Champions League:Juve schlägt sich halt so durch

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Will nach trotz seines Rücktritts in die italienische Nationalmannschaft zurückkehren: Gianluigi Buffon. (Foto: AFP)
  • Juventus Turin droht nach dem 2:2 im Hinspiel gegen Tottenham Hotspur das frühe Aus in der Champions League.
  • Das Scheitern der Nationalelf in der WM-Qualifikation belastet die Mannschaft.
  • Torhüter Gianluigi Buffon will nun doch weiter für die Nationalmannschaft spielen - und äußert sich nebulös zu seinem geplanten Karriereende im Sommer.

Von Birgit Schönau, Rom

Wie sich das wohl anfühlt, Italiens letzte Hoffnung zu sein? Die WM ist futsch, bleibt die Champions League, und auch dort ist es alles andere als selbstverständlich für Juventus Turin und den AS Rom, das Viertelfinale zu erreichen. Dass Vorjahresfinalist Juve am Mittwoch in London gegen Tottenham Hotspur noch nicht mal als Favorit antritt, liegt am verpatzten Hinspiel. In Turin hatten die Gastgeber schnell 2:0 geführt, dann drehte Tottenham das Spiel und schaffte ein Unentschieden.

Jenseits des beschämenden Ergebnisses offenbarte die Vorstellung sämtliche Hemmnisse, mit denen Juventus in dieser Saison zu kämpfen hat. Das von Massimiliano Allegri trainierte Team, das noch vor einem Jahr zumindest die beste Defensive in Europa aufbot, zeigt nach dem Wegzug von Leonardo Bonucci (zum AC Mailand) immer noch Schwächen in der Hintermannschaft. Dazu ein Mittelfeld, in dem Weltmeister Sami Khedira nicht gerade als Ideenmotor glänzt - und eine für Juventus-Verhältnisse allzu launische Offensive.

Die Reaktion auf Buffons Rücktritt vom Rücktritt ist gespalten

Für die Serie A reicht das alles - fast. Auch nach der 2:4-Klatsche gegen AS Rom am vergangenen Wochenende bleibt der SSC Neapel auf Titelkurs und Juve weiterhin Verfolger. International müht man sich gewaltig. Früher hieß es: Wenn Juventus Schnupfen hat, kriegt die Nationalmannschaft eine Grippe, weil der Turiner Klub traditionell die meisten Spieler in die Squadra Azzurra entsandte. Heute hat man das Gefühl, das gelte umgekehrt. Das Aus für die Nationalelf in der WM-Qualifikation lastet auf Juventus, und womöglich nicht nur auf den Italienern im Team.

Besonders schwer trägt Gianluigi Buffon daran, der Torwart und Kapitän. In gleicher Funktion wirkte Buffon auch bei den Azzurri, aber nach der Niederlage gegen Schweden im WM-Playoff im November hatte er einen tränenreichen Abschied von der Nationalelf genommen. Jetzt will er für die Testspiele gegen England und Argentinien Ende März zurückkehren. Die Entscheidung wurde von Gigi Di Biagio verkündet, dem U 21-Trainer, der derzeit auch als Interimscoach der A-Mannschaft fungiert. Einen neuen Nationaltrainer hat Italien nämlich immer noch nicht.

Die Reaktion auf Buffons Rücktritt vom Rücktritt ist gespalten. Der allseits beliebte Kapitän bildet unbestritten das Rückgrat der Mannschaft, sowohl bei Juve als auch bei den Azzurri. Buffons Charisma reicht weit über den Strafraum hinaus. Andererseits verhindert der 40-Jährige nach Ansicht der Kritiker einen Neuanfang. Er selbst hatte vor Monaten angekündigt, im Mai seine aktive Karriere bei Juventus beenden zu wollen. Doch in letzter Zeit wird Buffon nebulös, wenn er darauf angesprochen wird.

Er müsse zuerst mit Präsident Andrea Agnelli sprechen, erklärt er immer wieder, als handele es sich bei diesem Gespräch um eine lang vorher anzuberaumende Audienz. Dabei ist Buffon so eng mit Agnelli, dass er sogar Patenonkel der jüngsten Präsidententochter ist, also fast schon Familienmitglied. Dazu passt, dass Andrea Agnelli, der selbst nur zwei Jahre älter ist als sein 40-jähriger Kapitän, geduldig beteuert, natürlich bestimme Gigi selbst über seine Zukunft.

"Ein Großer wie Gigi darf nicht einfach so nach einer Niederlage gegen Schweden abtreten", glaubt Di Biagio, der Lückenbüßer beim Nationalteam. Wenn schon, dann mindestens ein Halbfinale gegen Deutschland! Nach dieser Logik darf Gigi genauso wenig von Tottenham geschlagen die Champions League verlassen. Wie würde das denn aussehen? Gerade noch zum besten Welttorhüter gekürt und dann von Hugo Lloris entthront? Der ist zwar Rekordtorhüter der Franzosen, die zur WM fahren. Aber Gigi ist Gigi, weswegen schon mal die beruhigende Nachricht verkündet werden sollte, dass der Auftritt gegen die Spurs im Wembley-Stadion nicht sein letzter sein soll auf europäischer Bühne.

Oder doch? Und was meint eigentlich Massimiliano Allegri dazu? Nun, der Juve-Coach ist gerade vor allem damit beschäftigt, irgendwie die Motivation in seinem Team zu halten. Nach sechs Meistertiteln in Serie und zwei verlorenen Champions-League-Endspielen in drei Jahren ist das für Allegri unstreitig die größte Herausforderung. Und wer weiß, wie oft er selbst und Buffon insgeheim daran gedacht haben, dass der Schlusspfiff in Cardiff, nach dem 1:4 im Finale 2017 gegen Real Madrid, eigentlich der beste Moment für einen Abgang gewesen wäre.

Jetzt schlägt man sich halt so durch. "Wir sind nicht die Favoriten!", hatte Allegri nach dem Hinspiel getobt, so sauer hatte man ihn selten gesehen. Tatsächlich hat Juventus im Rückspiel viel aufzuholen, die Wettbüros sehen Tottenham vorn. Den Engländern fehlt die taktische Finesse der Italiener, deren Routine, ja Abgebrühtheit. Für sie spricht, dass sie schlicht mehr Hunger haben und die bessere Offensive.

Bei Juve setzt man - Mario Mandzukic ist angeschlagen, Gonzalo Higuain in einer melancholischen Phase - auf den Argentinier Paulo Dybala, 24, einen Spezialisten später Siegtore. Zuletzt schlug Dybala in der Nachspielzeit gegen Lazio Rom zu, die Partie am Samstag endete 1:0 und war ein Beispiel für jenen calcio cinico, den man mit Allegri längst überwunden glaubte: den Gegner betäuben (narcotizzare heißt diese aparte Taktik), und dann bei der ersten und letzten Gelegenheit schachmatt setzen.

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Von Birgit Schönau

Ob das in London funktioniert? Einer jedenfalls wird bestimmt nicht schlafen: Buffon in seinem Kasten. Nicht jetzt. Nicht gegen Tottenham.

© SZ vom 07.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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