Champions League:Klaffende Wunde beim FC Bayern

Von Saskia Aleythe, Paris

Uli Hoeneß presst die Zähne fest aufeinander, erst mit dem Schluck aus dem Weinglas entspannt sich sein Kiefer. Es ist schon spät in der Nacht, als drei Plätze neben ihm Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge seine Stimme zur Bankettrede erhebt, über eine bittere Niederlage spricht und dann einen Satz sagt, der häufiger gefallen ist in den vergangenen Stunden. "Das, was wir heute Abend gesehen haben", sagt Rummenigge, "war nicht Bayern München".

Der Spielbogen sagt freilich etwas anderes, die Anwesenheit des FC Bayern bei diesem 0:3 durch Paris Saint-Germain ist auch durch Fernsehbilder hinreichend belegt. Doch die Niederlage im zweiten Gruppenspiel der Champions League traf die Münchner so sehr, dass zunächst etwas Realitätsverweigerung herhalten musste, um die klaffende Wunde erstzuversorgen.

Ancelotti: "Für mich war es die beste Aufstellung"

Sie war tief, sehr empfindlich und sie brannte. Rummenigge selbst hatte das Duell zum Prestigeduell erhoben zwischen dem neureichen PSG und seinen altreichen Münchnern und musste nun feststellen, dass aus seinem "gewaltigen Kribbeln" der Vorfreude ein lähmender Schmerz geworden war.

"Der kommt hart", beschrieb Arjen Robben die Wucht der Pleite im Boxer-Jargon, "das sind wir so nicht gewohnt." Erst in der 69. Minute durfte er an der Partie teilnehmen, was einen schnurstraks zu Carlo Ancelotti führt. Der Trainer hatte am Mittwochabend so sehr mit der Aufstellung überrascht, dass in der Pressekonferenz ein Journalist folgende Frage stellte: "Sie haben die besten Spieler nicht aufgestellt - wussten Sie vorher, dass sie verlieren werden?"

Mats Hummels und Jérôme Boateng mussten draußen bleiben, was bei deren weltmeisterlichen Verdiensten und Erfahrungen wohl nur die wenigsten Trainer in einem Champions-League-Spiel wagen würden. Auch Franck Ribéry verharrte das ganze Spiel über auf der Bank. Statt auf ihn und Robben vertraute der Trainer auf Corentin Tolisso und Thiago in der Zentrale, er wollte das Mittelfeld dicht machen. Was mäßig gut klappte: Schon nach 90 Sekunden stand es 1:0 für Paris, Neymar übertölpelte Tolisso und Thiago. "Ich denke nicht, dass die Aufstellung zu riskant war", sagte Ancelotti später, "für mich war es die beste Aufstellung. Letztlich werde ich dafür kritisiert, aber das ist okay."

Tatsächlich brachte seine Mittelfeld-Konzeption den Münchnern im Anschluss nicht gerade wenig Ballbesitz (62 Prozent), doch der Offensive mangelte es an letzter Konsequenz. "Wir hätten mutiger mit den Räumen umgehen müssen, die uns Paris gegeben hat", befand Thomas Müller, "das waren schon einige Bälle, die durch den Fünfmeterraum gesegelt sind." Noch deutlicher wurde Joshua Kimmich: "Die haben uns teilweise einfach machen lassen, trotzdem haben wir es nicht geschafft, klare Torchancen herauszuspielen." Was dann wirklich nicht mehr nach FC Bayern klang.

Rummenigge kündigt Konsequenzen an

Am Ende kann man auch zu der Erkenntnis gelangen, dass die Aufstellung vor allem in den Köpfen der Spieler für Unruhe gesorgt hat. Angesprochen auf das Duo Ribéry und Robben, sagte Kimmich: "Das sind Spieler, an denen man sich orientieren kann, und die auch gut tun auf dem Platz als junger Spieler." Natürlich relativierte er noch, wie alle Spieler Kritik am Trainer kaum zuließen. Auch Arjen Robben ließ sich nur im ZDF in erster Hitze zu folgendem Satz hinreißen: "Ich rede nicht über die Aufstellung. Da ist jedes Wort zu viel."

Es war ein Abend der Zwischentöne im Pariser Prinzenpark. Während Robben noch einige Male an den Zusammenhalt der Mannschaft appellierte, wollte Müller nicht mal bis zum Rückspiel denken. "Wir haben jetzt 3:0 verloren und müssen schauen, dass wir die nächsten Spiele positiv gestalten", sagte er. Neuerdings sind ja auch Partien gegen Hertha BSC eine ernste Herausforderung. Für Torwart Sven Ulreich etwa, der bei zwei der drei Gegentore unglücklich agierte.

Nur einer wählte den direkten Weg am Mittwochabend. Rummenigge erklärte, die Niederlage sei eine, "über die es auch zu sprechen gilt und die es zu analysieren gilt. Und in der wir auch in Klartextform Konsequenzen ziehen müssen." Neben ihm saß Carlo Ancelotti und kaute.

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