Champions League:Leverkusen ist zu naiv für Atléticos Hyänen

Champions League: Enttäuscht nach dem 2:4 gegen Atlético: Leverkusen Leon Bailey (v.l.), Javier Hernandez, Joel Pohjanpalo und Karim Bellarabi.

Enttäuscht nach dem 2:4 gegen Atlético: Leverkusen Leon Bailey (v.l.), Javier Hernandez, Joel Pohjanpalo und Karim Bellarabi.

(Foto: AP)

Von Andreas Morbach, Leverkusen

Zumindest die Leverkusener Nachwuchsspieler waren zufrieden mit ihrer abendlichen Bilanz. Direkt am Eingang zur Tiefgarage des Leverkusener Stadions hatten sie sich aufgebaut, um diese kickenden Teufelskerle aus Madrid mal aus der Nähe zu betrachten. Dass ihnen der laufende Motor des Atlético-Busses dabei ständig Abgase in die Gesichter blies, war für sie okay. "Ich hab' alle gesehen", rief einer der Teenager kurz vor Mitternacht beglückt. Woraufhin einer seiner Kumpel lässig erklärte: "Eigentlich wollte ich nur den Koke haben, aber der Griezmann war auch dabei."

Schnappschüsse mit den Bayer-Spielern oder deren Autogramme waren weniger begehrt nach dem 2:4 (0:2) gegen das Team aus Madrid. Und als hätte die sportliche Demontage nicht gereicht, geisterten später noch erniedrigende Fragen durch den Raum. Ob seine Mannschaft so ein Spiel vor zwei Jahren nicht 4:0 gewonnen hätte, sollte Diego Simeone beantworten. Da bleckte der argentinische Coach der Spanier kurz die Zähne und erwähnte stolz, Atlético habe zuletzt vor 21 Jahren vier Auswärtstore in der Champions League geschossen. "Vor zwei Jahren hätten wir so eine Partie vielleicht 2:0 gewonnen", konterte er. Aber klar: "Wir müssen schauen, weniger Gegentore zu bekommen. Das ist in diesem Wettbewerb wichtig."

Gedanklich hatte Simeone das Rückspiel gegen Leverkusen am 15. März also schon übersprungen. "Die Champions League ist gefährlich. Der Gegner hat nichts zu verlieren, wir müssen aufpassen", sagte er anstandshalber noch. Während Rudi Völler zwei Etagen tiefer der Schweiß auf der Stirn stand. Vermutlich dachte Bayers Sportdirektor da noch mal an das oft dilettantische Defensivverhalten in der ersten Halbzeit, das die Hyänen aus Madrid mit zwei blitzsauberen Toren durch Saul Niguez und Antoine Griezmann bestraften. Als "sehr naiv" beschrieb Offensivspieler Julian Brandt die Leverkusener Gesamtvorstellung vor der Pause. "Wir haben Dinge mit dem Ball gemacht, die nicht normal für uns sind."

"Auch Bayern München hat das nicht hinbekommen"

Im zweiten Teil der Partie kam das Team von Roger Schmidt dann immerhin auf ein Remis, die Freude über die Anschlusstreffer durch Karim Bellarabi und Eigentorschütze Stefan Savic trübten Kevin Gameiro (Foulelfmeter) und Fernando Torres (Kopfball) aber. 2015 lieferten sich beide Klubs im Achtelfinale noch zwei faszinierende Abnutzungskämpfe, ehe die Werkself im Estadio Vicente Calderón im Elfmeterschießen unterlag. So weit wird Schmidts Team diesmal aller Voraussicht nach nicht kommen. Für diese These reichte schon ein Blick auf den bis Juni gesperrten Hakan Calhanoglu. Vor zwei Jahren hatte er noch beim 1:0-Hinspielsieg gegen Atlético getroffen, nun saß er mit starrem Blick und vor der Brust verschränkten Armen auf der Tribüne.

Qualitativ herangerückt an Madrid sind die Leverkusener in den letzten zwei Spielzeiten also nicht. Dafür ist die anhaltende Verjüngungskur des Klubs weiter fortgeschritten. Spieler wie Brandt (20), Benjamin Henrichs (19) oder Kai Havertz (17) haben den Weg in die Stammelf gefunden - und ihr Trainer will das Modell beibehalten. Doch nun noch das Achtelfinale zu erreichen, sei schwer, sagte Schmidt. "Das haben wir gegen Teams wie Monaco oder Tottenham geschafft, und Atlético ist eben ein besonderes Kaliber. Gegen die hat in den letzten drei Jahren in der K.o.-Phase nur Real Madrid gewonnen, auch Bayern München hat das nicht hinbekommen."

Dass Innenverteidiger Aleksandar Dragovic in den Duellen mit den furiosen Angreifern Griezmann und Gameiro diesmal eine besonders traurige Figur abgab, hatte auch Bayers Coach gesehen. "Er ist in der ersten Halbzeit aber auch immer wieder im Stich gelassen worden", verteidigte er den Österreicher - und schöpfte zumindest aus der insgesamt besseren zweiten Hälfte etwas Hoffnung. "Wir hatten uns viel vorgenommen und haben mit einer so jungen Mannschaft ins Spiel zurückgefunden. Man konnte sehen, wie viel Leben und Mut in dieser Mannschaft steckt. Deshalb sehe ich das positiv", sagte Schmidt - und betonte: "Wir gehen unseren Weg mit den jungen Spielern weiter, mit vollster Überzeugung." Mutiger Zusatz: "Außerdem war heute ja erst das Hinspiel."

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