Champions League: Mailand - Schalke:Denkste, Inter!

Nach dem sensationellen 5:2 in Mailand steht Schalke 04 so gut wie sicher im Halbfinale der Champions League. Gegen den favorisierten Titelverteidiger spielt sich die Rangnick-Elf in einen Rausch - und erschafft ein großes Märchen des Fußballs.

Es war ja nicht irgendeine Mannschaft, die da gerade im eigenen Stadion vom FC Schalke 04 besiegt und gedemütigt worden war. Es war Inter Mailand, Titelverteidiger in der Champions League, italienischer Meister, Pokalsieger, Supercupgewinner, Weltpokalsieger, Gewinner aller gewinnbaren Titel, mithin aktuell erfolgreichster Klub des Erdballs, und wenn sie nicht in fernen Galaxien ebenfalls diesem seltsamen Spiel namens Fußball frönen: aktuell erfolgreichster Klub des Kosmos, der vermutlich sogar einer Auswahl von Engeln mindestens ein Unentschieden abtrotzen würde.

Champions League: Mailand - Schalke: Und dann kam Raúl: Schalkes Spanier erzielte gegen Inter das 3:2.

Und dann kam Raúl: Schalkes Spanier erzielte gegen Inter das 3:2.

(Foto: AP)

Aber gegen Schalke? Keine Chance. 2:5 (2:2) hat Inter das Hinspiel des Viertelfinales der Champions League gegen die Mannschaft aus dem Gelsenkirchener Stadteil Buer verloren, es war ein denkwürdiger Abend, an dem beide Teams ein denkwürdiges Spiel boten. Schalke hat nun alle Möglichkeiten, sich am Mittwoch in einer Woche im Rückspiel fürs Halbfinale zu qualifizieren.

Es war eine Nacht wie im Rausch, und was sagt man da als Trainer? Singt man eine Arie in die Mikrofone, stößt man spitze Schreie aus, redet man ohne Punkt und ohne Sinn? "Wir stehen noch nicht im Halbfinale", sagte Ralf Rangnick so sachlich, als bewürbe er sich für den Ehrenvorsitz des Bundesverbands der Stoiker. "Wir haben am Samstag wieder ein Spiel in der Bundesliga", sagte er im wohl glücklichsten Moment seiner Laufbahn und erkannte: "Und wenige Tage später haben wir dann wieder ein Spiel."

Rangnicks glücklichster Moment

Die Spieler Inters waren zu diesem Zeitpunkt in den Katakomben verschwunden. Sie waren geschockt, obwohl man in Mailand ja durchaus wusste, was sich hinter diesem denkbar unitalienischen Wort verbirgt: "Schalke", das ist den Interisti ein Begriff, seit die Männer aus Gelsenkirchen Inter im Finale des Uefa-Cups im Jahr 1997 besiegten; die Mannschaft erhielt damals den Ehrentitel "Eurofighter". Wie soll man jetzt die Männer von 2011 nennen, nach diesem Abend, nach diesem Spiel?

Und wie erst, wenn sie den ganzen Weg gehen, bis zum Titel? Nun, dieser Gedanke ist freilich arg weit hergeholt, aber ebenso absurd erschien vor diesem Dienstagabend die Vorstellung, Schalke könnte auch nur die kleinste Chance haben gegen dieses Weltklasse-Ensemble mit Eto'o, Sneijder, mit Cambiasso, Milito. Schalke eroberte Mailand, Schalke verzauberte Mailand, Schalke wuchs über sich hinaus bis in den Himmel und erschuf ein großes Märchen des Fußballs.

Allein, wie das Spiel begonnen hatte: In der Philharmonie würde das Publikum sich die Ohren zuhalten, wenn das Orchester zu Beginn einfach mal alle Instrumente in voller Laustärke erklingen ließe, im San-Siro-Stadion, einer Oper des Fußballs, waren die Menschen hingegen zunächst noch begeistert davon, dass die Partie umgehend Getöse, Action und Lärm entfaltete, und davon, dass allein in der ersten Minute mehr passierte als in manchem Bundesligakick.

Stankovic von der Mittellinie

Diese erste Minute: Schalkes Torwart Manuel Neuer klärte einen Steilpass vor dem Strafraum mit einem Flugkopfball, der allein das Eintrittsgeld wert war. Der Ball flog zur Mittellinie. Dort nahm Mailands Dejan Stankovic die Kugel volley und drosch sie ins Netz, aus 51 Metern Entfernung. Ein Traum von einem Tor, und der Sekundenzeiger war immer noch auf seiner ersten Runde. Eins schien klar zu sein: Wenn das so losging, würde Schalke hier verprügelt werden, und, wie man in der Sprache des Fußballs so sagt, eine richtige Packung bekommen. Nun, es kam etwas anders.

Schalke zeigte sich kein bisschen verunsichert. Frühes Gegentor? Na und? Greifen wir halt mal ordentlich an hier im schönen Italien. In der 17. Minute erzielte Joel Matip folgerichtig das 1:1, was für Schalke ein gutes Ergebnis war. Doch nun wurde Inter ein bisschen ungehalten. Was bildeten sich diese Provinzler ein?

Hier, im San Siro, so frech aufzuspielen? Und diese schönen Kombinationen auf den Rasen zu zeichnen, die man ohne weiteres als Kunstwerke ausstellen könnte? Inter machte ernst, und Inter ging wieder in Führung: Das 2:1 entsprang einem herrlichen Spielzug, Sneijder auf Cambiasso, der auf Milito, und der schob lässig ein. Basta, Schalke. Was in der Folge passierte, ist mit dem Begriff sensationell nur unzureichend beschrieben.

Lachen und Staunen

Die Schalker behielten die Nerven, als spielten sie gerade gegen eine Stadtauswahl von Castrop-Rauxel, sie waren lässig und beherzt, sie waren kühl und leidenschaftlich, sie waren eine Mannschaft, die sich in die Herzen aller Anhänger dieses Sports spielte, ausgenommen freilich die unglücklichen, die betrübten, die fassungslosen Tifosi von Inter Mailand. Edu besorgte in der 40. Minute den Ausgleich. Und dann brach sich der Irrsinn Bahn.

Als Raúl in der 53. Minute das 2:3 erzielte, freuten sich alle Schalker, weil dieses Ergebnis ja wirklich sehr unglaublich war. Als in der 57. Minute Ranocchia per Eigentor das 2:4 besorgte, jubelten die Schalker ausgelassen wie Kinder, weil dieses Ergebnis eine Sensation war. Als in der 75. Minute Edu das 2:5 erzielte, staunten die Schalker, und sie lachten, als hätten sie eine Erscheinung gehabt.

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