael Carrick für Bastian Schweinsteiger in der 69. Minute nichts. Trotzdem wurde es nochmal spannend.

Eindhoven macht Druck

Josuha Guilavogui verlängerte einen Kopfball-Aufsetzer über Benaglio ins eigene Tor zum 2:2 (82.). Van Gaals Team fehlte noch ein Tor zum Weiterkommen, im Stadion waren jetzt die Gesänge der ManUnited-Anhänger zu hören. Fast gleichzeitig fiel in Eindhoven der Ausgleich für den PSV, eine schlechte Nachricht für beide Teams. "Ich habe mitbekommen, dass es dort kurz vor Schluss 1:1 stand", sagte Naldo. Zu diesem Zeitpunkt wären zwar sowohl Manchester als auch Wolfsburg qualifiziert gewesen - doch Augenblicke später ging Eindhoven in Führung, Manchester brauchte jetzt also einen Sieg - und van Gaal hatte mit Nick Powell einen Kleiderschrank mit Kopfball-Qualitäten eingewechselt.

"Da wusste ich, bei Van Gaal gibt's jetzt nur noch eins", berichtete Hecking: Hoch und weit nach vorne. Doch Wolfsburg hatte eben Naldo: Diesmal flog ein Eckball dorthin, wohin er sich davon gestohlen hatte. Er nickte zum 3:2 ein (84.). Die Entscheidung. Der Favorit war bezwungen, und die Wolfsburger Fans offenbarten ungeahnte Qualitäten in Sachen Lautstärke.

Es sei "ein besonderer Moment, das erste Mal mit dem VfL im Achtelfinale zu sein", sagte Naldo. Wenig überrascht gab sich sein Manager. Nach der Auslosung habe man schon "mit einem Auge aufs Weiterkommen geschielt", sagte Allofs. Schon am Morgen vor dem Spiel habe er "über die Eintrittspreise gesprochen", die für die K.-o.-Runde neu festgelegt werden müssen.

Im Achtelfinale trifft Wolfsburg auf einen der Zweitplatzierten aus den sieben anderen Gruppen (mit Ausnahme deutscher Teams), mögliche Gegner wären also vor den Mittwochsspielen Paris Saint-Germain, Juventus Turin oder Benfica Lissabon. "Wenn's nicht ein ganz Großer ist, ist jedes Team machbar", sagte Hecking.

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